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Wechselt ins Europaparlament: die bisherige Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU).
© imago/Reiner Zensen

Drogenbeauftragte Marlene Mortler im Interview: "Cannabis darf nicht verharmlost werden"

Im Tagesspiegel-Interview warnt die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, vor einer Legalisierung von Cannabis - und macht die Freigabe-Befürworter auch für den gestiegenen Drogenkonsum von Jugendlichen verantwortlich.

Frau Mortler, was ist der Unterschied zwischen einem Schnäpschen und einem Joint?

Natürlich die Substanz. Man sollte aber nicht die eine gegen die andere ausspielen. Beides ist schädlich. Alkohol führt bei Missbrauch zu sehr vielen Todesfällen. Auch Cannabis kann, wenn es regelmäßig konsumiert wird, massive Gesundheitsschäden verursachen. Aus Expertensicht reicht dafür schon ein Gramm pro Tag.

Es gibt noch einen Unterschied: Das eine ist legal, das andere illegal. Warum?

Wir leben in einem Kulturraum, in dem man sich an bestimmte Dinge gewöhnt hat. Und auch wenn Alkohol und Tabak legal sind, lasse ich keine Gelegenheit aus, auf die Folgen, zum Besipiel Abhängigkeitserkrankungen, Leberschädigungen oder lebenslange Behinderungen bei Konsum in der Schwangerschaft hinzuweisen. Wenn wir bei diesen Drogen auf die Bremse treten, wäre es sehr unglaubwürdig, bei Cannabis das Gaspedal zu nutzen und mit einer Legalisierung Vollgas zu geben.

Gleichwohl soll Cannabis nun auch nach Ihrem Willen ein bisschen legal werden. Die Regierung will es zum erstattungsfähigen Arzneimittel erklären. Warum dieser Schwenk und was ändert sich dadurch?

Es gibt keinen Schwenk. Cannabis ist als Fertigarznei bereits seit 2011 zugelassen. Unsere Pläne sehen vor, mehr Schwerkranken als bisher Cannabis als Medizin zur Verfügung zu stellen und eine Erstattung durch die Kassen zu ermöglichen. Aus der Apotheke wohlgemerkt, nicht unkontrolliert von irgendeinem Acker.

Wie krank muss man denn sein, um Cannabis künftig erstattet zu bekommen?

Die genaue Gesetzesformulierung wird im Detail noch diskutiert. Meine klare Haltung: Cannabis auf Rezept nur dann, wenn der Patient chronisch schwer krank ist und der Arzt es ausdrücklich verordnet. Natürlich gibt es immer wieder Patienten die sagen, dass ihnen nur Cannabis hilft. Fakt ist derzeit: Es gibt nur wenige Krankheiten, für die das auch wissenschaftlich nachgewiesen werden kann. Für mich ist es wichtig, hier auf der sicheren Seite zu bleiben.

Liegt das nicht daran, dass es bisher einfach zu wenige Studien gibt - weil sich der Handel wegen der restriktiven Bestimmungen für Arzneihersteller nicht gelohnt hat?

Ich glaube, dass wir schon sehr bald, also noch im ersten Halbjahr 2015, zu Ergebnissen kommen werden. Wichtig ist mir, dass wir die Patienten, die einen Antrag auf Cannabis-Medikamente gestellt haben, jetzt auch mit einer Studie begleiten, um zu sehen, ob ihnen diese Arznei wirklich hilft. Und dass keiner seine Arznei, egal ob Cannabis oder andere Mittel, selber anbaut. Für mich steht Therapiesicherheit und Qualität ganz oben. Deshalb wird es bei dem Thema auch keinen Schnellschuss geben.

Gibt es Schätzungen, wie viele Patienten von der neuen Regelung profitieren?

Manche sagen, es wären wenige hundert. Andere reden von vielen Tausenden. An solchen Spekulationen beteilige ich mich nicht. Ich warte auf fundierte Zahlen.

Die Opposition warnt vor Lieferengpässen, weil die Droge auch künftig nicht in Deutschland angebaut, sondern nur aus den Niederlanden bezogen werden soll.

Dass es in den Jahren 2011 und 2014 kurze Lieferengpässe gegeben hat, muss ich bestätigen. Das macht mir deshalb Sorgen, weil einige Patienten wirklich auf dieses Medikament angewiesen sind. Lieferengpässe können auftreten, wenn nicht genügend Medizinal-Cannabisblüten zur Verfügung stehen oder in der Lieferkette Probleme auftreten. Wir sind darauf bedacht, Lieferengpässe zukünftig zu vermeiden und die Beteiligten entsprechend zu sensibilisieren.

