Gericht lehnt Transparenz ab: Bundesregierung darf geheim halten, was sie ihren Anwälten bezahlt
Ministerien und Kanzleramt beauftragen oft teure Rechtsberater, wenn Bürger klagen. Doch was es genau kostet, bleibt deren Geschäftsgeheimnis.
Die Bundesregierung kann Anwaltsbüros zur Wahrung ihrer Interessen beauftragen, ohne Transparenz über die Kosten herstellen zu müssen. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg am Donnerstag nach einer Klage gegen das Bundesinnenministerium entschieden (Az.: 12 B 15.18). Zur Begründung verwies das OVG auf die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht sowie den Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse einer Kanzlei. Es änderte damit ein Urteil des Verwaltungsgerichts ab, das zuvor eine Klage nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) stattgegeben hatte. Das Gesetz gibt jedermann einen Anspruch darauf, amtliche Dokumente zu erhalten, sofern keine Ausschlussgründe entgegenstehen. Eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht wurde nicht zugelassen.
Geklagt hatte die Umweltschutzaktivistin Cécile Lecomte, die bei Protesten gegen Castortransporte zum Zwischenlager Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern in den Jahren 2010 und 2011 kurzzeitig von der Bundespolizei in Gewahrsam genommen wurde. Mit einer selbst geschriebenen Verfassungsbeschwerde wehrte sie sich erfolgreich gegen Urteile des Landgerichts Stralsund. In dem Karlsruher Verfahren hatte die Bundesregierung eine 55-seitige Stellungnahme der Kanzlei Redeker Sellner Dahs eingereicht. Über das Internet-Portal „Frag den Staat“, das IFG-Anträge unterstützt, verlangte Lecomte 2016 beim zuständigen Bundesinnenministerium Kopien der Anwaltsrechnungen, auch die Linksfraktion im Bundestag stellte eine entsprechende Anfrage. Antworten wurden jedoch mit dem Argument der Geschäftsgeheimnisse verweigert.
Im weiteren Verfahren beschränkte sich Lecomte darauf, allein die Endsumme zu erfahren. Das Verwaltungsgericht gab ihr im Januar 2018 mit einem bemerkenswerten Urteil Recht (Az: 2 K 50.17). Die Behörden könnten sich hier gar nicht auf das anwaltliche Berufsgeheimnis berufen, wenn sie als Auftraggeber „allein Herrin des Geheimnisses“ seien, hieß es. Mit anderen Worten: Wenn der Staat für seine eigenen Belange Rechtsanwälte mandatiert, muss er darüber entsprechend dem IFG Informationen erteilen, wenn danach gefragt wird. Auch die beauftragten Juristen hätten insoweit keinen Anspruch auf Schutz – sie müssten ja auch damit leben, wenn ein Mandant von sich aus preisgibt oder preisgeben muss, was er ihnen gezahlt hat.
Das Urteil hat nicht die Verwaltung, sondern auch die Anwaltschaft erheblich irritiert. Gerade Kanzleien wie Redeker sind mit Bundesbehörden gut im Geschäft. Zwar werden die Mandate nicht so gut vergütet wie die von privaten Unternehmen. Aber die Honorare liegen immer noch weit über den gesetzlichen Anwaltstarifen. Stundensätze zwischen 200 und 300 Euro oder auch mehr sind durchaus zu erzielen. Aktuell betreut Redeker unter anderem das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) im Streit mit der AfD, ob die Einstufung der Partei als „Prüffall“ veröffentlicht werden durfte. Zudem wird Redeker häufig mandatiert, wenn es darum geht, Transparenz- und Informationsansprüche abzuwehren, auch bei Informationsklagen des Tagesspiegels. Bekannt ist die Kanzlei auch dafür, dass ihre Juristen im Auftrag des früheren BfV-Chefs Hans-Georg Maaßen häufiger Briefe an Medien schrieben, um nach Ansicht Maaßens falsche Darstellungen korrigieren zu lassen.
Nach dem abweisenden Urteil des OVG dürfte nun auch bei Behörden Erleichterung einkehren. In der mündlichen Verhandlung erklärte der Vertreter des Innenministeriums, bei einem Erfolg der Klage sei es für die Regierung praktisch ausgeschlossen, weiter Anwälte zu beauftragen. Er holte dabei zu einem Rundumschlag gegen amtliche Transparenz aus: Durch Portale wie „Frag den Staat“ gelangten „immer mehr Dinge an die Öffentlichkeit“. Mit dem IFG sei eine Entwicklung eigetreten, die der Gesetzgeber nicht beabsichtigt habe. Es sei wie mit dem Faden am Pullover, an dem man ziehe, und dann löse sich der ganze Pullover auf. „Das ist eine Entwicklung, die für die Verwaltung nicht wünschenswert ist.“
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