Verteidigungsministerin zum Fall Franco A.: "Bundeswehr hat ein Haltungsproblem"
Der Fall des terrorverdächtigen Oberleutnants zeige strukturelle Probleme bei der Bundeswehr auf, sagt Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Er offenbare etwa "falsch verstandenen Korpsgeist".
Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat vor dem Hintergrund des Falls Franco A. und weiterer aktueller Skandale strukturelle Probleme bei der Bundeswehr eingeräumt. "Die Bundeswehr hat ein Haltungsproblem und sie hat offensichtlich eine Führungsschwäche auf verschiedenen Ebenen", sagte von der Leyen am Sonntag in einem Interview für die ZDF-Sendung "Berlin direkt". Sie kritisierte auch "falsch verstandenen Korpsgeist", durch den Informationen nicht weitergegeben wurden.
Anlass für die Äußerungen von der Leyens ist der Fall des am Mittwoch festgenommenen Oberleutnants Franco A., der sich offensichtlich monatelang als syrischer Flüchtling ausgegeben hatte. Am Wochenende war bekannt geworden, dass der Bundeswehr zudem bereits seit 2014 Hinweise auf eine rechtsextreme Gesinnung des Offiziers vorlagen, die aber nicht zu Konsequenzen führten.
Die in Frankreich geschriebene Masterarbeit von Franco A. enthielt "ganz klar völkisches dumpfes Gedankengut", sagte dazu von der Leyen. Dies sei auch damals aufgefallen, doch "dann hat man das Ganze schöngeredet" und nicht in die Personalakte aufgenommen und auch nicht dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) gemeldet. Dem Verteidigungsministerium sei diese Angelegenheit seit Freitag bekannt.
Von der Leyen kündigte mit Blick auf die bereits angekündigten Untersuchungen zu Hintergründen der aktuellen Skandale an, "dass wir sehr genau gucken, wer ist bei uns und wen wollen wir nicht bei uns haben".
"Wir müssen eine breitere, eine offene Debatte führen", forderte die Ministerin. "Vieles kann toleriert werden, aber nicht toleriert werden kann politischer Extremismus, Rechtsextremismus und religiös bedingter Extremismus."
Von der Leyen stellte einen Gesamtzusammenhang her zu den Vorfällen in Pfullendorf, wo es massive sexuelle Übergriffe im Rahmen der militärischen Ausbildung gegeben hatte, sowie in Sondershausen, wo es ebenfalls Verfehlungen durch Ausbilder gab. Auch dort hätten von den Missständen viele gewusst und "weggeschaut". "Wenn wir tiefer graben, sehen wir, dass wir an die Strukturen ranmüssen", hob die Ministerin hervor.
Von der Leyen bekannte sich zu einer "Gesamtverantwortung" für das Geschehene als Ministerin, doch zeigten die Vorfälle auch, dass sie in ihrer Amtszeit richtige Akzente gesetzt habe. So habe sie frühzeitig neben der Vereinbarkeit von Beruf und Familie auch "das Thema Respekt vor der Würde des anderen" in den Vordergrund gestellt. Gleichwohl gebe es offensichtlich "ein Dunkelfeld, das ausgeleuchtet werden muss". Vorhaltungen, die Probleme hingen auch mit der Umstellung von einer Wehrpflicht auf eine Freiwilligenarmee zusammen, wies von der Leyen zurück. (AFP, dpa)