Kampagne in den Herkunftsländern: Bundesregierung will Asylsuchende aus dem Balkan mit Video abschrecken
Nach Deutschland kommen lohnt sich nicht - für Asylsuchende aus den Balkan-Ländern kann ein Antrag auf Asyl sogar sehr teuer werden, heißt es in einem neuen Video, das die Bundesregierung in den Herkunftsländern zeigen will. Sehen Sie hier das Video.
Mit einem Video will die Bundesregierung potenzielle Asylbewerber aus den Westbalkanländern abschrecken. Das Bundesinnenministerium veröffentlichte das sogenannte "Aufklärungsvideo" am Freitag. Laut dem BMI handelt es sich dabei um eine "weitere Maßnahme der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern". Der Zustrom von Asylsuchenden aus Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Montenegro und Serbien soll durch den "Kurzfilm" begrenzt werden und ist Teil eines aktuellen Maßnahmenpakets der Bundesregierung mit dem Ziel, "die im Regelfall aussichtlosen Asylanträge aus dem Westbalkan zu reduzieren." Der knapp vierminütige Film soll in den jeweiligen Herkunftsländern in der Landessprache unter anderem im Fernsehen gezeigt werden. Hierzulande sorgt der Clip für viel Aufsehen. Viele Medien beanstanden auch die Machart des Videos: Deutschland werde als grau und regnerisch dargestellt, die Asylsuchenden sollten auch dadurch von einem Aufbruch abgehalten werden.
Das sogenannte "Rückführungsvideo" zeigt abgelehnte Asylbewerber und viele deutsche Beamte, Polizeibusse bei Nieselregen und Restschnee, verpixelte Asylsuchende bei der Einreise, darunter auch viele Kinder - gezeigt wird, wie sie wieder zurückgeschickt werden. "Sehr viele Menschen haben in den letzten Monaten in ihrer Heimat alles zurückgelassen, um sich in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft auf den Weg nach Deutschland zu machen. Nicht wenige haben den falschen Versprechen von Betrügern geglaubt, dass es einfach wäre, in Deutschland als Asylbewerber zu bleiben und viel Geld zu verdienen." So beginnt das Video. "Die Wahrheit ist, dass die Suche nach Arbeit in Deutschland als Asylgrund nicht anerkannt wird. ... Zur Durchführung von Abschiebungen organisieren die deutschen Behörden regelmäßig Charterflüge, die unter polizeilicher Begleitung erfolgen, und die eng mit den Behörden des Heimatstaates abgestimmt werden. Die hohen Kosten der Abschiebung - von meist vielen tausend Euro - werden dann dem Abgeschobenen in Rechnung gestellt und können noch nach vielen Jahren eingefordert werden." So erzählt eine nüchterne Stimme, gezeigt werden Beamte, die Ausweise kontrollieren und Gepäck durchsuchen.
Man sieht ankommende Flüchtlinge, die nach einem kurzen Aufenthalt, bestehend aus Kontrollen, wieder zurück in ein Flugzeug gesetzt werden. "Bitte nehmen Sie diese Informationen sehr ernst." Eine Polizistin winkt einem Gepäckfahrzeug hinterher, ein Beamter wirft Rucksäcke und Taschen auf ein Fließband. "Schon zu viele Menschen haben einen beschwerlichen und teuren Weg auf sich genommen, der zur schnellen Rückkehr in ihre Heimat führte und der damit endete, dass sie weniger Besitz hatten, als zu Beginn ihrer Reise. ... Ruinieren Sie nicht ihre Familie finanziell ... bringen Sie Ihre Kenntnisse in Ihrem Heimatland ein." Dann wird ein abhebendes Flugzeug gezeigt, es bringt die Menschen zurück in ihre Heimat.
Es ist nicht die erste Abschreckungsmaßnahme der Bundesregierung vor Ort: Bereits im Juni wurden Anzeigen in albanischen Zeitungen geschaltet: In sechs Blättern, darunter die meistgelesenen Zeitungen "Shekulli" und "Shqip", warnte die deutsche Botschaft in Tirana die Albaner vor "skrupellosen Geschäftemachern", die "aus Profitgier Märchen über Asylgewährung, Arbeitsstellen und Wohnungen in Deutschland verbreiten". "Es ist das gemeinsame Interesse der deutschen und der albanischen Behörden zu verhindern, dass immer mehr Menschen ihrer Heimat den Rücken kehren. Albanien braucht gerade seine jungen Menschen, um das Land voranzubringen", sagte Hellmut Hoffmann, der deutsche Botschaften in Tirana, damals zu der Anzeigenkampagne.
