Deutsch-chinesische Regierungskonsultationen: China muss endlich Mitverantwortung für internationale Regeln übernehmen
Egal, ob Grün oder Schwarz die nächste Regierung führt: Der Umgang mit Peking wird robuster. Die Strategie der kleinen Verbesserung ist am Ende. Ein Kommentar.
Die deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen 2021 waren die letzten ihrer Art. Der Abschied von Angela Merkel wird auch zum Abschied von ihrer Chinapolitik. Egal, ob die Grünen oder die Schwarzen die nächste Bundesregierung führen: Der Umgang mit Peking wird robuster, das fordern Außenpolitiker beider Parteien und auch die der SPD und der FDP.
Erstens wegen der Menschenrechte, der Unterdrückung der Uiguren und Tibeter sowie der Demokratiebewegung in Hongkong. Warum mit China Verträge schließen, wenn es das internationale Abkommen über Hongkongs Autonomie bricht?
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Zweitens verlangt der Klimaschutz ein Umdenken. Rettung ist unmöglich, wenn China, der mit Abstand größte Verschmutzer, sein Sozialprodukt, das dem der USA und der EU entspricht, weiter mit den zwei- bis dreifachen Emissionen generiert.
Peking tritt hegemonial auf, in Asien und gegenüber der EU
Drittens bringen die ungleichen Handelsbedingungen erhebliche Nachteile für Deutschland und Europa. Viertens tritt das ökonomisch erstarkte Peking zunehmend als Hegemon auf, in Asien und gegenüber der EU.
Drei Dynamiken erhöhen den Druck auf Deutschland. EU-Partner warnen, China wolle die EU durch Investitionen in Häfen, Verkehrswege und chinesische Technik im 5-G-Netz in einseitige Abhängigkeit bringen; das erschwert es, sich in Konflikten mit Peking zu behaupten. Die USA drängen Europa zu einer gemeinsamen Strategie.
Den mächtigsten Antrieb bilden freilich die Erfahrungen mit China. In 16 Jahren Merkel-Regierung ist aus einem Entwicklungsland, dem sich Deutschland technisch überlegen fühlte und das es vor allem als riesigen Markt für seine Waren betrachtete, eine Weltmacht geworden. Die setzt ihre Muskeln oft rücksichtslos ein, um anderen die Bedingungen zu diktieren.
Die simple Hoffnung, dass China sich mit seinem ökonomischen Wachstum und vermehrtem Dialog öffnet für westliche Werte und gegenseitigen Marktzugang, hat sich nicht erfüllt.
China trieb deutsche Solarfirmen in die Pleite
Peking verbittet sich Kritik und verlangt Unterordnung. Als die EU es kürzlich wagte, vier Funktionäre wegen der Straflager für Uiguren zu sanktionieren, schlug China hart gegen eine weit größere Zahl demokratisch gewählter Personen zurück, darunter der Grüne Reinhard Bütikofer, Leiter der China-Delegation des Europäischen Parlaments (EP). Jetzt steht die Ratifizierung des Investitionsabkommens im EP in Frage, ein Kernprojekt Merkels. Ihre Strategie der schrittweisen Verbesserungen durch Kooperation und Dialog kommt an ein Ende.
Die Liste der strategischen Fehlkalkulationen ist lang. Im Rahmen der Energiewende hatte die Bundesregierung die Solartechnik mit hunderten Millionen Euro subventioniert. Chinesische Konzerne nutzten den Technologieschub und trieben deutsche Anbieter mit Dumpingpreisen in die Pleite. Die deutsche Autoindustrie war der globale Platzhirsch, muss inzwischen aber Knebelverträge akzeptieren, wenn sie in China E-Autos verkaufen und produzieren möchte. China hat sich die seltenen Rohstoffe für den Batteriebau in Afrika und anderswo gesichert.
Kein Decoupling, aber strategische Interessen verteidigen
Was tun? Deutschland wird sich natürlich nicht von China abkoppeln und auf die Boom-Region vor der Haustür konzentrieren. Es wird auch kein bedingungsloses Anti-China-Bündnis mit anderen Europäern und den USA schließen. Aber um seiner Zukunft willen kann es auch nicht weitermachen wie bisher und Chinapolitik vorwiegend als Außenhandelspolitik betrachten.
Der Bundestag hat Huawei nicht von 5G ausgeschlossen, aber die Hürden mit Blick auf Datensicherheit höher gesetzt, als Merkel wollte. Wie andere Handelsnationen schickt Deutschland ein Kriegsschiff nach Asien, um das Recht auf freie internationale Seewege zu betonen.
Peking Mitverantwortung abfordern für den Schutz der Regeln
Unbeugsam für Regeln und Werte einzutreten, heißt nicht, Peking permanent an den Pranger zu stellen. Das Argument sollte sein: China ist eine Weltmacht und muss Mitverantwortung für den Schutz internationaler Regeln übernehmen. Gleicher Marktzugang, gleicher Klimaschutz, Respekt vor den Grundrechten. Auch aus Eigeninteresse.
Denn sonst treibt Peking die Demokratien in Asien, Europa und Nordamerika in das Bündnis zur Eindämmung Chinas, das es doch eigentlich vermeiden möchte.