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Berichte über Spionagetätigkeiten der NSA gegen die Europäer führten heute zum Abbruch der Sitzung des NSA-Untersuchungsausschusses.
© dpa

Geheimdienste: BND half NSA bei Spionage in Europa

Die NSA hat die Zusammenarbeit mit dem Bundesnachrichtendienst genutzt, um die Europäer auszuspionieren. Der BND will den Umfang erst jetzt bemerkt haben - und hielt Bedenken vor dem Bundeskanzleramt geheim. Die Kooperationen mit US-Geheimdiensten laufen unterdessen weiter.

Der US-Geheimdienst NSA hat die Zusammenarbeit mit dem Bundesnachrichtendienst (BND) genutzt, um die Europäer auszuspionieren – in deutlich größerem Umfang als bisher bekannt. Das berichtete Spiegel Online am Donnerstag und löste so einen Eklat im NSA-Untersuchungsausschuss aus. Die Abgeordneten wollten heute zwei hochrangige Beamte aus dem Bundeskanzleramt zu ebenjener umstrittenen Kooperation hören- den ehemaligen Referatsleiter Peter Bartodziej und den ehemaligen Geheimdienstkoordinator und späteren BND-Präsidenten Ernst Uhrlau - brachen die Sitzung dann aber ab.

Bereits im Oktober vergangenen Jahres hatte die Süddeutsche Zeitung über die „Operation Eikonal“ berichtet, eine Zusammenarbeit zwischen BND und NSA zum Abhören der Internetkommunikation bei der Telekom in Frankfurt. Die NSA lieferte die Technik, der BND verschaffte den Zugang zur Leitung. Umstritten war die Operation bislang vor allem, weil rechtliche Zweifel an ihrer Legitimität bestehen. Erst kürzlich hatte der damalige Vorsitzende der G10-Kommission, Hans de With, im NSA-Untersuchungsausschussaus gesagt, dass sich der BND eine Genehmigung für die Abhöraktion bei der Telekom hatte geben lassen, ohne transparent zu machen, dass er mit der NSA zusammenarbeiten würde. Unter den nun bekannten Umständen hätte man die Operation nicht genehmigt, sagte de With.

40.000 verdächtige Suchwörter fand der BND bei einer Prüfung

Bekannt war auch, dass die NSA versucht hatte, dem BND mehrere Suchwörter unterzujubeln,um die Europäer auszuforschen. Genannt wurden „EADS“, „Eurocopter“ und „Französische Behörden“. Wie der Spiegel nun berichtet, prüfte der BND nach den ersten Snowden-Veröffentlichungen 2013 die Liste der Suchwörter erneut - und kam damals auf 2.000 verdächtige Suchwörter, die sich „gegenwesteuropäische und deutsche Interessen“ richteten oder auch gegeneuropäische Politiker. Jetzt prüfte der BND aufgrund eines Beweisantrages von Linken und Grünen die Liste ein weiteres Mal - und kommt jetzt auf nicht weniger als 40.000verdächtige Suchwörter. Laut Spiegelberichtete der BND erst im März2015 das Bundeskanzleramt über die Ergebnisse der beiden Untersuchungen. Am Mittwochabend unterrichtete Peter Altmaier (CDU) daraufhin die Abgeordneten des NSA-Untersuchungsausschusses.

Das Bundeskanzleramt wurde erst jetzt informiert

Der Bundesnachrichtendienst und sein Präsident Gehard Schindler dürften durch die neuerlichen Enthüllungen weiter unter Druck geraten. Der Vorwurf des Landesverrats stehe im Raum, sagte André Hahn(Linke). Es gehe um die Frage, warum der BND die eigene Aufsicht, das Bundeskanzleramt, erst im März 2015 informiert habe, sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Burkhard Lischka. Die Linken-Abgeordnete Martina Renner forderte den Rücktritt von BND-Präsident Schindler.

Doch nicht nur dem Kanzleramthat der Nachrichtendienst Informationen über das Ausmaß der Spionagevorenthalten. Im NSA-Ausschuss haben die Abgeordneten der Opposition immer wieder nach den Spionageversuchen gefragt. Die Antwortender BND-Mitarbeiter stehen in krassem Widerspruch zu dem, wasnun bekannt wurde.

Noch im Februar sagte ein BND-Mitarbeiter: "Das hätten wir bemerkt"

Nach Darstellung mehrerer Mitarbeiter der Abteilung Technische Aufklärung, die mit „Eikonal“ befasst waren,wurden alle „Selektoren“ der Amerikaner, also alle Suchworte, mit denen relevante Internet-Daten gefiltert werden vom BND geprüft, bevor sie angewendet wurden. Dass Amerikaner den Deutschen Selektoren unterschmuggeln, um Wirtschaftsspionage zu betreiben, schloss etwa der BND-Mitarbeiter W.K. im Februar aus.„Das macht doch auch keinen Sinn, in einer langjährigen Kooperation“, sagte er. Und: „Das hätten wir bemerkt.“

Die Obleute von Linken und Grünen äußern seit längerem Zweifel an dieser Darstellung - schon wegen der großen Zahl von Suchbegriffen, die verwendet wurden. Offenbar handelt es sich um über eine Million, der Großteil davon kam nicht von den Deutschen, sondern den Amerikanern. Der BND-Mitarbeiter R.U. etwa hatte ausgesagt, auf einen deutschen kämen vier US-Selektoren.

War die Spionage der Grund für den Abbruch der Operation?

Der Obmann der Grünen, Konstantin von Notz, hat deshalb schonhäufig die Vermutung geäußert, die Spionage der Amerikaner sei der eigentliche Grund dafür gewesen, dass die Kooperation mit der NSA 2008 eingestellt wurde. BND-Mitarbeiter hatten bislang stets gesagt, die USA hätten das Interesse verloren, da die Deutschen aufgrund ihrer strengen Regeln so wenige Datengenerierten und weitergaben. Aus anderen Akten geht hervor, dass rechtliche Bedenken zum Abbruch der Operation geführt haben.

Deutsche Geheimdienste kooperieren weiter mit den USA - wie werden die Operationen gesichert?

Allerdings ist das Problem der Spionage im Rahmengemeinsamer Abhöraktionen durchaus kein historisches. Denn die Operation Eikonal wurde zwar beendet, bis heute aber kooperiert Deutschland mit den USA und anderen Five-Eyes-Staaten im Rahmen der„technischen Aufklärung“ im Internet. Daraus macht die Bundesregierung kein Geheimnis, im Gegenteil. Immer wieder werden laufende Operationen genannt, um die Herausgabe von Akten zu verweigern. Heute sind nach Informationen des Tagesspiegels wohl allein in Deutschland etwa10 bis 20 Kooperationen. Die Bundesregierung hat nun laut Spiegel weitere Prüfungen in Auftrag gegeben.

Eco will BND wegen Abhören des De-Cix-Internetknotenpuntkes verklagen

Druck bekommt der BND derweil noch von anderer Seite: Der Internetverband Eco, der übereine Tochtergesellschaft den De-Cix-Internetknotenpunkt in Frankfurt betreibt, will gegen den BND klagen. Wie unter anderem der Tagesspiegel berichtet hatte, greift der BND unter rechtlich zweifelhaften Bedingungen bis heute an diesem Knotenpunkt Datenverkehr ab. „Wir haben uns seit Jahren dagegen gewehrt und sind der Meinung, dass Überwachung in dieser Form unzulässig ist“, sagt Klaus Landefeld vom Internetverband eco dem Fernsehsender NDR. (mit dpa)

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