Wegen "Beleidigung des Islam": Blogger Raif Badawi in Saudi-Arabien öffentlich ausgepeitscht
Für Amnesty International ist er ein politischer Gefangener, aus Sicht des Regimes in Saudi Arabien hat er den Islam beleidigt. Am Freitag wurde Raif Badawi öffentlich ausgepeitscht - es ist nur der erste Teil der Strafe.
Noch am Donnerstag hatte Saudi-Arabien das Attentat in Paris „als feigen Terrorakt, der gegen den wahren Islam verstößt“, verurteilt. 24 Stunden später statuierte das ultrakonservative Königreich seine Version des wahren Islam und ließ den Blogger Raif Badawi vor der Al-Jafali-Moschee in Jeddah öffentlich auspeitschen. 50 Hiebe erhielt der 30-Jährige nach dem Freitagsgebet, wie Augenzeugen bestätigten. Der Geschlagene habe mit dem Rücken zu den Zuschauern gestanden und keinen Schmerzensschrei von sich gegeben.
Insgesamt ist Badawi zu 1000 Peitschenschlägen verurteilt, die in den nächsten 20 Wochen alle acht Tage vollzogen werden sollen – ein Todesurteil auf Raten. Das Gericht warf ihm vor, den Islam beleidigt und sich gegen die rechtmäßigen Autoritäten aufgelehnt zu haben.
Die USA hatten gefordert, die Strafe auszusetzen
Die USA hatten zuvor an ihren engsten Verbündeten in der arabischen Region appelliert, diese brutale und erniedrigende Strafe auszusetzen. Badawi habe lediglich von seinem Recht auf Meinungsfreiheit und auf Religionsfreiheit Gebrauch gemacht, erklärte die Sprecherin des US-Außenministeriums, Jen Psaki. Reporter ohne Grenzen prangerte die Auspeitschung als barbarisch an. Amnesty International betrachtet Badawi als politischen Gefangenen aus Gewissensgründen.
Am Freitag verurteilte der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Strässer die Strafe: "Diese grausame Art von Bestrafung, dazu noch in aller Öffentlichkeit, ist menschenunwürdig, stellt eine Menschenrechtsverletzung dar und widerspricht den internationalen menschenrechtlichen Verpflichtungen, die Saudi-Arabien eingegangen ist."
Mit der Auspeitschung nimmt das Vorgehen der Herrscher gegen Bürgerrechtler und Kritiker immer krassere Formen an. Denn die Nervosität in dem ölreichen Königreich wächst. Der reformoffene 90-jährige Monarch Abdullah liegt schwer erkrankt in einer Klinik. Erzfeind Iran versucht einen Neuanfang mit den USA. Und mehr als 2500 junge Saudis kämpfen in Syrien und Irak als „Gotteskrieger“ für das „Islamische Kalifat“.
Human Rights Watch kritisiert Auspeitschung in Saudi-Arabien
Menschen haben Menschenrechtler die Aufhebung des Urteils gefordert. Human Rights Watch (HRW) forderte König Abdallah am Samstag auf, die Verurteilung Badawis zu zehn Jahren Haft und tausend Peitschenhieben aufzuheben und ihn "umgehend zu begnadigen". HRW-Regionaldirektorin Sarah Leah Whitson erklärte, es sende "eine abscheuliche Botschaft der Intoleranz", einen friedlichen Aktivisten für die Äußerung seiner Meinung öffentlich auszupeitschen.
Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF), die sich weltweit für die Pressefreiheit einsetzt, forderte nach der ersten Auspeitschung am Freitag erneut die sofortige Aufhebung der Strafe. Auch wenn Saudi-Arabien bisher alle Appelle ignoriert habe, würde sich ihre Organisation auch weiter dafür einsetzen, dass Badawi baldmöglichst wieder in Freiheit gelangt, erklärte RSF-Programmdirektorin Lucie Morillon. Auch Amnesty International sowie die EU-Kommission und die US-Regierung haben die Strafe scharf verurteilt.
Raif Badawi hatte 2008 ein Online-Forum „Freie Saudische Liberale“ gegründet
Badawi hatte 2008 ein Online-Forum „Freie Saudische Liberale“ gegründet, was Debatten über religiöse und politische Themen anstoßen sollte. 2009 verhängten die Behörden zunächst ein Reiseverbot und beschlagnahmten sein Vermögen. Trotzdem rief er für den 7. Mai 2012 einen „Tag der saudischen Liberalen“ aus und forderte eine öffentliche Diskussion über die Politisierung der Religion durch das geistliche Establishment.
Seine Frau und seine drei Kinder flüchteten nach Kanada
Vier Wochen später wurde er verhaftet, am 29. Juli 2013 zu sieben Jahren Gefängnis und 600 Peitschenhieben verurteilt. Ein Jahr später erhöhte das Berufungsgericht die Strafe auf zehn Jahre, 1000 Hiebe und 200 000 Euro Geldstrafe. Seine Frau Ensaf Haidar floh mit ihren drei Kindern Terad, Najwa und Miriam nach Kanada und erhielt dort politisches Asyl.
Auch sein Anwalt sitzt in Haft
Badawis Anwalt Waleed abu al Khair sitzt seit Frühjahr 2014 ebenfalls in Haft – von einem Spezialgericht für Terroristen zu 15 Jahren Haft, 15 Jahren Reiseverbot und 40 000 Euro Geldbuße verurteilt. Al Khair habe versucht, die Machthaber zu beseitigen, er habe die Ordnung unterminiert, die öffentliche Meinung aufgewiegelt, die Justiz beleidigt, das Ansehen des Königreichs in den Dreck gezogen, internationale Organisationen zu feindseligem Verhalten angestachelt sowie haltlose Erklärungen publiziert, befand das Gericht. (mit AFP)