BND-Abhörskandal: Bundestag setzt Task Force ein
Der Nachrichtendienst soll auch befreundete Staaten ausgespäht haben. Der Bundestag will nun eine Task Force einsetzen, SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann fordert gar eine BND-Reform.
Der Bundesnachrichtendienst gerät erneut in Bedrängnis. Wieder geht es um Selektoren, also Suchbegriffe zur gezielten Erfassung von Adressen und Gesprächsinhalten in Kommunikationskanälen, die angezapft werden. Der BND habe mit eigenen, nicht vom US-Geheimdienst NSA übernommenen Selektoren auch staatliche Stellen in Frankreich, den USA und womöglich weiteren befreundeten Ländern ausgespäht, heißt es in Medienberichten. Das führt zum Verdacht, der deutsche Auslandsnachrichtendienst habe sich ähnlich problematisch verhalten wie die NSA, die seit den Enthüllungen von Edward Snowden in der Kritik steht.
Die Grünen halten eine Ablösung des BND-Präsidenten für möglich
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann fordert angesichts der Berichte über Spitzeltätigkeiten des BND in befreundeten Ländern einen radikalen Umbau des Auslandsgeheimdienstes. „Der BND muss offensichtlich von Grund auf reformiert werden“, sagte er der „Stuttgarter Zeitung“. „Als wir von der massenhaften Ausspähung der NSA in Deutschland erfuhren, waren wir alle empört“, so der SPD-Politiker. „Jetzt kommt heraus, dass der BND, entgegen aller Beteuerungen, selbst Freunde ausgespäht haben soll. Es macht mich fassungslos, dass wir das erst jetzt erfahren.“. Die Grünen im Bundestag halten angesichts der neuen Enthüllungen über Spionageaktivitäten des Bundesnachrichtendienstes gegen befreundete Staaten eine Ablösung des BND-Präsident Gerhard Schindler für möglich. „Wenn das alles so stimmt, dann wird man im Bundeskanzleramt und im Bundesnachrichtendienst um Konsequenzen nicht herum kommen“, sagte der Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss, Konstantin von Notz, der „Mitteldeutschen Zeitung“. „Denn dann sind wir belogen worden. Natürlich steht dann auch der BND-Präsident zur Disposition.“
Der BND muss sich zudem schon länger Vorwürfen stellen, er habe die NSA bei der Ausspähung in Deutschland unterstützt. Das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages, zuständig für die Überwachung der Nachrichtendienste des Bundes, wird nun eine Task Force zur BND-Zentrale in Pullach (bei München) schicken. Die Abgeordneten wollen unter anderem klären, welche Selektoren genutzt wurden und welche Länder ins Visier gerieten. „Wir sehen Klärungsbedarf“, sagte der CDU-Abgeordnete Armin Schuster dem Tagesspiegel. Allerdings stelle nach bisherigen Erkenntnissen „der Aufklärungs- und Schutzauftrag des BND die Vorgehensweise mit den Selektoren erstmal nicht in Frage“.
Am Mittwoch hatten BND-Präsident Gerhard Schindler und Klaus-Dieter Fritsche, der für die Nachrichtendienste zuständige Staatssekretär im Kanzleramt, das Kontrollgremium über die Praxis informiert. Trotz geheimer Sitzung wurde bekannt, dass Schindler im Oktober 2013 das Kanzleramt über die Selektoren unterrichtet hatte und die Order bekam, diese Ausspähung zu beenden. Im selben Monat hatte Angela Merkel (CDU) gesagt, „Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht“. Die Kanzlerin reagierte auf Berichte, die NSA habe ihr Handy abgehört. Möglicherweise hielt das Kanzleramt dann auch die Selektorenpraxis des BND für heikel und stoppte sie. Die Anweisung sei jedoch nicht aus rechtlichen, sondern politischen Gründen erfolgt, heißt es in Sicherheitskreisen. Es wird betont, der BND habe sich „rechts- und auftragskonform“ verhalten.
Der Einsatz der Selektoren habe dem „Auftragsprofil der Bundesregierung“ entsprochen. Die Suchbegriffe seien unter anderem bei Themen wie Afghanistan, Proliferation (Verbreitung von Massenvernichtungswaffen oder Materialien dafür), illegale Migration, Entführung deutscher Staatsbürger im Ausland und Terrorismus verwandt worden. Das könne bedeuten, dass Anrufe verdächtiger Personen, die beispielsweise bei Behörden in Frankreich oder bei den Amerikanern in Afghanistan eingingen, mitgeschnitten wurden. Eine gezielte Ausspähung staatlicher Institutionen befreundeter Länder habe es nicht gegeben. Der BND habe die Selektoren jahrelang eingesetzt. Offen bleibt, wie viele Selektoren der Nachrichtendienst eingesetzt hat. Die Rede ist von einer vierstelligen Zahl.