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Zwei Rettungsboote der Bundeswehr nähern sich am Donnerstag einem Schlauchboot mit Flüchtlingen.
© dpa

Flüchtlingspolitik der EU: Briten streiten über Flüchtlings-Quote

Innenministerin May lehnt Plan der EU-Kommission ab, aber die schottischen Nationalisten sind dafür. Der von Brüssel vorgeschlagene Verteilungsschlüssel für Flüchtlinge wird auch in Deutschland kritisiert.

Der Umgang mit den Flüchtlingen hat zu einer Kontroverse in der britischen Innenpolitik geführt. Der neue außenpolitische Sprecher der schottischen Nationalisten (SNP), Alex Salmond, hat die britische Regierung aufgefordert, mehr Flüchtlinge aufzunehmen und damit den Plan der EU-Kommission zur quotenmäßigen Aufteilung der Schutzsuchenden auf sämtliche 28 EU-Staaten umzusetzen. Zuvor hatte die britische Innenministerin Theresa May angekündigt, dass Großbritannien bei dem am Mittwoch von der EU-Kommission vorgestellten Quotensystem nicht mitmachen werde.
Theresa May gehört den in der vergangenen Woche wiedergewählten Tories an, und der Streit mit den schottischen Nationalisten ist angesichts des Wahlergebnisses brisant. In Schottland hatten die Nationalisten 56 der 59 Sitze errungen und das Gebiet nördlich des Hadrianswalls praktisch zu einer Ein-Parteien-Region gemacht. Anders als die Konservativen von David Cameron drängt die SNP nicht auf eine Neuverhandlung mit den EU-Partnern über die Kompetenzen der Brüsseler Kommission. Der Schlagabtausch zwischen der SNP und den Tories über die von Brüssel vorgeschlagene Flüchtlings-Quotenregelung könnte sich langfristig zum Grundsatzstreit in der britischen Innenpolitik über die Europapolitik auswachsen.

Doppelt so viele Flüchtlinge für Großbritannien

In der Flüchtlingsfrage würde sich die von Brüssel vorgeschlagene Quotenregelung für Großbritannien deutlich bemerkbar machen. Im Jahr 2014 waren in Großbritannien 31.745 Asylbewerber registriert worden, nach dem EU-Vorschlag wären es rund 60.000 pro Jahr. Am Mittwoch hatte die EU-Kommission ihr Quotensystem vorgestellt, dem zufolge die EU-Länder gemäß ihrer Bevölkerungsgröße und Wirtschaftskraft Flüchtlinge aufnehmen sollen. Doch London will nicht mitmachen, weil aus Sicht der Regierung der Flüchtlingsstrom dann noch größer würde. „Wir können nicht etwas tun, das noch mehr Menschen dazu ermuntert, sich auf diese lebensgefährlichen Reisen zu begeben“, sagte Innenministerin May. Sie sprach sich hingegen für ein „aktives Rückführungsprogramm“ und „sichere Landeplätze in Nordafrika“ aus. Der frühere SNP-Chef Alex Salmond hielt May vor, die Augen vor der Flüchtlingskrise rund um das Mittelmeer zu verschließen.

Lob und Kritik von Menschenrechtlern

Der Direktor der Internationalen Organisation für Migration (IOM), William Lacy Swing, lobte am Donnerstag die europäischen Vorschläge als „konstruktive Ansätze“. Sie könnten aber nur ein erster Schritt sein. Er äußerte er die Erwartung, „dass die EU die Zuwanderungsmöglichkeiten noch erweitern wird“. Konkret forderte er mehr humanitäre Visa und Arbeitsvisa für Asylsuchende und Zuwanderer sowie eine Ausweitung des Familiennachzugs. Kritik kommt hingegen von Sozialverbänden und Menschenrechtsorganisationen. Diakonie-Präsident Ulrich Lilie sagte, es werde nicht gelingen, Asylsuchende mittels einer Quote „gegen ihren Willen auf EU-Länder zu verteilen, in denen sie keine Perspektive für sich sehen“. Rein administrative Lösungen würden der Lebenswirklichkeit nicht gerecht. In einigen EU-Ländern müssten Flüchtlinge ohne Wohnung und staatliche Hilfe überleben und seien zum Teil massiven Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Auch Pro Asyl bemängelte, Asylsuchende würden in Länder gezwungen, in denen sie „keine menschenwürdigen Aufnahmebedingungen und Asylverfahren vorfinden“.

Marine rettet wieder Flüchtlinge

Bei einem EU-Flüchtlingsgipfel im April hatten Großbritannien, Deutschland und Frankreich zugesagt, Fregatten zur Seenotrettung ins Mittelmeer zu entsenden. Am Donnerstag rettete die Bundeswehr wieder mehr als hundert Menschen von einem Flüchtlingsboot. Wie die Bundeswehr mitteilte, nahm die Fregatte „Hessen“ gut 80 Kilometer nordöstlich der libyschen Hauptstadt Tripolis 107 Flüchtlinge aus einem Schlauchboot an Bord.
Unterdessen strebt die EU weiter ein Mandat der Vereinten Nationen zur Zerstörung von leeren Flüchtlingsbooten an. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte am Donnerstag am Rande eines Nato-Treffens in der Nähe des türkischen Badeortes Antalya, es gebe kein „prinzipielles Veto von einer der Veto-Mächte“ gegen einen entsprechenden Plan der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini. In einem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Papier Mogherinis wird vorgeschlagen, in einem ersten Schritt mit Hilfe von Geheimdienstinformationen und militärischen Aufklärungskapazitäten ein genaues Lagebild zu erstellen. In der zweiten Phase könnten Schiffe auf hoher See gestoppt und beschlagnahmt werden. Schritt drei wäre die Zerstörung von Schiffen in libyschen Hoheitsgewässern oder sogar an der Küste des Landes. Sollte sich die Situation in Libyen stabilisieren, will die EU den dortigen Sicherheitskräften beim Wiederaufbau des Grenzschutzsystems unterstützen.

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