Mit mehr als 40.000 Euro: Böll-Stiftung finanzierte Baerbocks Promotionsversuch
Vor ihrem Einzug in den Bundestag erhielt die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock jahrelang Fördergeld für Begabte. Warum brach sie ihr Vorhaben ab?
Die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock hat für ihre nicht beendete Promotion eine Unterstützung von mehr als 40.000 Euro von der parteinahen Heinrich-Böll-Stiftung erhalten. Dies erklärte deren Sprecher Michael Alvarez Kalverkamp auf Anfrage des Tagesspiegels.
Die Politikerin sei von April 2009 bis Dezember 2012 Promotionsstipendiatin der Stiftung gewesen. In dieser Zeit habe sie für 39 Monate Leistungen bezogen. Das „Lebenshaltungsstipendium für Promovierende“ habe damals monatlich 1050 Euro betragen. Allen mit dem Stipendium verbundenen Pflichten sei Baerbock nachgekommen.
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Derzeit beträgt die „Regelförderzeit“ laut Webseite der Böll-Stiftung zwei Jahre, mit der Option auf eine maximal zweimalige Verlängerung um jeweils ein halbes Jahr, also drei Jahre insgesamt. Im Jahresbericht der Böll-Stiftung von 2009 heißt es, die Förderdauer für Stipendien variiere zwischen anderthalb und drei Jahren.
Wie andere parteinahe Stiftungen finanziert sich auch die Böll-Stiftung überwiegend aus Bundesmitteln. Für die Begabtenförderung werden regelmäßig Mittel des Bundesministeriums für Bildung und Forschung vergeben. In dafür geltenden Bestimmungen des Ministeriums ist eine „Höchstförderungsdauer“ von vier Jahren festgelegt.
„Lebensentwürfe können sich ändern“, sagt der Stiftungssprecher
2011 und 2012 hätten von insgesamt 51 Promovierenden 30 die Höchstdauer von 36 Monaten in Anspruch genommen, erklärte der Sprecher. Zur Förderung Baerbocks sagte er, sie sei, wie alle Eltern, wegen der Geburt eines Kindes im Oktober 2011 berechtigt gewesen, eine weitere Verlängerung auf maximal 48 Monate zu beanspruchen, die dann bis Ende 2012 verabredet wurde. „Förderverlängerungen werden mit Blick auf das Erreichen des Promotionsziels und die konkrete Lebenssituation entschieden.“
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Eine vollständige oder zumindest anteilige Rückzahlung ist laut Sprecher Alvarez Kalverkamp weder üblich noch vorgesehen. „Lebensentwürfe können und dürfen sich auch kurzfristig bei jungen Menschen ändern, etwa aufgrund von Familiengründungen oder beruflicher Neuorientierungen.“ So komme es „immer wieder einmal vor“, dass Stipendiaten ihre Promotion vorzeitig abbrächen.
Veränderte Lebensentwürfe oder die Familiengründung waren es aber offenbar nicht, die die Grünen-Politikerin von ihrem Promotionsvorhaben an der Freien Universität Abstand nehmen ließen. Sie hatte als Grund angegeben, sich ganz auf das von ihr angestrebte Bundestagsmandat konzentrieren zu wollen, das sie mit der Wahl 2013 erreicht hat. Die Arbeit an der Dissertation habe sie deshalb ab 2013 „ruhen gelassen“ und sich 2015 für das Promotionsverfahren exmatrikuliert, wie die Partei mitteilt.
Auch von einer „Neuorientierung“ wird man eher nicht sprechen können. Baerbock wollte schon lange vorher in den Bundestag einziehen. Sie hatte es bereits bei der Wahl 2009 als Direktkandidatin versucht, damals noch vergeblich. Im Anschluss wurde sie an die Spitze der Brandenburger Grünen gewählt, womit sich die Aussichten auf ein Mandat verbesserten; 2013 gelang ihr der Einzug dann über den ersten Platz auf der Landesliste.
Das Geld kommt in aller Regel vom Bund
Vor diesem Hintergrund erscheint es zumindest nicht ausgeschlossen, dass die Böll-Stiftung bei der fortdauernden Förderung der Grünen-Landeschefin auch die Unterstützung einer vielversprechenden Jungpolitikerin im Blick hatte und nicht nur das Forschungsprojekt zum Thema „Naturkatastrophen und humanitäre Hilfe im Völkerrecht“. Der Stiftungssprecher sagte dazu, zu den zentralen Auswahlkriterien gehörten „ein ambitioniertes Promotionsprojekt und gesellschaftspolitisches Engagement“.
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Angesichts der finanziellen Hilfe aus nicht zuletzt öffentlichen Mitteln stellt sich zudem die Frage, weshalb die Politikerin die Promotion nicht neben ihrer Parlamentsarbeit beendet hat. Gegenüber dem Tagesspiegel hatte sie 2013 erklärt, diese sei fast fertig und sie wolle sie neben dem Mandat zu Ende bringen. Weder die Partei noch das Bundestagbüro von Baerbock hat bisher auf Anfragen zu ihrer damaligen Entscheidung reagiert.
Dass Promovierende ihr Dissertationsprojekt abbrechen, ist in der Begabtenförderung eine Ausnahme. Die Studienstiftung des deutschen Volkes, Deutschlands größtes und ältestes Begabtenförderungswerk, verweist auf eine Abschlussquote von 96 Prozent.
Rückforderungen würden nur in Ausnahmefällen gestellt, etwa wenn Abbrecher sich „nicht in zumutbarer Weise um das Erreichen des Stipendienziels bemüht“ hätten. In der Praxis spielten solche Fälle keine Rolle, heißt es. Auch bei der Studienstiftung liegt die Regelförderzeit bei zwei Jahren. Drei Jahre seien die „allgemeine Höchstförderungsdauer“.