G-20-Afrika-Konferenz: Chancen zur nachhaltigen Entwicklung
Die G-20-Staaten streben Partnerschaften mit afrikanischen Staaten an. Dabei geht es vor allem um Investitionen - Ghana, die Elfenbeinküste und Tunesien bekommen deutsche Hilfe.
Wenn Akinwumi Adesina über die Bundeskanzlerin spricht, bekommt er leuchtende Augen. Angela Merkel „führt mit dem Herzen“, sagt der Präsident der Afrikanischen Entwicklungsbank. Er lobt ihr Mitgefühl und ihre Initiative, die Kooperation mit Afrika während der deutschen Präsidentschaft auf die Tagesordnung der Gruppe der 20 größten Volkswirtschaften (G20) zu setzen.
Angela Merkel sagte zur Eröffnung der G-20-Afrika-Konferenz am Montag in Berlin: „Die Globalisierung ist kein Schicksal.“ Mit der Verabschiedung der 17 globalen Nachhaltigkeitsziele (SDGs) bis 2030 hätten sich die Staaten auf den Weg gemacht, gemeinsam „einen nachhaltigen Entwicklungspfad einzuschlagen“. Dafür brauche es neue Partnerschaften, betonte die Kanzlerin. Genau darum soll es bei der deutschen G-20-Initiative ihrer Meinung nach auch gehen.
Deutschland hat mit drei afrikanischen Staaten einen G-20-Compact zur Förderung von Investitionen abgeschlossen. Ghana, die Elfenbeinküste und Tunesien bekommen deutsche Hilfe beim Versuch, mehr ausländische und inländische private Investoren zu gewinnen, Arbeitsplätze zu schaffen, eine stabile Wirtschaftsentwicklung zu erreichen, „damit die Menschen sich nicht in die Hände von Schleppern“ begeben müssten, wie Merkel sagte. Zudem hat Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) mit den gleichen Staaten sogenannte Entwicklungspartnerschaften auf den Weg gebracht, die zu seinem groß angekündigten „Marschallplan mit Afrika“ gehören sollen.
Schon in der vergangenen Woche hat das Kabinett ein Afrika-Papier beschlossen, das zwar immer noch vage geblieben ist, aber die G-20-Initiative unterstützen soll. Um die Vielzahl von Regierungskonzepten besser zu koordinieren, hat die Regierung nun einen Staatssekretärsausschuss eingesetzt. Der Chef des Afrikavereins der deutschen Wirtschaft, Stefan Liebing, lobte am Montag schon einmal, dass es nun eine Koordinierung durch das Kanzleramt gebe: „Das gab es noch nie.“ Außerdem rede die Regierung ebenfalls zum ersten Mal „über die richtigen Sachen“ und hebe die künstliche Trennung zwischen Wirtschaftsförderung und Entwicklungszusammenarbeit auf.
Die Afrikanische Entwicklungsbank soll prüfen, ob ein Land stabile Bedingungen bieten kann
Zehn Staats- und Regierungschefs sind angereist, um den neuen Ansatz der Afrikapolitik in Augenschein zu nehmen. Akinwumi Adesina wird mit der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB), der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) eine besondere Rolle in diesen Partnerschaftsverträgen spielen. Denn die AfDB soll mit den anderen Internationalen Finanzinstitutionen zweierlei überprüfen: Zum einen, ob ein Land, das einen Partnerschaftspakt abschließen will, stabile Bedingungen für Investoren bieten kann; und zum anderen, wo der Bedarf für Zusammenarbeit besteht.
Dabei folgen die so genannten Compacts der Regel, dass „diejenigen, die das richtige tun, dafür auch belohnt werden sollen“. Und sie folgen den Entwicklungsplänen der beteiligten afrikanischen Regierungen. Das sei auch der Unterschied zu den Strukturanpassungsprogrammen der 1990er Jahre, die die afrikanischen Staaten komplett überschuldet zurückgelassen hatten. Unter den Compact-Ländern finden sich die stabilsten Länder Afrikas. Adesina stellt klar: „Endlich wird Afrika als Investitionsstandort wahrgenommen.“
Das lobt auch der Planungsminister von Benin, Abdoulaye Bio Tchané. Im Interview mit dem Tagesspiegel sagte er: „Als ich den Plan gelesen habe, hatte ich den Eindruck: Das sind Leute, die haben die gleiche Vision wie wir. Die Vision ist: Wir brauchen private Investitionen in unserem Land. Das Geld ist in der Hand der Privatwirtschaft, nicht in den öffentlichen Haushalten.“ Zwar ist Benin in der ersten Runde noch nicht zum Zug gekommen. Doch in der ersten Runde sind es ohnehin nur fünf Länder, deren Anträge berücksichtigt worden sind. Neben den drei Staaten, mit denen Deutschland zusammenarbeiten will, sind das zunächst der Senegal und Ruanda. Schon bald sollen Marokko und Äthiopien dazu kommen.
In den Compacts ist viel die Rede von Rechtsstaatlichkeit, der Minderung von Risiken für Investoren und von Stabilität. Die Reformstaaten wiederum werben vor allem um Investitionen in Infrastruktur: Elektrizitätsversorgung, Straßen, Häfen, Flughäfen. Die AfDB hat selbst fünf Ziele ausgegeben, die nach Einschätzung von Adesina dazu führen werden, dass 90 Prozent der 17 Nachhaltigkeitsziele erreicht werden könnten. Die Prioritäten der Afrikanischen Entwicklungsbank sind: Stromversorgung, sichere Nahrungsmittelversorgung, afrikanische Integration, Industrialisierung, Verbesserung der Lebensqualität und Korruptionsbekämpfung. Die Afrikaner selbst sehen die Prioritäten etwas anders. Das unabhängige Meinungsforschungsinstitut Afro-Barometer hat 2014/15 in 36 afrikanischen Staaten nachgefragt, welche Probleme die Bevölkerung für die wichtigsten hält: Die meisten Nennungen erhielten Arbeitslosigkeit (38 Prozent), Gesundheit (32 Prozent) und Bildung (24 Prozent).
In Sachen Stromversorgung sagen die Befragten, dass es mit der Anbindung an die Stromnetze nicht getan ist. Zwar ist die Zahl der Menschen mit Stromanschluss auf rund 60 Prozent gewachsen. Aber fünf Prozent von ihnen sagen, dort fließe eigentlich nie Strom. Lediglich ein Viertel der Befragten verfügt über eine zuverlässige Stromversorgung. Deshalb spricht der AfDB-Chef auch von einer netzunabhängigen „Revolution“. In den kommenden zehn Jahren sollen alle Afrikaner mit Strom versorgt sein. Damit Investoren ihr Geld da hineinstecken, brauche es vor allem Risikokapital. Um das zu gewinnen, müsse sich aber die Sicherheitslage in vielen Ländern noch deutlich verbessern, sagte Angela Merkel. Wer Investitionen wolle, müsse auch über Sicherheit und möglicherweise Bundeswehreinsätze nachdenken.
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