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Attentäter mit rassistischem Hass. Die Bundesanwaltschaft fordert für den Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke lebenslange Haft.
© Boris Rössler/AFP

Neonazi Stephan Ernst soll lebenslang in Haft: Bundesanwaltschaft sieht bei Mord an Walter Lübcke „historische Dimension“

Der rechtsextreme Mörder von Walter Lübcke soll die Höchststrafe bekommen. Die Bundesanwaltschaft wirft dem Täter auch einen weiteren Anschlag vor.

Der Mord erschütterte die Bundesrepublik, einen tödlichen rechtsextremen Anschlag auf einen Politiker hatte es nach dem Krieg nicht gegeben. Das Attentat auf den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) habe eine „historische Dimension“, sagte Oberstaatsanwalt Dieter Killmer am Dienstag im Plädoyer vor dem 5. Strafsenat des Frankfurter Oberlandesgerichts.

Killmer machte deutlich, dass die Bundesanwaltschaft den angeklagten Neonazi Stephan Ernst (47) für schuldig hält, Lübcke am späten Abend des 1. Juni 2019 erschossen zu haben. Ernst habe aus einer flüchtlingsfeindlichen Motivation gehandelt. Killmer forderte für Ernst lebenslange Haft. Das Urteil wird für den Januar erwartet.

Der Neonazi hasste Lübcke, nachdem der Politiker im Oktober 2015 öffentlich die Unterbringung von Asylbewerbern gerechtfertigt und Flüchtlingsfeinden gesagt hatte, sie könnten Deutschland verlassen, sollten sie dessen Werte nicht vertreten.

Ernst hatte zum Ablauf des Attentats widersprüchliche Angaben gemacht, im August 2020 gestand er im Prozess den Mord. Lübcke starb auf der Terrasse seines Hauses im nordhessischen Wolfhagen-Istha durch einen Schuss in den Kopf.

Aus Sicht der Bundesanwaltschaft ist die Höchststrafe unumgänglich. Der Strafsenat sollte aus Sicht des Anklägers auch die besondere Schuld des Rechtsextremisten feststellen.

Bundesanwaltschaft hält Sicherungsverwahrung für notwendig

Ernst könnte dann nicht nach 15 Jahren Haft auf Bewährung entlassen werden und müsste vermutlich 20 Jahre oder noch länger die Strafe absitzen. Aus Sicht der Bundesanwaltschaft sind zudem die Voraussetzungen für eine anschließende Sicherungsverwahrung erfüllt. Der Neonazi, der schon vor dem Mord an Lübcke schwere Gewalttaten verübt hatte, käme dann auch nach Verbüßung der Strafe nicht frei.

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Die Bundesanwaltschaft fordert zudem, Stephan Ernst wegen versuchten Mordes an dem irakischen Asylbewerber Ahmad E. zu verurteilen. Ernst soll am 6. Januar 2016 im Kasseler Vorort Lohfelden mit einem Messer dem Flüchtling in den Rücken gestochen zu haben. Auch sollte Ernst nach Ansicht der Bundesanwaltschaft mit lebenslanger Haft bestraft werden.

Der mitangeklagte Markus H. soll den Mörder bestärkt haben

Den Mitangeklagten im Fall Lübcke, Markus H. (44), hält die Bundesanwaltschaft für schuldig, Stephan Ernst in der Absicht bestärkt zu haben, Lübcke zu ermorden. Markus H. soll Ernst auch im Umgang mit Schusswaffen trainiert haben. Für die Bundesanwaltschaft ist jedoch nicht erwiesen, dass H. beim Mord an Lübcke dabei war. Das hatte Ernst im August behauptet. Die Bundesanwaltschaft fordert für Markus H. neun Jahre und acht Monate Haft wegen Beihilfe zum Mord und für einen Verstoß gegen das Waffengesetz.

Richter geben Akten frei für Untersuchungsausschuss

Am Dienstag entschied der 5. Strafsenat, dem Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags Einsicht in die Akten des Strafverfahrens gegen Ernst und H. zu gewähren. Die Richter hatten die Anfrage zuerst abgelehnt – wegen des Risikos, noch zu vernehmende Zeugen im Prozess könnten im Aussageverhalten beeinflusst werden, sollten sie über Medienberichte zum Untersuchungsausschuss Kenntnis vom Inhalt der Verfahrensakten erhalten. Die Gefahr sieht der Strafsenat nicht mehr, nachdem er im Prozess am 17. Dezember das Ende der Beweisaufnahme verkündet hatte. Der Untersuchungsausschuss will klären, ob es bei Behörden Versäumnisse in der Beobachtung von Ernst, H. und dem rechtsextremen Umfeld gab.

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