zum Hauptinhalt
Anti-Brexit-Demonstranten protestieren in London. Am Mittwoch entscheidet die britische Regierung über den Entwurf des Brexit-Abkommens.
© Matt Dunham/AP/dpa
Update

Großbritannien: Brexit-Endspiel: Britisches Kabinett entscheidet über Entwurf

Wird das britische Kabinett den Entwurf zum Brexit-Abkommen billigen? Davon hängt auch das Schicksal von Premierministerin Theresa May ab.

Brexit-Endspiel in London: Die britische Regierung entscheidet am Mittwochnachmittag über den umstrittenen Entwurf des Brexit-Abkommens. Die Nerven liegen blank. Denn es geht nicht nur um den Austritt aus der Europäischen Union, sondern auch um das Schicksal der Regierung und insbesondere von Premierministerin Theresa May. Die Minister treffen sich um 15 Uhr deutscher Zeit. Vorher muss May den Abgeordneten noch im Parlament Rede und Antwort stehen.

May ging optimistisch in die historische Kabinettssitzung. Die Minister würden vor dem Hintergrund des nationalen Interesses über die nächsten Schritte entscheiden, sagte May am Mittwoch vor dem britischen Parlament in London. "Ich bin zuversichtlich, dass dies uns deutlich bei der Umsetzung des im Referendum zum Ausdruck gekommenen Wunsches der britischen Bürger weiterbringen wird."

Am Mittwoch hatte auch die EU-Kommission bestätigt, dass sich die Brexit-Unterhändler auf „die Elemente“ eines Austrittsabkommens geeinigt haben. EU-Unterhändler Michel Barnier habe die Kommission ausführlich über den Verhandlungsstand informiert, sagte Sprecher Margaritis Schinas in Brüssel. Er wollte jedoch mit Blick auf den „laufenden Prozess“ keine Einzelheiten zur Einigung nennen.

Einige britische Minister sollen „große Vorbehalte“ gegen den Entwurf haben. Britische Medien halten Rücktritte nicht für ausgeschlossen. Für May könnte das gefährlich werden, vor allem, wenn wichtige Kabinettsmitglieder wie Handelsminister Liam Fox oder Brexit-Minister Dominic Raab abspringen. Doch auch ein Rücktritt von Arbeitsministerin Esther McVey oder Entwicklungshilfeministerin Penny Mordaunt wäre ein Rückschlag für die Regierungschefin.

Theresa May spricht von einem Endspiel

May, die von einem Endspiel spricht, hatte ihren Kabinettsmitgliedern am Dienstagabend einen kurzen Einblick in das etwa 500 Seiten starke Brexit-Dokument gewährt. Vor allem die Passage zu der Frage, wie Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland verhindert werden sollen, dürfte dabei im Fokus gestanden haben. Einer nach dem anderen betrat Mays Amtssitz in der Downing Street, wurde einzeln empfangen und trat nach einer halben Stunde mit betretener Miene wieder heraus.

Die EU besteht auf einer Garantie, dass es keine Kontrollen auf der irischen Insel geben wird. Der sogenannte Backstop stößt aber auf heftigen Widerstand bei den Brexit-Hardlinern in Mays Konservativer Partei und der DUP. Nun haben sich die Unterhändler in Brüssel wohl auf einen Kompromiss geeinigt. Medienberichten zufolge sieht der Plan vor, dass ganz Großbritannien im Notfall in der Europäischen Zollunion bleiben soll. Für Nordirland sollen demnach aber „tiefergehende“ Bestimmungen gelten.

Der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber, zeigte sich optimistisch: „Ja, der weiße Rauch steigt auf. Wir haben positive Signale, dass es nach Wochen und Monaten der quälenden Debatten jetzt endlich zu einer Einigung kommt“, sagte Weber in den ARD-„Tagesthemen“. Er selbst war nicht an den Gesprächen beteiligt.

Mays Widersacher schäumen vor Wut

Im Parlament in London dürfte der Kompromiss nicht leicht durchzusetzen sein. Ob die Regierung eine Mehrheit im Parlament erreichen kann, scheint zweifelhaft. Auch das wird die Entscheidung der Minister am Mittwoch beeinflussen. Ihre eigene Zukunft könnte davon abhängen, ob sich May letztlich im Parlament durchsetzen kann.

May regiert nur mit hauchdünner Mehrheit und ist auf die nordirische DUP angewiesen. Die Brexit-Hardliner bei den Konservativen fordern, dass der Backstop nur für eine begrenzte Zeit gelten darf. Mays größte Widersacher in ihrer eigenen Partei schäumten vor Wut: Ex-Außenminister Boris Johnson und der einflussreiche Parlamentarier Jacob Rees-Mogg warfen May vor, sich Brüssel unterworfen zu haben. Überall im Londoner Regierungsviertel seien die weißen Fahnen der Kapitulation gehisst worden, sagte der erzkonservative Rees-Mogg.

Johnson kündigte an, gegen das Abkommen zu stimmen. Großbritannien lasse sich zum Vasallenstaat der EU degradieren und sei im Begriff, Dublin teilweise die Kontrolle über Nordirland auszuhändigen.

Auch die DUP sträubt sich gegen jegliche Sonderbehandlung Nordirlands. Beide drohen damit, das Abkommen durchfallen zu lassen. „Dieser Deal hat das Potenzial, zum Auseinanderbrechen des Vereinigten Königreichs zu führen - und das können wir nicht unterstützen“, sagte Jeffrey Donaldson von der DUP.

Labour-Chef Corbyn: Kein guter Deal

Auf Unterstützung aus der Opposition darf May ebenfalls kaum hoffen. Labour-Chef Jeremy Corbyn twitterte, es sehe nicht nach einem guten Deal für sein Land aus.

Sollte die angekündigte Einigung im Parlament in Westminster keine Mehrheit finden, droht ein Austritt ohne Abkommen - mit schweren Folgen für alle Lebensbereiche. Zuerst wäre es aber wohl das Ende der Regierung May. Auch eine Neuwahl oder ein zweites Brexit-Referendum werden für diesen Fall nicht ausgeschlossen.

Großbritannien wird die Staatengemeinschaft am 29. März 2019 verlassen. Die EU besteht auf einer Garantie, dass es keine Kontrollen geben wird. Der sogenannte Backstop stößt aber auf Widerstand bei den Brexit-Hardlinern in Mays Partei und der DUP.

Das sich abzeichnende Brexit-Abkommen birgt aus Sicht der Grünen zudem große Risiken für das reibungslose Funktionieren des EU-Binnenmarkts. Wenn die Lösung sei, dass Großbritannien in der Zollunion bleibe, „dann muss die EU sicherstellen, dass ihre Standards nicht unterminiert werden“, erklärte die Sprecherin für Europapolitik im Bundestag, Franziska Brantner, in Berlin.

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament, Ska Keller, sagte im SWR, sie hoffe auf grünes Licht im Kabinett May. „Wir brauchen einen Deal, wir brauchen eine Einigung. Wenn das ein No-Deal-Szenario wäre, wäre das das schlechteste Szenario für alle.“ (dpa)

Zur Startseite