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Die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff bei ihrer Rede im brasilianischen Fernsehen am Sonntag. Zeitgleich kam es zu Demonstrationen im ganzen Land.
© dpa

Verunglückte Rede zum Weltfrauentag: Brasilianer machen sich während Rede von Dilma Rousseff lautstark bemerkbar

Eigentlich wollte Dilma Rousseff eine Rede zum Weltfrauentag halten. Doch es wurde eine Verteidigung der eigenen Politik - dies kam bei der Bevölkerung nicht gut an. Die Menschen demonstrierten während der Rede der brasilianischen Präsidentin auf ungewöhnliche Weise.

Die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff hat ihre aktuelle Politik öffentlich verteidigt: Die starke Kritik an der Regierung sei "unfair", sagte sie am Sonntag im brasilianischen Fernsehen. Die Bevölkerung und der Kongress sollten ihre Maßnahmen unterstützen, sagte sie. Zeitgleich zur Rede kam es zu außergewöhnlichen Demonstrationen in mindestens zwölf Städten. Die Menschen öffneten die Fenster und schlugen mit Kochlöffeln auf Töpfe oder machten sich anderweitig lautstark bemerkbar. Sie riefen auch Anti-Rousseff-Slogans. Zudem schalteten sie die Lichter ihrer Wohnungen permanent an und aus, sodass manche Hochhäuser nahezu blinkten, wie im Video zu sehen ist. Zu dieser Art der Demonstration in den eigenen vier Wänden kam es unter anderem in São Paulo, Rio de Janeiro, Belo Horizonte, Fortaleza, Recife, Brasília, Vitória, Curitiba, Porto Alegre, Goiânia, Belém und Maceió.

In ihrer Rede sagte Dilma, dass die Finanzanpassung eine "schwierige Entscheidung" war. Es bedeutet auch, dass die Bevölkerung "vorübergehend Opfer" bringen müsse, wie Steuererhöhungen und weniger Investitionen. Der jüngsten Skandal um Korruption innerhalb der Petrobras, des größten staatlichen Unternehmen des Landes, und die Verschlechterung der Wirtschaft hatten die brasilianische Regierung zuletzt stark in die Kritik gebracht.

Mord an Frauen soll künftig härter bestraft werden

Die Rede der Präsidentin sollte eine traditionelle Aussage zum Weltfrauentag darstellen, aber das Thema wurde nur kurz angeschnitten. In Brasilien würden jeden Tag 15 Frauen sterben, "nur aufgrund der einfachen Tatsache, dass sie Frauen sind", sagte die Präsidentin nach der Unterzeichnung eines Gesetzes, das den Straftatbestand des "Feminizids", des Frauenmords, einführt. Nach dem Gesetz drohen für tödliche Gewalt an Frauen künftig mit zwölf bis 30 Jahren Haft deutlich schärfere Strafen als für Mord.

Nach brasilianischen Regierungsangaben starben seit 1980 etwa 100.000 Frauen eines gewaltsamen Todes. In mehr als zwei Dritteln der Fälle war häusliche Gewalt die Ursache. Eine halbe Million Frauen würden jährlich Opfer von sexueller Gewalt, nur zehn Prozent von ihnen allerdings würden Anzeige erstatten, sagte Rousseff und sprach von "schockierenden" Zahlen. Sie rief ihre Geschlechtsgenossinnen auf, die Missstände nicht weiter hinzunehmen: "Betrachten Sie die Gewalt in ihrem Haus oder außerhalb nicht als etwas Unvermeidliches. Lassen Sie die physische Gewalt oder Macho-Benehmen nicht ihre Würde oder sogar ihr Leben zerstören." In Südamerika haben bereits zahlreiche Staaten Gesetze geschaffen, die Frauenmord unter den Kapitalverbrechen besonders streng ahnden. Dazu gehören Argentinien, Chile, Kolumbien, Mexiko, Peru und Venezuela.

Anschließend betonte Dilma noch einmal, dass Brasilien die Auswirkungen der internationalen Krise spüre, die im Jahr 2008 begann. Sie sagte, dass das Land "solide Grundlagen" habe und dass "es weit davon entfernt ist, in eine riesige Krise zu geraten, wie manche Leute sagen". Dilma kritisierte auch die Medien: "Nachrichten sind nützlich, aber nicht immer ausreichend. Oft verwirren sie uns mehr, als dass sie uns informieren", sagte die Präsidentin.

"zweiten Teil" der Krise

Die wirtschaftlichen Prognosen für das Jahr 2015 seien besorgniserregend, mit Rezessionsgefahr. Dilma gab zu, Brasilien stehe vor einem "zweiten Teil" der Krise, welche durch die Dürre im Südosten und Nordosten des Landes verschärft würde. In einigen Städten wie São Paulo wird das Wasser knapp, es soll zu Wasserrationierung kommen.

"Die soziale Demonstration war nötig, um das Krisenszenario zu verdeutlichen. Ohne Unterstützung im Kongress und ohne die Unterstützung der Bevölkerung wird die Regierung in die Enge getrieben und schwächer", schrieb Ricardo Kim, Analyst bei XP Investimentos, einer der größten brasilianischen Brokerages, in einer Notiz.

Für Eduardo Velho, Chefökonom bei Invx Global Partners, hat Dilma "die Gelegenheit verpasst", um die Fehler der früheren Wirtschaftspolitik aus ihrer ersten Amtszeit zu erkennen und zu verbessern. Jüngste Umfragen zeigten signifikante Popularitätsverlust der Regierung. "Wir können die Demonstration nicht als ein isoliertes Ereignis sehen", sagte Velho.

Die Präsidentin ist in einer "unangenehmen" Situation, sagte Rodrigo Augusto Prando, Soziologe an der Universität Mackenzie, in São Paulo.

Darüber hinaus, sagte der Soziologe, die politische Artikulation der Präsidentin sei sehr zerbrechlich, und Parlamentarier sehen ihre Regierung als schlecht bis sehr schlecht. "In diesem ungünstigen Szenario ist die einzige Möglichkeit eine Rede, in der sie versuchen würde, ihre Regierung zu verteidigen."

Für Professor David Fleischer, vom Institut für Politikwissenschaft der Universität von Brasilia, ist der Hauptgrund für die Unzufriedenheit des brasilianischen Volkes, dass Dilma immer wieder behauptet, dass die Lage der Wirtschaft nicht so schlimm sei.

"Die Unzufriedenheit der Demonstrationen im März 2013, als es viele Demonstrationen in Brasilien gab, bestehe weiter. Es gibt nach wie vor Probleme in den Bereichen Gesundheit, Bildung und öffentlicher Sicherheit. Nichts hat sich seitdem verändert", sagte Fleischer. "Einige Demonstrationen sind für den 15. März 2015 geplant und ich denke, dass es sehr stark sein wird."

Robert Klages

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