Kreml mischte sich wohl in Referenden ein: Britische Regierung hat Suche nach Einfluss Russlands wohl „aktiv vermieden“
Ein Untersuchungsbericht legt nahe, dass Russland sich in das schottische Unabhängigkeitsreferendum eingemischt habe – und es auch beim Brexit versuchte.
Russland hat sich einem Untersuchungsbericht des britischen Parlaments zufolge in das schottische Unabhängigkeitsreferendum 2014 eingemischt. Dafür gebe es glaubwürdige Hinweise, hieß es in dem Bericht des Geheimdienst- und Sicherheitsausschusses, der 2019 erstellt und am Dienstag veröffentlicht wurde.
Es handele sich um die „erste postsowjetische Einmischung in eine demokratische Wahl im Westen“, zitierte die britische Zeitung „The Telegraph“ aus dem lange erwarteten Bericht. Die Schotten hatten damals mit 55 Prozent gegen eine Abspaltung vom Vereinigten Königreich gestimmt.
Auch gebe es Anzeichen dafür, dass Russland ebenso versucht habe, auf das Brexit-Referendum Einfluss zu nehmen. Die britische Regierung sei diesen Hinweisen aber nicht vollumfänglich nachgegangen. Mehr noch: Der Geheimdienst- und Sicherheitsausschuss wirft der Regierung vor, „aktiv vermieden zu haben“, nach einer Einmischung Russlands in das EU-Referendum, und demnach möglichen Konsequenzen, zu suchen. Das berichtet die „BBC“.
Die britischen Geheimdienste werden daher zu einer Bewertung in dieser Frage aufgefordert. Allerdings waren die Teile des Russland-Berichts zum Brexit weitgehend geschwärzt.
Die britische Regierung wies die Aufforderung des Geheimdienst- und Sicherheitsausschusses zurück. „Wir sehen keine Belege für eine erfolgreiche Beeinflussung des EU-Referendums“, schreibt die Regierung in einer Erklärung, die Außenminister Dominic Raab über Twitter verbreitete.
Sollte es neue Informationen geben, die über den am Dienstag veröffentlichten Bericht hinausgingen, werde die Regierung aktiv werden, heißt es in der Erklärung sinngemäß. Bis dahin „ist eine rückblickende Bewertung nicht notwendig“, heißt es.
Der 50-seitige Bericht ist bereits seit vergangenem Jahr fertig. Der Report war Ende 2017 von der damaligen Premierministerin Theresa May in Auftrag gegeben worden. Der neue Premierminister Boris Johnson hatte eine Freigabe vor der Parlamentswahl abgelehnt. Das heizte Spekulationen in Großbritannien an, dass der etwa 50 Seiten umfassende Bericht wenig schmeichelhaft für die regierenden Konservativen ausfallen dürfte.
Nach einem Bericht der „Sunday Times“ vom vergangenen Jahr wurden in dem Report unter anderem die Beziehungen mehrerer russischer Großspender der britischen Konservativen zum russischen Inlandsgeheimdienst FSB unter die Lupe genommen.
Russische Regierung weist Anschuldigungen umgehend zurück
In dem Bericht wird Russland als feindliche Macht dargestellt, die eine erhebliche Bedrohung für Großbritannien und den Westen darstelle, und zwar an verschiedenen Fronten, von Spionage und Cyberangriffen bis hin zu Wahlmanipulationen und Geldwäsche.
Die russische Regierung wies die Anschuldigungen umgehend zurück. Russland habe sich nie in Wahlen eines anderen Landes eingemischt, teilte das Präsidialamt in Moskau mit. Das russische Außenministerium nennt den Bericht gar „russophob“. Russland wird unter anderem auch vorgeworfen, Einfluss auf die US-Wahl 2016 zugunsten von Präsident Donald Trump genommen zu haben.
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Erst vor wenigen Tagen hatte Großbritannien zudem Russland versuchte Interventionen in die Parlamentswahlen vom Dezember vorgeworfen. London beschuldigt den Kreml außerdem, Hacker beauftragt zu haben, an Informationen über die britische Forschung an Corona-Impfstoffen zu kommen. Moskau wies die Anschuldigungen zurück.
Die Beziehungen zwischen Großbritannien und Russland sind seit längerem äußerst angespannt – unter anderem wegen des Giftanschlags auf den ehemaligen russischen Doppelagenten Sergej Skripal und dessen Tochter Julia im März 2018 im englischen Salisbury. Die britische Regierung macht den russischen Geheimdienst für den Anschlag verantwortlich. Moskau weist auch diese Vorwürfe zurück. (Reuter, dpa, AFP)