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Die russische Flagge weht auf dem Gebäude der russischen Botschaft in Berlin. (Archivbild)
© Britta Pedersen/dpa

Nach dem Hackerangriff auf den Bundestag: Bundesregierung will Sanktionen gegen russische Verantwortliche

Fünf Jahre nach dem Hackerangriff auf den Bundestag konfrontiert die Bundesregierung Moskaus Botschafter mit den Vorwürfen - und kündigt Konsequenzen an.

Fünf Jahre nach dem Hackerangriff auf den Bundestag hat die Bundesregierung Moskaus Botschafter offiziell mit den Vorwürfen gegen Russland konfrontiert. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Miguel Berger, habe Botschafter Sergej Netschajew zu einem Gespräch geladen, teilte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes mit. „Im Namen der Bundesregierung verurteilte er den Hackerangriff auf den Deutschen Bundestag auf das Schärfste.“

Die Spur nach Russland, die es schon früh gab, hat sich mittlerweile verdichtet, deutsche Sicherheitsbehörden können die Tat nun mit einer bestimmten Person verbinden: Der Russe Dmitri Badin, ein Angehöriger des russischen Militärgeheimdienstes GRU, soll nach Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft an dem Angriff beteiligt gewesen sein. Die Bundesanwaltschaft erwirkte deshalb einen Haftbefehl für Badin, der sich mutmaßlich in Russland aufhält.

Auf EU-Ebene will die Bundesregierung nun für Sanktionen wegen des Hackerangriffs werben. Dem russischen Botschafter sei unter Verweis auf den Haftbefehl mitgeteilt worden, die Bundesregierung werde sich in Brüssel „für die Nutzung des EU-Cybersanktionsregimes gegen Verantwortliche für den Angriff auf den Deutschen Bundestag, darunter auch Herrn Badin, einsetzen“, sagte die Sprecherin des Auswärtigen Amtes. Die Bundesregierung bewerte den Hackerangriff aber auch „vor dem Hintergrund der laufenden Ermittlung im sogenannten Tiergarten-Mordfall und behält sich weitere Maßnahmen ausdrücklich vor.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte den russischen Hackerangriff auf den Bundestag zuvor „ungeheuerlich“ genannt. Moskau verfolge eine „Strategie der hybriden Kriegsführung“, sagte Merkel vor zwei Wochen im Parlament. Vertreter von FDP und Grünen hatten die Bundesregierung daraufhin aufgefordert, Konsequenzen zu ziehen.

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Der Name des Verdächtigen taucht auch in zwei Verfahren in den USA auf: US-Ermittler gehen davon aus, dass Badin sowohl am Hackerangriff auf die US-Demokraten 2016 als auch auf die weltweite Anti-Doping-Agentur (WADA) sowie weitere Sportverbände beteiligt war. In beiden Fällen wurde in den USA Anklage gegen Badin und weitere Russen erhoben.

Der Bundestag wurde im Jahr 2015 Ziel eines russischen Hackerangriffs.
Der Bundestag wurde im Jahr 2015 Ziel eines russischen Hackerangriffs.
© Tobias Kleinschmidt/dpa

Im Bundestag sollen die Hacker Daten mit einem Gesamtvolumen von mindestens 16 Gigabyte gestohlen haben. Auch Merkels Abgeordnetenbüro war betroffen. Der Angriff dauerte mehrere Wochen und war so tiefgreifend, dass das gesamte Netz des Parlaments abgeschaltet werden musste, um die Attacke zu stoppen.

Wadephul wirft Moskau „destruktive Politik“ vor

Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Johann Wadephul, warf Russland eine „destruktive Politik“ vor. Diese gehe weit über den Hackerangriff auf den Bundestag hinaus. „So nutzt Russland auch die Not der Corona-Krise aus, um Falschinformationen zu verbreiten und die EU spalten zu wollen“, sagte der CDU-Politiker dem Tagesspiegel. „Russland kann erst dann wieder ein vertrauenswürdiger Partner sein, wenn es seine wiederholten Souveränitätsverletzungen und seine ständigen Verstöße gegen internationales Recht unterlässt.“ Nur dann seien russische Äußerungen über die Bedeutung einer engen Zusammenarbeit mit Deutschland von Wert.

Auch der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Nils Schmid, begrüßte das Vorgehen der Bundesregierung. „Dieser schwerwiegende Angriff auf das Herz unserer parlamentarischen Demokratie kann nicht folgenlos bleiben.“

Die russische Botschaft in Berlin wies die Vorwürfe gegen Moskaus Geheimdienste zurück und sprach in einer bereits am Mittwoch veröffentlichten Erklärung von einer „abgedroschenen Geschichte“. Zugleich warf die Botschaft der Bundesregierung vor, das Thema auf diplomatischer Ebene zwar anzusprechen, dann aber nicht weiterzuverfolgen: „Als sich die russische Seite bereit erklärte, Fragen, die unsere deutschen Partner umtreiben, über die zuständigen Dienste zu erörtern und mögliche Hinweise zu prüfen, wurde das Thema für Berlin uninteressant.“ Außerdem boten Moskaus Diplomaten Deutschland einen „sachlichen Expertendialog“ über das Thema Cybersicherheit an.

Neue EU-Regeln erlauben Sanktionen nach Cyberangriffen

Im Dezember 2019 hatte die Bundesregierung zwei Mitarbeiter der russischen Botschaft zu unerwünschten Personen erklärt, weil Russland die Aufklärung des Mordes an einem Georgier im Kleinen Tiergarten in Berlin im August 2019 nicht unterstützt habe.

Außerdem hatte Deutschland nach dem Anschlag auf den britischen Ex-Spion Sergej Skripal und seine Tochter in Großbritannien 2018 vier Russen ausgewiesen, die als Diplomaten akkreditiert waren, aber nach Angaben aus dem Auswärtigen Amt einen „geheimdienstlichen Hintergrund“ hatten. Im Fall Skripal wurden Angehörige des Militärgeheimdienstes GRU für die Tat verantwortlich gemacht.

Die EU hatte sich im Mai 2019 auf eine Regelung verständigt, die erstmals gemeinsame Sanktionen gegen Personen oder Einrichtungen ermöglicht, die für Cyberangriffe verantwortlich sind oder solche Attacken finanziell beziehungsweise technisch unterstützt haben. Zu den vorgesehenen Strafmaßnahmen gehören Einreiseverbote und Kontensperrungen.

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