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Streit um den Soli.
© dpa

Nach Veto der Union beim Solidaritätszuschlag: Bund und Länder steuern auf neue Lösung beim Finanzausgleich zu

Die Union will den Soli weiterführen. Das belastet die Bund-Länder-Finanzverhandlungen. Die SPD sieht CDU und CSU am Zug. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble will nun einen neuen Weg aufzeigen.

Donnerstagabend, die übliche SPD-Spitzenrunde vor der Bundesratssitzung. Olaf Scholz brauchte nur fünf Minuten für sein Referat zur neuen Gefechtslage beim Thema Solidaritätszuschlag und Finanzausgleich. Denn nach der Fallbeil-Entscheidung in der Union, auf die Integration des Soli in die Einkommensteuer ab 2020 zu verzichten (den Schritt hat der Großteil der SPD-Länder favorisiert) und den Steuerzuschlag separat weiterzuführen, um ihn dann aber bis 2030 abzuschmelzen und auslaufen zu lassen, wartet man bei den Sozialdemokraten, halb amüsiert, halb not amused, einfach mal ab. Er habe weiterhin verfassungsrechtliche Zweifel an der Soli-Fortführung, bekundet der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil. Aber nun sei die Union in der Pflicht, als Ersatz für den bisherigen Plan etwas Belastbares auf den Tisch zu legen.

Schäuble ist gefordert

Das kleine Häuflein der Unions-Ministerpräsidenten besprach derweil mit Finanzminister Wolfgang Schäuble, wie dieser Ersatz aussehen könnte. Die schwarzen Länderchefs hatten dessen Integrationslösung, die er zusammen mit Scholz ausgeheckt hatte, nie wirklich goutiert. Schäuble und Scholz wollten damit die Bund-Länder-Gespräche zum Finanzausgleich in Bewegung bringen; ihr Plan hätte bedeutet, dass die Länder mehr Geld bekommen, denn während der Soli allein in den Bundesetat fließt, bekommen sie von der Einkommensteuer 42 Prozent der Einnahmen. Das Problem war freilich, dass weder die Ost-Ministerpräsidenten noch Bayerns Regierungschef Horst Seehofer sich damit locken ließen. „Der Verzicht auf die Eingliederung des Solidaritätszuschlags in die Einkommensteuer ist richtig“, sagte der Magdeburger Ministerpräsident Reiner Haseloff dem Tagesspiegel. „Sie hätte dazu geführt, dass der Abstand zwischen den finanzstarken und den ärmeren Ländern noch gewachsen wäre.“ Sachsen-Anhalt wäre nach Haseloffs Rechnung bei der Steuerkraft von bisher rund 54Prozent des Durchschnitts nochdeutlich weiter zurückgefallen. „Das wollten wir nicht.“ Und Seehofer wollte nicht noch stärker dastehen und damit auch mehr in den Finanzausgleich einzahlen. Er und sein Finanzminister Markus Söder waren schließlich angetreten, in den Bund-Länder-Gesprächen die Abflüsse aus Bayern mindestens zu deckeln, wenn nicht gar zu senken.

Ein Solidarpakt light

Das Abschmelzungsmodell unterstützt Haseloff. Kein Wunder, bedeutetes doch, dass ab 2020 praktisch ein neuer Solidarpakt kommt. Denn die Weiterführung des Soli dürfte nicht zuletzt mit weiteren Ausgaben für den Osten begründet werden, um nicht vor dem Verfassungsgericht in Karlsruhe angefochten zu werden. Mit der Fortführung des Solidaritätszuschlags „können die noch bestehenden, einigungsbedingten Belastungen in Ost wie West finanziert werden, womit auch eine gute Begründung vorliegt, ihn 2019noch nicht zu beenden“, sagte Haseloff.

Die relative Gelassenheit der SPD-Spitzen in Bund und Ländern hängt freilich auch damit zusammen, dass der von Kanzlerin Angela Merkel und Unions-Fraktionschef Volker Kauder verlangte Verzicht auf die Integrationslösung so überraschend nicht kam. Schon im Dezember hatte es eindeutige Signale gegeben, dass Kanzleramt und Fraktion den Schäuble-Scholz-Plan ablehnen, weil sie darin eine Steuererhöhung sehen. Man fürchtete den Wähler-Unmut, hatten CDU und CSU doch versprochen, eben keine Steuern zu erhöhen. Schäuble hatte zwar noch versucht, mit verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen anzuargumentieren, doch Merkel und Kauder blieben hart. Auch gegenüber den Koalitionspartner. SPD-Chef Sigmar Gabriel hat es zur Bedingung der stillschweigenden Zustimmung zum Abschied von der Integrationslösung gemacht, dass drei Punkt erfüllt werden: keine neuen Schulden im Bundeshaushalt, eine Fortsetzung des Aufbaus Ost und eine solidarische Ausgestaltung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Das seien „Elemente, die man in den Gesprächen berücksichtigen kann“, sagte nun Schäubles Sprecher Martin Jäger dazu. Dass Schäuble nun ein Paket vorgelegt hat, das großzügige Investitionshilfen des Bundes vor allem für finanzschwache Kommunen vorsieht, dürfte auch geholfen haben. Denn der Zuschnitt des Programms sieht als ein Kriterium die Höhe der Kassenkredite vor, und damit hilft das Paket nicht zuletzt Kommunen in SPD-geführten Ländern wie Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein, wo es häufiger hohe Schuldenstände als etwa in Bayern oder Sachsen.

Konturen einer Lösung

Zudem zeichnen sich weitere Konturen der von der SPD verlangten Ersatzlösung ab. Das finanzielle Volumen zu Gunsten der Länder soll nach Informationen des Tagesspiegels bei sieben bis acht Milliarden Euro liegen. In den Ländern herrscht die Erwartung vor, dass der Bund nun bei der Umsatzsteuer Anteile an die Länder abtritt – statt der Mehreinnahmen bei der Einkommensteuer, mit denen lange Zeit gerechnet worden war. Als sicher gilt, dass es bei der Zinshilfe für das Saarland und Bremen im Umfang von 500 Millionen Euro bleibt. Der „Solidarpakt light“ könnte nach 2019, wenn die derzeit geltende Regelung ausläuft,  ein Volumen von etwa zwei Milliarden Euro haben. Im Gespräch ist, die Finanzkraft der Kommunen im Finanzausgleich künftig voll einzubeziehen, statt wie bisher mit zwei Dritteln. Das dürfte jedoch von den Ländern mit starken Kommunen kaum ohne Gegenleistung akzeptiert werden. Zudem könnte es zu der von Nordrhein-Westfalen verlangten Änderung bei der ersten Stufe des Finanzausgleichs kommen. In dieser wird die Umsatzsteuer unter den Ländern verteilt, wobei hier NRW Zahler ist (wie auch Berlin), nach den weiteren Stufen aber Nehmerland. Diskutiert wird nun eine komplette Abschaffung diese ersten Stufe, was das System auch vereinfachen könnte, oder Anpassungen, die zu geringeren Finanzströmen führen. Aus der Vielzahl von Varianten hat sich aber noch keine konkrete Lösung herausgeschält. „Es wird jetzt auf allen Ebenen vor allem gerechnet, was für jeden dabei herauskommen würde“, sagt ein Beteiligter. Doch herrscht Optimismus, nun wirklich bis Juni zu einem Ergebnis zu kommen. „Wenn wir es 2015 nicht schaffen, dann wird alles viel, viel schwerer“, sagt Weil.

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