Steigende Flüchtlingszahlen gemeldet
Ebenfalls am Freitag meldete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die passenden Zahlen, die deutlich machen sollen, wie zügig die Asylanträge bearbeitet werden und Flüchtlinge abgeschoben werden: Bereits im Frühjahr wurden demnach innerhalb von zwei Monaten 15.000 Anträge aus dem Kosovo bearbeitet, die Zahl der Asylsuchenden soll anschließend von 1500 auf knapp 50 gesunken sein. Anfang Juli wurde über 5000 Anträge aus Albanien entschieden. In keinem einzigen Fall wurde Asyl oder Flüchtlingsschutz gewährt. Die sogenannte "Schutzquote" liege bei 0,1 Prozent. Insgesamt wurden laut dem Europäischen Statistikamt in Deutschland seit Jahresbeginn 190.000 Asylanträge gestellt, was ein Anstieg von mehr als 130 Prozent im Vergleich zu 2014 bedeutet.
"Wenn von 180.000 Zugängen im ersten Halbjahr 2015 allein 82.000 aus dem Balkan kommen, mit einer absehbaren Schutzquote von 0,1 bis 0,2 Prozent, dann stimmt das Gefüge nicht mehr", sagt Dr. Manfred Schmidt, Präsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge.
Albanien, Montenegro und das Kosovo sollen "sichere Herkunftsländer" werden
Um die Asylanträge aus den Westbalkan-Staaten zu bremsen, wird in der Koalition darüber diskutiert, auch Albanien, Montenegro und das Kosovo zu sicheren Herkunftsländern zu erklären. Anträge von Asylbewerbern aus einem sicheren Herkunftsstaat werden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge regelmäßig als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt.
Die Statistik zeigt, dass sie sich davon nicht aufhalten lassen. Seitdem Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als sicher gelten, ist die Zahl der Asylsuchenden aus der Region nicht gesunken - eher im Gegenteil. Serbien ist unter den drei genannten das Land mit den meisten Einwohnern (2011: 7.186.862) und den höchsten Asylbewerberzahlen in Deutschland. Von Januar bis Juni 2014 - also unmittelbar vor Verabschiedung des Gesetzes zu den sicheren Herkunftsstaaten - wurden 9.361 Asylanträge von serbischen Bürgern gestellt. Im Vergleichszeitraum 2015 waren es laut den Zahlen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge insgesamt 15.822 Anträge. Auch bei den Asylanträgen mazedonischer Staatsangehöriger kann kein Rücklauf festgestellt werden. Im Berichtszeitraum Januar bis Juni 2014 waren es 3.736 Anträge, im Vergleichszeitraum mit 6.704 fast doppelt so viele. Von Asylsuchenden aus Bosnien-Herzegowina wurden der Statistik des Bundesinnenministeriums zufolge in der ersten Jahreshälfte 2015 insgesamt 4.061 Anträge gestellt. Das waren fast 800 mehr als im Vorjahr (3.285 Anträge).
Nach Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat auch die Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (beide SPD), Offenheit für weitere sichere Herkunftsstaaten signalisiert. Albanien, Montenegro und Kosovo seien „schon länger sicher“, sagte sie am Montag im ARD-Morgenmagazin. Diese drei Länder drängten in die Europäische Union (EU), es gebe kaum politische Verfolgung und entsprechend wenige bewilligte Asylanträge. "Viele Menschen aus dem Balkan wollen ja eigentlich eine Arbeit finden und haben gar keinen Asylgrund", so Özoguz. Unterdessen forderte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) von der Bundesregierung gezielte Entwicklungshilfe für die Balkanstaaten. Dies sollte wirtschaftliche Entwicklungsperspektiven, die Ausbildung junger Menschen und eine geregelte Arbeitsmigration umfassen, sagte er der "Welt". Die Balkan-Staaten bräuchten "eine europäische Perspektive". (mit AFP)