Vor Armenien-Völkermord-Resolution: Bundesregierung rechnet mit harschen Protesten der Türkei
Auf das deutsch-türkische Verhältnis warten schwierige Monate. Regierungskreise gehen davon aus, dass die bevorstehende Armenien-Völkermord-Resolution die Beziehungen sehr schwer belasten wird.
Die Bundesregierung rechnet wegen der bevorstehenden Armenien-Völkermord-Resolution des Bundestags mit harschen offiziellen Protesten der Türkei. Angesichts des ohnehin angespannten Verhältnisses zu Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan gehen Regierungskreise davon aus, dass dessen Unwillen sehr deutlich werden wird. Die erneute Einbestellung des deutschen Botschafters in Ankara, Martin Erdmann, ist demnach absehbar.
Experten für das deutsch-türkische Verhältnis erwarten weitere schwierige Monate. Der Türkei explizit einen Genozid an den Armeniern vorzuwerfen, werde die Beziehungen aufs Neue sehr schwer belasten. Hier gehe es über die persönliche Ehre hinaus um die staatliche Ehre, und Ankara werde diese wohl verunglimpft sehen. Hinzu kommt, dass Erdogan und seine Regierung sich ohnehin dieser Tage von Deutschland im Stich gelassen fühlen.
Den informierten Kreise zufolge ist aus Sicht der Türkei von Berlin zu wenig gewürdigt worden, dass sich das Land im akademischen Bereich der Debatte über die eigene Vergangenheit auch geöffnet habe. Mit einem demonstrativen moralischen Fingerzeig werde der nationale Hygieneprozess, wie es heißt, aber möglicherweise nachhaltig behindert. Ankara spricht im Zusammenhang mit Armenien bisher stets von tragischen Zwischenfällen. Neben der Anerkennung eigenen Fehlverhaltens erwartet die türkische Regierung auch einen Hinweis darauf, was Armenier Türken angetan hätten. Dieser Aspekt findet sich in den türkischen Schulbüchern bereits für die Kleinsten.
Höchste Eskalation hieße, Botschafter Erdmann zur unerwünschten Person zu erklären
Was die türkische Reaktion auf eine deutsche Resolution angeht, so gibt es diplomatische Präzedenzfälle. Auf eine ähnliche Entschließung der russischen Duma vor wenigen Jahren reagierte Ankara noch gemessen, auf die des österreichischen Parlaments schärfer: Der türkische Botschafter wurde für einen Zeitraum von fünf Monaten zurückbeordert, offiziell zur Berichterstattung. Das ist die vorletzte Stufe der diplomatischen Eskalationsleiter. Die letzte Stufe wäre, den Botschafter des Landes, in diesem Falle wäre es Erdmann, zur persona non grata zu erklären und zur Ausreise aufzufordern.
Damit allerdings wird in Berlin nicht gerechnet. Deutschland und die Türkei seien, im Gegensatz zu Russland und Österreich, Bündnispartner unter anderem in der Nato, und das sei viel zu bedeutsam für eine anhaltende Entfremdung. Unter Bündnispartnern wird deshalb ein anderer Umgang für angezeigt gehalten. Botschafter Erdmann könnte außerdem bei einer vermutlichen Einbestellung in diesem Fall deutlich machen, dass die Bundesregierung keinerlei Einfluss auf den Bundestag habe, der als frei gewähltes Parlament entscheiden könne, wie er es für richtig erachte.