zum Hauptinhalt
In Tröglitz, wo unlängst eine Asylunterkunft brannte, wurden jetzt doch Flüchtlinge begrüßt.
© dpa

Flüchtlingsgipfel mit Angela Merkel: Bund lässt Unterstützung für Länder und Kommunen offen

Der Bund beteiligt sich dieses Jahr mit mehr Geld an den Flüchtlingskosten - aber wie viel es dauerhaft sein wird, bleibt unklar. Die Hoffnungen der Länder und Kommunen haben sich hier nicht erfüllt.

Der Bund wird sich vorerst nicht mit mehr Geld an der Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge beteiligen, hat aber zugesagt, sich jedoch ab 2016 dauerhaft an den Kosten beteiligen, die bisher weitgehend von Ländern und Kommunen getragen werden. Das ist das vorläufige Ergebnis des großen Flüchtlingsgipfels am Donnerstagabend im Bundesinnenministerium. In dem Gespräch, an dem auch die Kanzlerin teilnahm, sagte der Bund zu, seine bereits versprochene Pauschalhilfe für dieses Jahr im Umfang von 500 Millionen Euro zu verdoppeln. Das geschieht, indem er die für 2016 zugesagte Hilfe – ebenfalls in Höhe von 500 Millionen Euro – vorzieht. Diese muss allerdings, wie schon vereinbart, von den Ländern langfristig zurückgezahlt werden. Wie stark er sich dann ab 2016 engagiert, und in welcher Form, soll erst im Herbst entschieden werden.

Damit will der Bund offenbar Druck auf die Länder machen, damit diese ihre Sammelstellen erweitern, nicht anerkannte Asylbewerber schneller abschieben und Gerichtsverfahren beschleunigen. Konkret wurde in der Runde am Donnerstag vereinbart, „dass durch gemeinsame Anstrengungen klarer unterschieden werden muss zwischen denen, die Schutz brauchen, und denen, die keine Bleibeperspektive haben“. Das bedeutet im Klartext, dass vor allem die Verfahren bei Flüchtlingen vom Balkan, die zum Beispiel im Mai 40 Prozent der knapp 24000 Antragssteller ausmachten, aber in aller Regel keinen Asyl- oder Flüchtlingsstatus zugesprochen bekommen, zügiger abgeschlossen werden – einschließlich Abschiebung.

Trennung in Schutzbedürftige und Aussichtslose

Angestrebt wird, dass diese bis zum Ende ihrer Verfahren in den Sammelstellen der Länder verbleiben und nicht an Kommunen weiterverwiesen werden. Andererseits sollen Flüchtlinge aus Ländern und Regionen mit hoher Anerkennungsquote – derzeit sind das vor allem Syrer und Iraker, in geringerem Umfang auch Eritreer und Iraner – künftig schneller integriert werden und auch bessere Perspektiven für den Arbeitsmarkt bekommen. Das gilt nicht zuletzt für jüngere Flüchtlinge, insbesondere für Minderjährige, die ohne Familie in Deutschland ankommen. "Die Länder müssen all jene Menschen, die aller Wahrscheinlichkeit nach keine Chance auf Anerkennung als politisch Verfolgte haben, in den staatlichen Erstaufnahmeeinrichtungen betreuen, die Asylverfahren müssen dort durch die geplante Personalaufstockung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zügig abgeschlossen werden und die Länder müssen dann abgelehnte Asylbewerber aus den Einrichtungen heraus auch in ihre Heimatländer zurückführen", forderte die neue Städtetagspräsidentin Eva Lohse. Damit könne die Unterbringung in den Kommunen erleichtert werden. "Denn dann können wir uns mit ganzer Kraft auf die Integration der Menschen konzentrieren, die lange bleiben werden, weil sie als Flüchtlinge oder Asylbewerber anerkannt sind oder ein Bleiberecht haben."

Höhere Bundesbeteiligung ab 2016

Vor allem für diese Gruppe will auch der Bund ab 2016 einen höheren Anteil der Kosten übernehmen – etwa bei Sprachkursen, der Gesundheitsversorgung, der Unterbringung oder der Berufsausbildung. Mit der Einschränkung der Bundeshilfe auf „schutzbedürftige Asylbewerber und Flüchtlinge“ dürfte sich die Hoffnung der Länder und Kommunalverbände erledigt haben, dass der Bund die gesamten Flüchtlingskosten übernimmt. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte zu der künftigen Bundeshilfe lediglich, es müsse noch entschieden werden, wie die zusätzliche finanzielle Beteiligung des Bundes im einzelnen aussehen werde, ob es Beträge „pro Kopf“ seien oder eine neue Aufgabenteilung. Die Kosten dürften sich in diesem Jahr (aufgrund der Prognose von 450000 Flüchtlingen) auf mehr als fünf Milliarden Euro summieren. Davon tragen die Länder im Schnitt 77 Prozent, die Kommunen 18 Prozent, der Bund fünf Prozent. Nur drei Länder ersetzen ihren Kommunen die Flüchtlingskosten komplett; Bayern, Mecklenburg-Vorpommern und das Saarland.

Die Grünen-Politikerin Luise Amtsberg kritisierte das Ergebnis des Flüchtlingsgipfels. "Während die Kommunen jeden Cent mittlerweile dreimal umdrehen, mauert die Kanzlerin weiter." Merkel habe die Chance verpasst, auf die vielen konstruktiven Vorschläge der Länder einzugehen. "Stattdessen gründet sie neue Arbeitsgruppen und feilscht weiter." Der Flüchtlingsgipfel beschloss, zwei Bund-Länder-Arbeitsgruppen einzusetzen: Eine mit Blick auf das Treffen der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten der Länder am kommenden Donnerstag, auf dem offenbar bereits etwas konkretere Vereinbarungen getroffen werden sollen; die andere soll bis zum Herbst klären, in welcher Form und in welchem finanziellen Umfang der Bund ab 2016 sein Engagement erhöht.

Klarer Durchbruch?

Die Aussicht, dass es mehr Geld vom Bund geben wird, wurde von einigen Ministerpräsidenten am Freitag zum Anlass für positive Einschätzungen genommen. Der Brandenburger Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sprach von einem "klaren Durchbruch". Er sei froh, „dass die Bundesregierung das Wort von der Verantwortungsgemeinschaft mit Leben erfüllt“, sagte der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz. Der hessische Regierungschef Volker Bouffier (CDU) wertete es als „Erfolg“, dass der Bund die von Hessen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg gestartete Initiative für jugendliche Flüchtlinge aufgreifen wolle. Danach sollen Asylsuchende während ihrer Wartezeit eine Ausbildung beginnen können und während dieser Zeit nicht abgeschoben werden.

Zurückhaltender äußerte sich die Mainzer Regierungschefin Malu Dreyer (SPD). Sie hofft, dass die Hilfe für 2015 am Ende doch höher ausfällt. Der Bund könnte schon jetzt die Kosten für Minderjährige übernehmen, die ohne Begleitung nach Deutschland kämen, schlug sie vor. Die liegen laut Dreyer bei etwa 240 Millionen Euro. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sagte: “Ganz klar reichen die Finanzmittel, die jetzt als Sofortmaßnahme angekündigt sind, überhaupt noch nicht aus.“

Albert Funk

Zur Startseite