Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen: Abgeordnete fordern Gedenkort in Berlin für polnische NS-Opfer
Im Zentrum Berlins solle an die polnischen Opfer von Krieg und deutscher Besatzung erinnert werden. Das fordern 240 Bundestagsabgeordnete in einem Aufruf.
In den Morgenstunden des 1. September wird auch in Berlin an den deutschen Überfall auf Polen vor 80 Jahren erinnert werden. Wenn der polnische Botschafter in Deutschland am Sonntag zum Gedenken an den Beginn des Zweiten Weltkrieges einen Kranz niederlegt, wird er das auf dem Britischen Friedhof in Charlottenburg tun. Neben zahlreichen britischen Gefallenen sind dort auch fünf polnische Soldaten begraben, die im Zweiten Weltkrieg getötet wurden.
Einen Ort, an dem Deutsche und Polen gemeinsam der polnischen Opfer des nationalsozialistischen Vernichtungskrieges gedenken könnten, gibt es in Berlin bisher nicht. Das wollen mehr als 200 Bundestagsabgeordnete nun ändern: „An prominenter Stelle in Berlin soll ein geeigneter Ort gefunden werden, der den Opfern des Krieges und der Besatzung in Polen gewidmet ist“, heißt es in einem Aufruf der Abgeordneten, der dem Tagesspiegel vorliegt. „Wir stellen uns darunter auch einen Ort der Begegnung und Auseinandersetzung vor, der Deutsche und Polen zusammenbringt und damit zur Vertiefung unserer Beziehungen und Freundschaft beiträgt.“
Den Aufruf unterstützen Parlamentarier von Union, SPD, FDP und Linken, die Fraktion der Grünen stellte sich geschlossen hinter die Forderung nach einem Gedenkort. Zu den 240 Unterzeichnern gehören Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, die Vizepräsidenten Hans-Peter Friedrich (CSU) und Wolfgang Kubicki (FDP), die Linken-Vorsitzende Katja-Kipping, FDP-Chef Christian Lindner und die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Katarina Barley (SPD).
"Signal des politischen Willens an unsere Nachbarn und Freunde"
„Uns ist es wichtig, noch vor dem Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen ein Signal des politischen Willens an unsere Nachbarn und Freunde zu senden“, sagte der Grünen-Abgeordnete Manuel Sarrazin, Vorsitzender der deutsch-polnischen Parlamentariergruppe und einer der Initiatoren des Aufrufs, dem Tagesspiegel. Aus der Erklärung der Abgeordneten soll im Herbst ein gemeinsamer Antrag im Bundestag hervorgehen. In den kommenden Monaten wollen die Initiatoren eine Mehrheit im Parlament finden und „den Auftrag an die Bundesregierung formulieren, ein Konzept für den längst überfälligen Gedenkort im Zentrum Berlins zu erarbeiten“, sagte Sarrazin.
Außenminister Heiko Maas (SPD) hatte bei seinem Besuch in Warschau am 1. August bereits Unterstützung für das Projekt bekundet: „Eine solche Gedenkstätte wäre nicht nur eine Versöhnungsgeste an Polen. Sie wäre bedeutend für uns Deutsche selbst.“
Die Idee, polnischen NS-Opfern in Deutschland ein Denkmal zu errichten, geht auf den Auschwitz-Überlebenden und früheren polnischen Außenminister Wladyslaw Bartoszewski zurück. Im November 2017 veröffentlichte eine zivilgesellschaftliche Initiative einen entsprechenden Aufruf und schlug als Standort den Askanischen Platz am Anhalter Bahnhof vor.
„In Deutschland gibt es kaum eine Vorstellung von der Gesamtheit des Schreckens deutscher Terrorherrschaft im besetzten Polen“, betont der Direktor des Deutschen Polen-Instituts, Dieter Bingen, in einem Beitrag für Tagesspiegel Causa. Bingen gab gemeinsam mit den ehemaligen Bundestagspräsidenten Rita Süssmuth (CDU) und Wolfgang Thierse (SPD), dem Direktor der Stiftung Topographie des Terrors, Andreas Nachama, und dem ehemaligen Leiter des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung, Florian Mausbach, den Anstoß zu diesem Projekt.
Auch wenn es bis zu einem Polen-Denkmal in Berlin ein weiter Weg ist, soll es am 1. September bereits eine Gedenkveranstaltung auf dem Askanischen Platz geben. An der Ruine des Anhalter Bahnhofs werden Schäuble und seine neue polnische Amtskollegin Elzbieta Witek sprechen. Die Gäste sind aufgefordert, an dem noch leeren Ort rote und weiße Blumen niederzulegen.