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Außenansicht der deutschen Botschaft in Kiew
© dpa/EPA/Tass/Anna Marchenko
Update

Wachsende Spannungen mit Russland: Bundesregierung ruft Deutsche zum Verlassen der Ukraine auf

Westliche Staaten setzen weiter auf Diplomatie im Streit mit Russland. Doch nach den USA und anderen warnt jetzt auch die deutsche Regierung ihre Bürger.

Nach Warnungen der US-Regierung vor einem möglicherweise bevorstehenden russischen Angriff hat nun auch die Bundesregierung ihre Staatsbürger aufgefordert, die Ukraine zu verlassen. „Wenn Sie sich derzeit in der Ukraine aufhalten, prüfen Sie ob Ihre Anwesenheit zwingend erforderlich ist. Falls nicht, reisen Sie kurzfristig aus“, hieß es in einer Mitteilung des Auswärtigen Amtes vom Samstag.

Zuvor hatten bereits unter anderem die USA, Großbritannien, Dänemark, Australien, Lettland und Estland ihre Staatsbürger zur Ausreise aufgefordert. Italien, Spanien und Litauen ziehen nun nach. Die US-Regierung zieht zudem den Großteil ihres Botschaftspersonals aus Kiew ab.

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Das Auswärtige Amt warnte: „Die Spannungen zwischen Russland und der Ukraine haben angesichts massiver Präsenz und Bewegungen russischer Militärverbände nahe der ukrainischen Grenzen in den letzten Tagen weiter zugenommen. Eine militärische Auseinandersetzung ist nicht auszuschließen.“

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Deutschland will aber seine Botschaft in der Ukraine vorerst nicht schließen, allerdings soll ein Teil der Mitarbeiter ausreisen. „Wir werden unsere Botschaft in Kiew offen halten“, sagte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Samstag bei einem Besuch in Ägypten. Das Personal werde aber reduziert. Dies betreffe auch deutsche Institutionen wie die KfW, die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und deutsche Lehrer. Die Familienangehörigen des Botschaftspersonals sollen ihren Worten zufolge ebenfalls das Land verlassen.

Das deutsche Generalkonsulat in Dnipro soll nach Lwiw (Lemberg) verlegt werden. Damit sollen die Mitarbeiter künftig weiter entfernt von der sogenannten Kontaktlinie zwischen den ukrainischen Regierungstruppen und den von Russland unterstützten Separatisten in der Ostukraine arbeiten.

Für Montag ist ein Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in der Ukraine geplant. Am Dienstag will Scholz erstmals als Kanzler in Moskau mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zusammentreffen.

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Bislang galt für die Ukraine eine Reisewarnung aufgrund der Corona-Pandemie sowie eine Teilreisewarnung für die von den Separatisten kontrollierten Verwaltungsbezirke Donezk und Luhansk und die Gebiete entlang der Kontaktlinie.

US-Regierung zieht Großteil von Botschaftspersonal aus Kiew ab

Angesichts der zugespitzten Lage zieht die US-Regierung den Großteil ihres Botschaftspersonals aus der ukrainischen Hauptstadt Kiew ab. Das teilte das US-Außenministerium am Samstag in Washington mit. Das Personal werde „auf ein absolutes Minimum“ reduziert, sagte ein hochrangiger Mitarbeiter des Ministeriums. Ab diesem Sonntag würden reguläre konsularische Dienste an der Botschaft eingestellt.

Der Regierungsmitarbeiter rief US-Bürger einmal mehr dringend auf, die Ukraine zu verlassen. Es sei „überfällig“ für sie, aus dem Land auszureisen. Die Sicherheit amerikanischer Bürger habe höchste Priorität, doch es gebe Grenzen für das, was die US-Regierung „in einem Kriegsgebiet“ tun könne. Man tue alles Erdenkliche, um zu verhindern, dass die Ukraine zu einem Kriegsgebiet werde. Doch es erscheine zunehmend wahrscheinlich, dass sich die Lage dort zu einem aktiven Konflikt entwickele.

