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Die Fußgängerzone in Pirmasens.
© dpa/Uwe Anspach

„Auf der Intensivstation ist nur ein Bett belegt“: Bürgermeister in Pirmasens widersetzt sich „Notbremse“ trotz 154er-Inzidenz

Deutschland bewegt sich auf die 100er-Inzidenz zu. Werden die Öffnungen dann zurückgenommen? Ein Bürgermeister zeigt, dass es auch anders geht. Ein Interview.

Markus Zwick ist Oberbürgermeister der Stadt Pirmasens in Rheinland-Pfalz. Obwohl die Sieben-Tage-Inzidenz dort seit mehr als drei Tagen über 100 liegt, bleiben Geschäfte weiter geöffnet. Auch auf eine nächtliche Ausgangssperre verzichtet die Stadt. Pirmasens weicht damit von der Corona-Strategie des Landes ab.

Herr Zwick, die rheinland-pfälzische Corona-Verordnung sieht bei einer Sieben-Tage-Inzidenz über 100 eine „Notbremse“ vor. Ihre Stadt hält sich nicht daran – ist das kein Rechtsbruch?
Nein, in der Verordnung steht, dass in diesem Fall zusätzliche Schutzmaßnahmen getroffen werden müssen. Das haben wir getan. Es gelten strengere Regeln wie eine Kontaktbeschränkung im öffentlichen Raum und beim Einkaufen, die Geschäfte bleiben aber weiter geöffnet. Ich habe der Landesregierung meine Gründe erläutert und bin auf Verständnis gestoßen.

Was hat Sie zu der Entscheidung gebracht, die Geschäfte offen zu lassen?
Die hohe Inzidenz in Pirmasens ist auf Ausbrüche in Kindergärten zurückzuführen, vor allem eine Einrichtung war betroffen. Dadurch ist die Zahl an Neuinfektionen am vergangenen Mittwoch sprunghaft angestiegen. Die Geschäfte waren da erst zwei Tage lang geöffnet, sie hatten keinen Einfluss auf die Infektionen. Deshalb macht es keinen Sinn, sie zu schließen. Uns hätten Klagen von Händlern erwartet.

Die Inzidenz allein ist als Richtwert nicht zielführend, wenn gute Gründe dagegen sprechen. Ich glaube nicht, dass die Leute das akzeptieren.

Ein weiteres Kriterium ist die Auslastung der Krankenhäuser. Wie stark sind die momentan belegt?
Von 16 Plätzen auf der Intensivstation in Pirmasens ist momentan nur ein Bett belegt. Vor Weihnachten war das anders. Da lag die Inzidenz bei 200 und die Klinken waren überlastet. Momentan ist die Situation eher unproblematisch. Es sind mehr junge Menschen mit milden Verläufen infiziert. Nach dem Ausbruch im Kindergarten konnte das Gesundheitsamt alle Kontaktpersonen ausfindig machen und isolieren. Die Lage kann sich aber ändern. Dann werden strengere Maßnahmen notwendig.

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Sind Sie in Kontakt mit anderen Bürgermeister:innen – wollen die Ihrem Beispiel folgen?
Landräte und Bürgermeister, mit denen ich gesprochen habe, sehen das ähnlich. Das Land sollte den Rahmen für Öffnungen vorgeben. Was im Einzelnen sinnvoll ist, muss vor Ort entschieden werden.

Peter Zschunke
Der Pirmasenser Oberbürgermeister Markus Zwick (CDU).
© dpa/Peter Zschunke

Führt das nicht zu einem Flickenteppich an Regeln, wenn jede Gemeinde macht, was sie will?
Ganz im Gegenteil. Die jetzige Regelung führt dazu. Hätten wir die Geschäfte geschlossen, fahren die Menschen 20 Kilometer weiter in eine Stadt mit Inzidenz 20. Dort sind die Geschäfte geöffnet. In anderen Orten im Landkreis mit Inzidenzen zwischen 50 und 100 ist wiederum Shoppen mit Terminvergabe möglich. Da ist es doch besser, wir stimmen uns ab.

Die Inzidenz in Pirmasens liegt bei 154,1 – das ist Höchstwert in Rheinland-Pfalz. Ab wann halten Sie es für notwendig, die Notbremse doch noch zu ziehen?
Ich bin nicht gegen strenge Maßnahmen. Sie sollen nur sinnvoll sein. Sollten sich wieder mehr Menschen bei privaten Partys anstecken, werden wir eine nächtliche Ausgangssperre in Erwägung ziehen. Aber nicht nach einem Ausbruch im Kindergarten.

Ich plädiere dafür, weitere Kriterien wie die Auslastung der Kliniken, die Art des Infektionsgeschehens und den Impffortschritt zu berücksichtigen. So können wir je nach Situation angemessen reagieren. Das können wir den Menschen auch besser erklären, als einen starren Automatismus nach Inzidenz.

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