Syrien und Irak: Bundesregierung geht von 10.000 IS-Kämpfern im Kerngebiet aus
Im Nahen Osten tauchen IS-Kämpfer zunehmend in den Untergrund ab. Die Bundesregierung hält im Irak Kontakt zu inhaftierten Islamisten aus Deutschland.
Trotz massiver Gebietsverluste ist der „Islamische Staat“ (IS) der Bundesregierung zufolge noch immer eine „Gefahr für den Weltfrieden“ – die Terroristen kämpften im Nahen Osten nun oft aus dem Untergrund heraus. Im Auswärtigen Amt (AA) schätzt man, dass die Islamisten in ihrem syrisch-irakischen Kerngebiet über maximal 10.000 Kämpfer verfügen. Dies geht aus einer Antwort von AA-Staatssekretär Andreas Michaelis auf Anfrage der Linken im Bundestag hervor, die dem Tagesspiegel vorliegt. Hiesige Sicherheitsbehörden gehen von knapp 1000 Islamisten aus Deutschland aus, die seit Beginn des arabischen Frühlings nach Syrien und in den Irak gereist sind. Ein Drittel dieser IS-Kämpfer sei inzwischen in die Bundesrepublik zurückgekehrt, weitere 150 der Dschihadisten gelten als tot. Andere wurden vor Ort gefangengenommen.
100 deutsche IS-Anhänger und deren Kinder in Syrien und Irak in Haft
Wie viele das in den zerrissenen Staaten Syrien und Irak sind, ist nicht bekannt. Behördenintern wird davon ausgegangen, dass mindestens 100 deutsche IS-Anhänger und deren Kinder in Syrien und Irak inhaftiert sind. Während in Nordsyrien die säkulare Kurdenmiliz YPG viele Islamisten verhaftete, nahmen im Irak sowohl die Peschmerga-Verbände der kurdischen Autonomieregion als auch Soldaten der irakischen Zentralregierung zahlreiche IS-Kämpfer fest. Mit den syrischen Kurden gibt es keine (offiziellen) diplomatischen Beziehungen – anders mit der Regierung in Bagdad und den Kurden in Nordirak. Die Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden der kurdischen Regionalregierung könne, schreibt Staatssekretär Michaelis, „im Zusammenhang mit der begleiteten Rückführung von deutschen Staatsangehörigen als konstruktiv bezeichnet werden“. Bislang wurden hauptsächlich Frauen und Kinder nach Deutschland zurückgebracht. In dem Schreiben des AA heißt es, dass die Bundesregierung in Irak derzeit zwei deutsche Staatsangehörige konsularisch betreut, die für den IS gekämpft haben. Außerdem betreue man drei Familienangehörige deutscher IS-Kämpfer.
Linke: Kurden nicht mit deutschen Dschihadisten allein lassen
„Die Bundesregierung täte gut daran, die Zusammenarbeit mit den Kurden zu intensivieren, nicht nur mit Blick auf Sicherheitsaspekte, sondern vor allem in der Entwicklungspolitik“, sagte Evrim Sommer von der Linksfraktion. „Die strafrechtliche Verfolgung deutscher Dschihadisten ist aber Aufgabe deutscher Stellen, die Bundesregierung darf die Kurden damit nicht allein lassen.“ Dass die Kooperation mit der kurdischen Regionalregierung funktioniert, wird parteiübergreifend begrüßt. Die Bundesregierung hatte deren Peschmerga-Einheiten trainiert und ausgerüstet, weil sie im Anti-IS-Kampf gebraucht wurden. Nachdem die Kurden sich im Herbst 2017 zu einem unabhängigen Staat erklären wollten, griff die irakische Zentralregierung kurdische Orte an. Die Bundesregierung unterstützt im innerirakischen Konflikt nun beide Seiten – auch, aber nicht nur, im Anti-IS-Kampf.
In einem UN-Bericht hieß es jüngst, dass der IS sogar noch über 30.000 Kämpfer verfüge. Viele von ihnen seien jedoch untergetaucht, hielten sich also in Kleingruppen getarnt in syrischen und irakischen Städten auf. In dem Bericht war von einem „verkleinerten geheimen Kern“ die Rede, der in bestimmten Orten auf die Hilfe von Sympathisanten setzen könne.
Vor einigen Wochen hatten YPG-Einheiten in Syrien den IS-Kommandeur Abu Kerem festgenommen. Dem kurdischen Nachrichtenportal ANF zufolge soll der Islamist zugegeben haben, dass der türkische Geheimdienst MIT dem „Islamischen Staat“ beim Schleusen von Kämpfern nach Syrien geholfen hat. Auch heute halte die Unterstützung der Türkei für den IS an, so dürften Dschihadisten etwa die Grenze zwischen der Türkei und Syrien passieren. Bekannt ist, dass sich am Einmarsch im nordsyrischen Afrin im Januar 2018 viele Dschihadisten beteiligten. Die türkische Regierung beansprucht die einstige Kurdenhochburg Afrin als Pufferzone.