Weitere Länder fordert Landsleute zum Verlassen der Ukraine auf

Das italienische und das spanische Außenministerium forderten am Samstag ihrer Staatsbürger in der Ukraine auf, das Land vorübergehend zu verlassen. In Italien entschied das Ministerium am Samstag nach einer kurzfristig einberufenen Sitzung. Die Betroffenen sollten dafür die zur Verfügung stehenden kommerziellen Verkehrsmittel nutzen. Die italienische Botschaft in Kiew arbeite weiter, nicht-essenzielles Personal solle aber zurück nach Italien geholt werden, hieß es in einer Mitteilung.

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Das Mittelmeerland folgt damit Ländern wie Deutschland, den Niederlanden und Großbritannien, die zuvor einen ähnlichen Appell an ihre Landsleute in dem osteuropäischen Land richteten. Italien fordert in den andauernden Spannungen, die Prinzipien der territorialen Integrität der Ukraine zu wahren, den Dialog mit Moskau aber nicht abreißen zu lassen.

Auch die Spanier riefen ihre Landsleute zurück. „Es wird allen Spaniern geraten, das Land vorübergehend unter Nutzung der bestehenden Reisemöglichkeiten zu verlassen“, schrieb das Ministerium auf Twitter. Es gehe um mindestens 500 Spanier, die sich vor allem in der Hauptstadt Kiew aufhielten, berichtete die Zeitung „El País“.

Zugleich bekräftigte das Ministerium seine bereits im Januar ausgesprochene Warnung, wegen der „instabilen Lage“ nicht in die Ukraine zu reisen. Zuvor hatten bereits zahlreiche andere Länder ihre Bürger zum Verlassen der Ukraine aufgerufen, darunter auch Deutschland.

Litauen spricht Reisewarnung aus

Auch Litauen hat angesichts wachsender Spannungen im Ukraine-Konflikt eine Reisewarnung für das Land ausgesprochen. Das Außenministerium in Vilnius empfahl in einer Mitteilung am Samstag, nicht notwendige Reisen in die Ukraine zu vermeiden. Litauische Staatsbürger, die sich im Land aufhalten, wurden gebeten, die Notwendigkeit eines weiteren Aufenthalts in der Ukraine zu prüfen. Zugleich wurden sie dazu aufgerufen, sich für eine Notfallliste registrieren zu lassen.

Vor Litauen hatten am Freitagabend auch die beiden anderen baltischen EU- und Nato-Staaten Lettland und Estland ihre Staatsbürger in der Ukraine zur Ausreise aufgerufen.

Das polnische Außenministerium bat seine Bürger ebenfalls, sich in der Botschaft zu registrieren und alles für eine mögliche Ausreise bereitzuhalten. Nicht dringend notwendige Reisen in das Nachbarland sollen unterlassen werden. Dazu riet auch die Slowakei. Tschechien warnte vor reisen in die Ukraine sowie nach Belarus. Bürger Tschechiens sollten beide Länder verlassen.

Die US-Regierung hatte vor einer möglichen Invasion noch vor Ende nächster Woche gewarnt und rund 3000 weitere Soldaten in den Nato-Partnerstaat Polen verlegt. US-Präsident Joe Biden und Russlands Staatschef Wladimir Putin wollten noch am Samstag telefonieren. Auch der französische Präsident Emmanuel Macron wollte mit dem Kremlchef sprechen.

Nach der militärischen Evakuierung aus Afghanistan war in Berlin darüber diskutiert worden, ob das Auswärtige Amt die Botschaft in Kabul zum richtigen Zeitpunkt geräumt hatte. Wie damals in Afghanistan so geht es der Bundesregierung auch in der Ukraine darum, die Sicherheit der deutschen Staatsangehörigen zu gewährleisten ohne durch voreilige Maßnahmen zu einer Destabilisierung der Lage in der Ukraine beizutragen. (dpa)

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