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Kindeswohl. Dürfen Eltern entscheiden, was gut für den Nachwuchs ist?
© dpa

Wer, wie, wann?: Bundesregierung soll Gesetz zu religiöser Beschneidung ausarbeiten

In der Bundesregierung geht es jetzt darum, die Ausnahmeregelung für religiös motivierte Beschneidung gesetzlich zu regeln. Es dürfte sie vor einige Herausforderungen stellen.

Im Gesundheitsministerium scheinen sie erleichtert, dass ihnen das heikle Thema erspart bleibt. „Beschneidung? Da sind wir raus“, sagt ein Sprecher. Denn egal, in welchem Gesetz die Sache am Ende geregelt werde: Die Fragestellung sei eine ethische und keine medizinische, es gelte „verschiedene Rechtsgüter gegeneinander abzuwägen“. Und was, wenn nicht das, ist Aufgabe und Job der Justizministerin?

Im Familienministerium klingen sie kämpferischer. „Wer innerhalb der Bundesregierung für eine mögliche gesetzliche Neuregelung federführend zuständig sein wird, ist noch nicht abschließend geklärt“, heißt es dort. Hausherrin Kristina Schröder (CDU) diktiert dem FDP-geführten Justizressort schon mal ihre Bedingungen. Verantwortungsvoll durchgeführte religiöse Beschneidungen müssten in Deutschland zwar weiter möglich sein, fordert sie. „Aber ich sage auch ganz deutlich: Die Rechte der Kinder stehen hier nicht hinten an.“ Die körperliche Unversehrtheit von Kindern sei „ein sehr hohes Gut und muss dies auch bleiben“.

Keine Frage: Die Legalisierung religiös motivierter Körperverletzung ist auch für erfahrene Gesetzesformulierer eine schwierige Operation. Vom Bundestag hat die Regierung den Auftrag erhalten, dies bis zum Herbst hinzubekommen – wie, das bleibt ihr überlassen. Denkbar seien Ergänzungen an drei Stellen, sagt eine Sprecherin des Justizministeriums: im Patientenrecht, im Familienrecht oder im Strafrecht. Für Ersteres spräche, dass sich der Bundestag im Herbst ohnehin mit dem neuen Patientenrechtegesetz befasst. Allerdings geht es bei der Beschneidung weniger um medizinische Aufklärung und das Arzt-Patienten-Verhältnis als um die Frage, was Erziehungsberechtigte veranlassen dürfen und was nicht. Im Strafrecht wiederum findet sich gewöhnlich nur das, was verboten ist. Bliebe das Bürgerliche Gesetzbuch, in dem sich klarstellen ließe, was elterliches Sorgerecht so alles umfasst. Beschneidung inklusive.

Denkbar sei aber auch ein eigenes Gesetz, heißt es im Justizressort – vergleichbar mit den Regelungen, die seit 2001 in Schweden gelten. Dort dürfen Beschneidungen nur von staatlich zugelassenen Personen und unter Betäubung vorgenommen werden. Neben den Kriterien für ein solches Gesetz müsse dann aber auch geklärt werden, ob Bund oder Länder zuständig seien, so die Sprecherin.

Es könnte ähnlich wie beim Schwangerschaftsabbruch zu einer paradoxen Situation kommen, warnen Juristen.

Bei einer Tagung von jüdischen und muslimischen Experten, Medizinern und Rechtswissenschaftlern am Montag in Heidelberg bezweifelte keiner der Teilnehmer, dass es zu einer gesetzlichen Regelung kommen wird – trotz mancher Kritik auch aus dem Bundestag. Der Münsteraner Jurist Bijan Fateh-Moghadam kritisierte das Kölner Urteil als Ergebnis „verfassungsblinder und schlechter Jurisprudenz“, hinter dem nur die Minderheitenmeinung einer Handvoll Strafrechtler stehe. Aus seiner Sicht bedarf es keiner Festschreibung eines Sonderrechts für Angehörige religiöser Minderheiten. Vielmehr sei die Entscheidung der Eltern über eine Beschneidung schon jetzt eindeutig durch das Sorgerecht gedeckt. Ähnlich argumentiert der Freiburger Strafrechtler Edward Schramm. Beide Juristen warnten vor einer Situation wie beim Schwangerschaftsabbruch, der in bestimmten Fällen zwar als straffrei, aber grundsätzlich als nicht rechtsmäßig gilt.

Der Erlanger Politologe und UN-Sonderberichterstatter über Religions- und Weltanschauungsfreiheit, Heiner Bielefeldt, sprach von einer „teils antisemitisch geprägten Ausgrenzungsdebatte im Namen liberaler Werte“ und warnte davor, die grundgesetzlich verankerte Religionsfreiheit zurückzustutzen. Jüdische Vertreter versicherten, dass auch noch so großer öffentlicher Druck in den Gemeinden nicht dazu führen werde, den Beschneidungsritus infrage zu stellen. Vielmehr seien Orthodoxe und Liberale durch die Debatte „enger zusammengerückt“, so die Berliner Rabbinerin Gesa Ederberg. (mit KNA)

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