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Könnte sich verbessern: Die Personalnot in den Kliniken.
© Gentsch/dpa

Nach Vorbild der Charité: Bundesrat will mehr Personal in Krankenhäusern

In Krankenhäusern könnte es bald Personaluntergrenzen geben. Der Vorschlag kam von der Berlinerin Dilek Kolat (SPD), die den Bundesrat am Freitag überzeugte, die Regierung dazu aufzufordern.

In der Gesundheitspolitik stehen Änderungen bevor, die von Ärzten, Pflegekräften und Klinikmanagern gleichermaßen begrüßt werden. Demnach dürfte es mittelfristig klarere Regeln gegen Personalnot in Kliniken geben. Auslöser dafür sind Initiativen aus Berlin – der einst durch Streik erkämpfte Tarifvertrag für mehr Personal an der Charité, ein Vorstoß von Gesundheitssenatorin Dilek Kolat (SPD) und neue Positionen aus Krankenhausvorständen. Der Bundesrat hat am Freitag auf Druck Kolats beschlossen, die Regierung aufzufordern, verbindliche Mindestpersonalzahlen in allen Krankenstationen einführen zu lassen.

Gesundheitssenatorin Dilek Kolat: Mehr Pflegekräfte auf allen Stationen

Hintergrund ist die für 2019 geplante Personaluntergrenze für „pflegesensitive Bereiche“ – die gesetzlichen Kassen und die Krankenhäuser hätten sich dazu auf eine Formel für verbindliche Mindestzahlen an OP-und-Intensivkräften einigen müssen. Senatorin Kolat befand, das Kassen und Arbeitgeber beim Bestimmen dieser „pflegesensitiven Bereiche“ zu viel Spielraum hätten, um Überstunden, Personalnot und Pflegemängeln vorzubeugen, weshalb sie Mindestbesetzungen in allen Stationen für angebracht hält. Kolat sagte, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) müsse sich „mit Hochdruck um die Pflege kümmern“. In den vergangenen 15 Jahren sank die Anzahl der Pflegekräfte in deutschen Krankenhäusern um 30 Prozent. Gesundheitsminister Spahn sprach am Freitag im Bundestag davon, 8000 neue Stellen in der Pflege zu schaffen, die ein „erster Schritt“ seien. Er wolle auch schnellere Terminvergabe für gesetzlich versicherte Praxispatienten. Zudem leitete Spahn die Vereinheitlichung von Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die bisher getrennten Wege zur Kranken- und Altenpflege ein.

Gesundheitssenatorin Dilek Kolat (SPD) hat auf Druck aus den Berliner Kliniken eine Bundesratsinitiative gestartet.
Gesundheitssenatorin Dilek Kolat (SPD) hat auf Druck aus den Berliner Kliniken eine Bundesratsinitiative gestartet.
© Kai-Uwe Heinrich

Ein Vorbild für eine Bundesregelung für mehr Personal ist der Tarifvertrag der Charité. An der Berliner Universitätsklinik gilt auf Normalstationen eine verbindliche, aber je nach Lage flexible Regelung, die in der Praxis darauf hinausläuft, dass eine Pflegekraft im Schnitt für sieben bis acht, statt wie sonst üblich für zwölf oder mehr Patienten zuständig ist. Charité-Chef Karl Max Einhäupl empfahl den hauseigenen Tarifvertrag mit der Gewerkschaft Verdi zur „bundesweiten Nachahmung“. Dies sagte Einhäupl im Beisein von Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach (SPD) am Freitag, als sie das Ergebnis der Klinik für 2017 vorstellten: Zum siebenten Mal in Folge konnte die Universitätsklinik mit den von Krankenkassen, Land und Drittmittelgebern gezahlten Geldern so haushalten, dass Behandlungen und Forschung letztlich nicht mehr kosteten als eingenommen wurde.

Charité macht Plus von 1,8 Millionen Euro

Die vom Senat gewollte und von der Klinik unter hohem Druck erwirtschaftete schwarze Null beläuft sich auf 1,8 Millionen Euro – im Vergleich zu profitorientierten Kliniken privater Konzerne ist das gering, berücksichtigt man den Charité-Jahresumsatz von 1,4 Milliarden Euro. Erneut gestiegen sind die Patientenzahlen, wobei die Schwere der Fälle zunahm: Stationär versorgten Ärzte und Pfleger im Vorjahr 148.300 Kranke. Deutlich mehr – 702.000 Patienten – wurden ambulant behandelt, was finanziell gesehen schwierig ist, weil die Krankenversicherungen dafür kaum auskömmliche Honorare zahlen. Mehr Geld erhielt die Charité 2017 durch Drittmittel: Mit 162 Millionen Euro wurde eine Rekordsumme eingeworben.

Geht es nach dem Berliner Senat sollen sich Kliniken und Krankenkassen nicht nur auf mehr OP-Pflegekräfte einigen - sondern auf mehr Personal für alle Stationen.
Geht es nach dem Berliner Senat sollen sich Kliniken und Krankenkassen nicht nur auf mehr OP-Pflegekräfte einigen - sondern auf mehr Personal für alle Stationen.
© Kitty Kleist-Heinrich

War der Umsatz der Charité 2017 erneut gestiegen (schon wegen mehr Patienten), waren es die Ausgaben auch. Das hat mit dem oben erwähnten, bundesweit einmaligen Tarifvertrag zu tun. Nach Streiks hatte sich die Klinikleitung 2016 verpflichtet, Personalnot und Dauerstress auf den Stationen durch mehr Fachkräfte lindern zu wollen. Im Jahr 2017 sind deshalb 100 neue Schwestern und Pfleger angestellt worden. Weil in der Pflege ausgebildeter Nachwuchs bundesweit fehlt, wurden Interessierte auch in Albanien und Mexiko angeworben. Derzeit arbeiten mehr als 3730 Pflegekräfte an der Universitätsklinik, zusammen mit Medizinern, Technikern und Verwaltern gibt es 17.500 Beschäftigte

Interessenverband Kommunaler Krankenhäuser: Volles Verständnis für Volksbegehren

Die Debatte um mehr Personal wurde zuletzt durch die Initiatoren eines Volksbegehrens intensiviert: Sie sammeln Unterschriften für ein Gesetz, das das Land Berlin verpflichten soll, mehr in die Häuser zu investieren und feste Personalschlüssel einzuführen. Dem möchte Senatorin Kolat zuvorkommen, indem sie die Personalfrage im Bund regeln will. Laut Interessenverband Kommunaler Krankenhäuser (IVKK) dürfte ein Großteil der Belegschaften solche Initiativen unterstützen. IVKK-Chef Bernhard Ziegler sagte dem Tagesspiegel: „Ich habe volles Verständnis für die Empörung der Initiatoren des Volksbegehrens und ihr Verlangen nach Verbindlichkeit.“ Allerdings müssten die zuständigen Kassen verpflichtet werden, neues Pflegepersonal voll zu bezahlen.

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