Erinnerungsort „an prominenter Stelle in Berlin“: Bundestag fordert Gedenkort für polnische NS-Opfer
Nach schwierigen Diskussionen spricht sich das Parlament mit großer Mehrheit dafür aus, in Berlin an die polnischen Opfer von Krieg und Besatzung zu erinnern.
Der Bundestag hat sich mit großer Mehrheit für einen Gedenkort in Berlin zur Erinnerung an die polnischen Opfer des Zweiten Weltkrieges und der deutschen Besatzung ausgesprochen. CDU/CSU, SPD, FDP, Grüne und Linke stimmten am Freitag für einen entsprechenden Antrag.
Das Bewusstsein über den besonderen Charakter der deutsch-polnischen Beziehungen sowie über die Besatzung und die deutsche Kriegsführung in Polen seien bis heute in Deutschland nicht hinreichend ausgeprägt, heißt es in dem Beschluss. „Es ist die Aufgabe Deutschlands, dafür einen geeigneten, sichtbaren und zugänglichen Ort zu schaffen, der auch ein Ort der Begegnung zwischen Deutschen und Polen sein sollte, der zur Vertiefung unserer Beziehungen und Freundschaft beiträgt.“ Der Gedenkort soll „an prominenter Stelle in Berlin“ entstehen.
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Die Idee, polnischen NS-Opfern in Deutschland ein Denkmal zu errichten, geht auf den mittlerweile verstorbenen früheren polnischen Außenminister Wladyslaw Bartoszewski zurück. Vor drei Jahren veröffentlichte eine zivilgesellschaftliche Initiative einen Aufruf für ein Polen-Denkmal und regte an, als Standort den Askanischen Platz am Anhalter Bahnhof zu wählen. Im Bundestag gab es allerdings nicht nur Unterstützung für das Projekt. So gelang es im vergangenen Jahr nicht, rechtzeitig vor dem 80. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen einen Beschluss zu fassen.
Innerhalb der Koalition wurde über das Projekt gestritten
Dabei hatten sich im Sommer 2019 etwa 260 Abgeordnete aus Koalition und Opposition für einen Gedenkort ausgesprochen. Auch Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) sowie Außenminister Heiko Maas (SPD) unterstützten das Vorhaben.
Doch Kritiker des Projekts warnten vor einer Renationalisierung der Erinnerungskultur und regten an, sich grundsätzlich mit der deutschen Besatzungspolitik in Europa zu befassen. Die Konfliktlinie verlief in der Koalition zwischen den Außenpolitikern, die einen Gedenkort für polnische Opfer unterstützten, und den Kulturpolitikern, die sich für ein allgemeines Dokumentationszentrum aussprachen.
Der Versuch einer Einigung auf einen gemeinsamen Antrag scheiterte, von einem „unversöhnlichen Diskussionsprozess“ war hinter den Kulissen die Rede. Schließlich zeigte Schäuble den Weg zu einem Kompromiss auf. Beide Projekte sollen nun realisiert werden. Vor drei Wochen billigte der Bundestag Pläne für ein Dokumentationszentrum, das sich der NS-Besatzungsherrschaft widmen soll.
Der Begriff „Denkmal“ wird bewusst vermieden
In dem Bundestagsbeschluss für einen Gedenkort ist weder von einem Denkmal noch von einem Mahnmal die Rede. Gegen ein „Polen-Denkmal“ hatte es Widerstand gegeben, auch mit dem Hinweis, man müsse dann für die Opfer aus anderen Ländern ebenfalls Denkmäler bauen. Vor allem aber soll der geplante Gedenkort gleichzeitig „Raum für zivilgesellschaftliche Aktivitäten wie Jugendarbeit, politische Bildung, Begegnung“ bieten. Ein entsprechendes Konzept soll in Zusammenarbeit mit polnischen und deutschen Experten erarbeitet werden.
„Wir wollen diesen Ort schaffen, weil wir der jüngeren Generation etwas mitgeben wollen“, sagte der CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak im Bundestag. Maas betonte, der Gedenkort könne „dem Zusammenwachsen Europas eine neue Dimension“ geben, denn er werde „deutsch, polnisch und europäisch“ sein. Als einziger Redner in der Debatte sprach der Grünen-Abgeordnete Manuel Sarrazin von einem „Denkmal für die Opfer“ in Polen. „Zu einem selbstbewussten Deutschland gehört ein eigener Platz für Polen in unserem Gedenken.“
Dagegen sprach der AfD-Abgeordnete Marc Jongen von „Schuldrhetorik, die moralischen Druck auf sich selbst aufbaut“. Zugleich kritisierte er, dass die Forderung der AfD nach einer Gedenkstätte für deutsche Kriegsopfer abgelehnt worden sei.
„Wir brauchen einen Ort der Erinnerung und der Empathie“
Dieter Bingen, einer der Initiatoren der Denkmalsidee, begrüßte, dass Deutschland „nach drei Jahren der lebhaften Debatte, die Teil der Idee gewesen ist, endlich eine symbolische Geste gegenüber Polen auf den Weg bringt“. Das Mahnmal müsse, wenn es denn komme, ein „Stein des Anstoßes“ werden, ähnlich wie die vielen Stolpersteine, sagte der ehemalige Leiter des Deutschen Polen-Instituts.
„Wir brauchen einen Ort der Erinnerung und der Empathie.“ Mit offen gezeigter Empathie gegenüber den polnischen Opfern täten sich die Deutschen manchmal schwer. Umso wichtiger sei nun der Beschluss des Parlaments.