Nachfolger von Gerhard Schindler: Bruno Kahl als neuer BND-Chef vorgestellt
BND-Präsident Schindler wird im Juli vorzeitig von dem Schäuble-Vertrauten Kahl abgelöst. Offenbar spielte eine taktische Erwägung der Kanzlerin eine Rolle.
Der Bundesnachrichtendienst bekommt einen neuen Chef. Bruno Kahl, ein langjähriger Vertrauter von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), löst zum 1. Juli den jetzigen BND-Präsident Gerhard Schindler ab. Das teilte Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) am Mittwoch auch offiziell mit, nachdem am Dienstag zuerst schon "Süddeutsche Zeitung", NDR und WDR die Personalie gemeldet hatten. Nach Tagesspiegel-Informationen soll Schindler sich zunächst geweigert haben, das Kanzleramt bestand aber auf seiner Ablösung.
Altmaier dankte Schindler in einer Mitteilung für seine „langjährige, verdienstvolle Arbeit“ seit 2012. In die Zukunft gerichtet erklärte Altmaier: „Der Bundesnachrichtendienst steht in den kommenden Jahren vor großen Herausforderungen, die alle Bereiche seiner Arbeit betreffen.“
Hierzu gehörten die „Weiterentwicklung des Aufgabenprofils im Hinblick auf veränderte sicherheitspolitische Herausforderungen, die weitere Ertüchtigung des Dienstes in technischer und personeller Hinsicht, notwendige organisatorische und rechtliche Konsequenzen aus den Arbeiten des NSA-Untersuchungsausschusses sowie der Umzug großer Teile des BND von Pullach nach Berlin.“
Schindler lehnte Rücktritt ab
Wie der Tagesspiegel erfuhr, soll Schindler gedrängt worden sein, selbst zurückzutreten. Das habe er aber abgelehnt. Sicherheitsexperten wurden von der Personalie überrascht, denn in der Sache gebe es kein Zerwürfnis zwischen ihm und dem Kanzleramt. Vordergründig sei Schindler sein gesundheitlicher Zustand als Grund für die Demission genannt worden. Der 63-Jährige hatte einen Hörsturz erlitten, sich aber wieder davon erholt.
Offenbar wurde Schindler wegen seines Alters nicht mehr zugetraut, den BND umzukrempeln. Allerdings verweisen Sicherheitsexperten darauf, dass die BND-Reform längst im Gange ist. Auch eine Öffnung des Dienstes hat Schindler in die Wege geleitet. Der BND-Neubau in der Berliner Chausseestraße soll etwa ein Besucherzentrum erhalten, das frei zugänglich sein wird - ein Novum in der deutschen Geheimdienstgeschichte.
Äußerungen zu Saudi-Arabien waren nicht ausschlaggebend
Ausdrücklich keine Rolle haben den Sicherheitsexperten zufolge die öffentlichen Äußerungen des BND zur Lage in Saudi-Arabien gespielt. Schindler hatte zu Beginn eines Hintergrundgesprächs mit Journalisten am 1. Dezember ein Statement verteilen lassen, in dem ungewohnt deutlich Kritik an der aggressiven Außenpolitik des neuen Königs und seines Kronprinzen geäußert wurde - vor allem auch mit Blick auf den Konflikt des Königreichs mit dem Iran. Seinerzeit gab es einen Rüffel aus dem Auswärtigen Amt: "Der BND spricht nicht für die deutsche Außenpolitik."
In Sicherheitskreisen hieß es hingegen, dass die Bundeskanzlerin nun selbst Einfluss auf die Personalie genommen habe, aber nicht öffentlich in Erscheinung treten wollte. Demnach wird nicht ausgeschlossen, dass Angela Merkel an einer schnellen Entscheidung eineinhalb Jahre vor der Bundestagswahl gelegen war, um das Thema BND aus dem Wahlkampf herauszuhalten.
Kahl mit Nachrichtenwesen vertraut
Der 53-jährige Bruno Kahl ist derzeit im Finanzministerium als Ministerialdirektor unter anderem für die Bundesvermögen zuständig. Mit Schäuble hatte er bereits in dessen Zeiten als Bundesinnenminister zusammengearbeitet und war dort mit der inneren Sicherheit befasst.