Warum versuchen Sie es nicht mit mehr Lieferanten und Cannabisprodukten auch aus anderen Ländern?

Das sind Überlegungen. Klar ist: Die Nachfrage wird mit dem neuen Gesetz zur Verkehrsfähigkeit und Kostenerstattung von Medizinalhanf steigen. Darauf müssen und werden wir vorbereitet sein.
Was spricht gegen die Forderung von Grünen und Linken, auch gesunden Erwachsenen maßvolles Kiffen zu erlauben?
Ich täte mich schwer mit einer Erklärung, warum ich die Droge für Erwachsene freigebe und den Schutz von Jugendlichen nicht ausreichend beachte. Nein, unser generalpräventiver Ansatz ist richtig. Kinder und Jugendliche müssen wissen: Es handelt sich um ein illegales Suchtmittel mit erheblichen Risiken. Und wenn wir schon bei Tabak und Alkohol so viele Probleme haben, warum sollen wir uns dann noch mehr mit Cannabis einhandeln?

Ich bin mir sicher, dass die Probleme durch eine Legalisierung größer würden. Sie dürfen nicht vergessen: Deutschland ist ein lukrativer, weil potentiell riesiger Markt. Und die unter 18-Jährigen sind eine interessante Zielgruppe, vor allem für den Schwarzmarkt. Daran würde eine Legalisierung für Erwachsene nichts ändern. Wo die Verfügbarkeit leichter wird, steigt auch die Nachfrage. Und gerade das treibt den Drogenhändlern bereits die Dollarzeichen in die Augen, denn sie wittern ein gewinnbringendes Geschäftsmodell.

Befürworter sagen, mit Kriminalisierung komme man nicht weiter, die restriktive Politik bei Cannabis sei weltweit gescheitert. Wie ist Ihre Bilanz?

Ich mag den Begriff Kriminalisierung nicht. Es gibt bei uns schließlich durchaus Spielräume. In zehn Bundesländern wird der Besitz von bis zu sechs Gramm bei Eigenbedarf nicht strafrechtlich verfolgt, in Berlin sogar bis zu 15 Gramm - was ich persönlich für zu hoch halte. Außerdem werden viele Verfahren bei Erstauffälligen eingestellt oder es werden Therapiemaßnahmen statt Strafen verordnet. Innerhalb Europas stehen wir mit unserem generalpräventiven ausgewogenen Ansatz gut da. Wir haben sehr gute Suchthilfeeinrichtungen und auch mit unserer aktiven Präventionsarbeit haben wir viel erreicht.

Anders als beim Tabak, der bei vielen Jugendlichen out ist, gehen die Zahlen beim Cannabiskonsum nicht runter.

Sie gehen aber auch nicht durch die Decke. Bei den unter 18-Jährigen haben wir leicht steigende Zahlen. Ich führe das auch auf die massiven Werbekampagnen der Opposition zurück, die dauernd verkündet, wie harmlos das alles sei.

Hat das Kiffen, weil es verboten ist, für Heranwachsende einen besonderen Reiz?

Nein, das glaube ich nicht.

Strafrechtsexperten argumentieren, Polizei und Gerichte würden durch eine Legalisierung erheblich entlastet.
Mir geht es um Gesundheitsschutz. Und nicht nur Polizisten, die in der Drogenbekämpfung arbeiten, warnen wie ich vor Legalisierung, sondern auch besorgte Eltern, Lehrer und Vertreter der Suchthilfe.
Warum?
Cannabis wird bereits in sehr jungen Jahren konsumiert. Oft ist es neben Alkohol und Tabak die erste Drogenerfahrung für Jugendliche. Das Einstiegsalter liegt im Schnitt bei 16 Jahren, und gerade im jugendlichen Alter sind die Risiken und gesundheitlichen Gefahren besonders groß. Und auch wenn der Konsum auf den ersten Blick bei den Todeszahlen direkt keine Rolle spielt: Cannabis ist fast immer dabei, wenn es um g efährlichen Mischkonsum geht. Darum bin ich streng und sage: Jede Aufweichung führt zu Verharmlosung. Verharmlosung führt zu mehr Konsum. Und mehr Konsum führt zu mehr drogenbedingten Gesundheitsschäden. Wir brauchen die generalpräventive Wirkung des Verbots. Ich erlebe hierfür große Zustimmung gerade bei den Eltern, Lehrern und Schulleitern. Sie sagen wie ich: Cannabis darf nicht verharmlost werden.

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