Nach dem Rückzug von Schulz: Chaostage bei der SPD
Die SPD kommt auch nach dem Verzicht von Martin Schulz auf das Außenamt nicht zur Ruhe. Jetzt entbrennt eine Debatte über das Vorgehen bei der Entscheidung über den künftigen Parteivorsitz.
In der SPD ist eine Diskussion über den Plan des scheidenden Parteichefs Martin Schulz und der engeren Parteiführung entbrannt, den Parteivorsitz an Fraktionschefin Andrea Nahles übergeben zu wollen. Die Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis bekräftigte den Aufruf der SPD-Linken zu einer Urwahl über den künftigen Vorsitz in der Partei. „Zur Erneuerung der SPD gehört auch, dass über das Führungspersonal in einem transparenten Verfahren entschieden wird“, sagte Mattheis dem Tagesspiegel. „Es kann nicht sein, dass der SPD-Vorsitz quasi unter der Hand vergeben und die Partei vor vollendete Tatsachen gestellt wird“, sagte die SPD-Parteilinke weiter.
Schon vor dem Bonner Parteitag machte Schulz Nahles ein Angebot
Bereits vor dem Bonner SPD-Parteitag vom 21. Januar hatte Schulz nach einem Bericht von „Spiegel Online“ Nahles angeboten, in naher Zukunft den Parteivorsitz zu übernehmen. Nach dem Abschluss der Koalitionsgespräche mit der Union hatte Schulz am vergangenen Mittwoch den Plan öffentlich gemacht, der zuvor von der engeren Parteiführung gebilligt worden war. Gleichzeitig hatte er entgegen seiner anders lautenden Festlegung angekündigt, bei einer Neuauflage der großen Koalition das Außenamt zu übernehmen. Wegen einer Protestwelle an der Parteibasis hatte sich Schulz am Freitag aber zum Rückzug entschlossen.
Arbeitsministerin Barley offen für Urwahl
Allerdings kommt die SPD auch mit Schulz’ Verzicht auf das Außenamt nicht zur Ruhe. Im Fokus steht nun das Prozedere bei der Entscheidung über den künftigen Parteivorsitz. Die geschäftsführende Arbeits- und Familienministerin Katarina Barley (SPD) befürwortete eine Abstimmung der Mitglieder über die Schulz-Nachfolge. „Der Urwahl-Idee kann ich grundsätzlich etwas abgewinnen und bin dafür offen, denn die direkte Beteiligung der Mitglieder schafft Vertrauen“, sagte sie der „Rheinischen Post“.
Parteivize Stegner will Ende der Personaldiskussion
Dagegen wandte sich SPD-Vize Ralf Stegner gegen eine schnelle Festlegung auf eine Urwahl. „Diese Debatte gehört in die laufende Diskussion zur notwendigen Parteireform“, sagte er dem Tagesspiegel. Die Diskussion werde ausgiebig und sorgfältig geführt, wie der Bundesparteitag dies beschlossen habe. „Über das Ergebnis entscheidet dann wieder ein Bundesparteitag“, sagte Stegner. Er appellierte an seine Partei, sich bis zur Entscheidung der SPD-Mitglieder über die große Koalition anstelle von öffentlichen Personaldiskussionen auf die „Sachdiskussion“ zu konzentrieren.
Berlins SPD-Fraktionschef Raed Saleh sieht die Führung der Bundes-SPD in einer Vertrauenskrise. „Es gibt eine zunehmende Entfremdung der Basis von der Spitze der Bundespartei“, sagte er dieser Zeitung. „Über das Vorgehen der letzten Wochen schütteln viele Genossen nur noch ratlos den Kopf“, sagte Saleh weiter. Die nächste Parteiführung werde viel Kraft aufwenden müssen, „um zerstörtes Vertrauen zurückzugewinnen und den Zusammenhalt wieder zu stärken“.
Unmut in der Union über Verlust des Finanzministeriums
Unterdessen wächst in der Union die Kritik daran, dass das bisher von der CDU geführte Finanzministerium an die SPD gehen soll. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte der „Passauer Neuen Presse“, er könne angesichts der Aufgabe des Finanzressorts die „Enttäuschung verstehen“. Wenn aber die Koalitionsverhandlungen und die Regierungsbildung am Ende an der Frage von Posten gescheitert wären, „hätten uns die Bürger eher für verrückt erklärt“, sagte Kauder.