Kahl ist zudem seit 35 Jahren als Reserveoffizier mit dem militärischen Nachrichtenwesen vertraut, zuletzt bei Reserveübungen im Einsatzführungskommando für die G-2-Lage zuständig, also für Beurteilung der Feindlage, Nachrichtengewinnung und Aufklärung, Targeting, militärische Sicherheit und Geo-Information.
Die SPD hat keine Probleme damit, dass Kahl neuer BND-Chef werden soll. Ob er der CDU angehöre oder „ein Kumpel oder Gegner von Herrn Schäuble“ sei, sei kein Kriterium, sagte der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel. Wichtig sei, dass er „von denen, die ihn kennen, als qualifiziert beurteilt wird“. Aus SPD-Sicht gebe es daran keine Zweifel.
Vizekanzler Gabriel wurde nach eigener Schilderung vor etwa drei Wochen von Altmaier auf dem Flug nach Metz zu den deutsch-französischen Regierungskonsultationen über die geplante Rochade an der BND-Spitze informiert. Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), der fachlich ein erhebliches Interesse an der Funktionsfähigkeit des BND und der Zusammenarbeit des Dienstes mit dem Auswärtigem Amt habe, sei intensiv eingebunden gewesen.
Schindler schon länger in der Kritik
Schindler war auch wegen der NSA-Affäre in die Kritik geraten. Wegen Alleingängen von Abteilungen, mangelhafter interner Kontrolle und schwammiger Rechtsgrundlagen soll der Dienst nach dem Willen von Kanzleramt und Parlament nun an die kurze Leine gelegt werden.
Der Vorsitzende des NSA-Untersuchungsausschusses des Bundestages, Patrick Sensburg (CDU), begrüßte Schindlers Ablösung. "Wir brauchen beim BND einen Neuanfang", sagte Sensburg der "Mitteldeutschen Zeitung". Es müsse "in der Struktur deutliche Veränderungen" geben. Dabei gehe es auch um eine neue Kultur in der Behörde. Die Ausschuss-Arbeit habe gezeigt, dass bestimmte Missstände von der Arbeitsebene weder der Behördenspitze noch dem Kanzleramt gemeldet worden seien, sagte Sensburg.
Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz reagierte eher zurückhaltend auf die Personalie. Die Ablösung sei angesichts der Vorfälle der Vergangenheit "konsequent", schrieb er bei Twitter. Allerdings verlangte er die Erklärungen zu den "vollständigen Hintergründen der Ablösung", schrieb er weiter. "Viele Fragen offen." Der "Passauer Neuen Presse" sagte von Notz: "Er darf aber nicht das Bauernopfer sein." Der Untersuchungsausschuss wolle deshalb "die Frage der Gesamtverantwortlichkeit" klären.
Ströbele: "Hardliner haben sich durchgesetzt"
Der Grünen-Geheimdienstexperte Hans-Christian Ströbele warnte davor, dass sich mit dem Wechsel an der BND-Spitze die Gegner einer Geheimdienstreform durchsetzen könnten. Der dpa sagte er, dass die Nachfolge Schindlers ein Vertrauter Schäubles übernehmen solle, "deutet darauf hin, dass sich die Hardliner durchgesetzt haben".
"Die Ablösung des BND-Präsidenten ist keine Überraschung, sie war überfällig", sagte der Linke-Abgeordnete André Hahn, Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium. "Die Reihe von Pannen und Skandalen beim Bundesnachrichtendienst ist in den letzten Monaten und Jahren immer länger geworden. Nicht mal die Eigensicherung hat funktioniert, wenn ich an den CIA-Spion im BND denke, der über Jahre hochbrisante Dokumente entwendete und an die Amerikaner weiterleitete." Eklatant versagt hätten aber auch die Dienst- und Fachaufsicht im Bundeskanzleramt. "Auch dort sind personelle Konsequenzen unvermeidlich und zwingend geboten", sagte Hahn.
Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Burkhard Lischka, äußerte sein Bedauern über die Abberufung. Schindler habe "verstanden, dass der BND sich zumindest ein bisschen öffnen muss", sagte Lischka dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Zudem habe er die BND-Reform verteidigt. (mit AFP, dpa)