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Ungebrochene Verehrung: Wenn sich Aung San Suu Kyi in der Öffentlichkeit zeigt, wie hier am Unabhängigkeitsfeiertag Birmas in der vergangenen Woche vor der Zentrale ihrer Partei in Rangun, dann ist sie schnell von begeisterten Anhängern umringt.
© AFP

Überraschende Offerte: Birmas Präsident bietet Aung San Suu Kyi Regierungsposten an

Der Präsident bietet der jahrelang weggesperrten Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi eine Regierungsbeteiligung an, sollte sie bei den Wahlen ein Mandat erringen: Machterhalt durch Öffnung?

Nur wenige Länder sind im Westen so unbekannt wie Birma – und kaum eins hat ganz leise eine solche Entwicklung genommen wie der lange abgeschottete Staat in Asien. Fast beispielhaft für das Hoffen und Bangen steht die erste Woche des Jahres, die am Sonntag mit einem Paukenschlag endete: Ein Berater des Präsidenten stellte der jahrelang weggesperrten Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi ein Amt in der Regierung oder eine herausgehobene Stellung im Parlament in Aussicht, sollte sie bei den Nachwahlen am 1. April ein Mandat erringen. Erst kurz zuvor hatte ihre Partei NLD verkündet, Suu Kyi werde kandidieren. Die Partei war erst am Donnerstag wieder zugelassen worden. Alle rechnen damit, dass die „Lady“ jeden Wahlkreis gewinnt, wenn diesmal denn wirklich frei gewählt werden sollte.

Präsident Thein Sein, vormals General und Premier der Junta, hat in seiner neuen Position an seinem Ruf als Hoffnungsträger gearbeitet. Mancher Beobachter fragt sich gar, ob er der Gorbatschow Asiens werden könnte. Thein Sein verfügte einen Baustopp für einen Milliarden Dollar schweren Staudamm. Die erstaunliche Begründung: weil das Volk dies so wolle. Er suchte die Annäherung an Aung San Suu Kyi, die ihn inzwischen einen „ehrlichen Mann“ nennt. 2010 hatte sie aus dem Arrest heraus eine Teilnahme ihrer NLD an der sogenannten Wahl abgelehnt, die Partei wurde daraufhin offiziell aufgelöst. Es gab heftigen Streit, weil einige ihrer Gefolgsleute als NDF doch antraten.

Seit ihrer Freilassung eine Woche nach den Wahlen 2010 testet Suu Kyi ihren Bewegungsspielraum. Offenbar zahlt sich ihre Freiheit auch für Thein Sein aus. Besucher von Hillary Clinton bis William Hague, deren Regierungen Birma lange mieden, kamen. Vergangene Woche sagte Suu Kyi (66) der BBC, sie sehe „voll demokratische Wahlen in meinem Leben“ voraus. Viele Birmanen wünschen sich ihre Heldin als Präsidentin. Klug erhebt sie aber keinerlei Anspruch auf die Macht: „Ich kann nicht einmal sagen, ob das etwas ist, das ich gern tun oder tun würde.“ Zuvor hatte sie über Thein Sein gesagt, er sei ein Mann, „der Risiken eingeht, wenn er denkt, sie sind es wert“. Genau darüber machen sich viele Gedanken – immerhin war er auch Mitglied der brutalen Junta.

Birma hofft auf internationale Rehabilitation

Kritiker horchten auf, als er am 4. Januar zum Unabhängigkeitstag das Militär als Motor von Reformen lobte. Vermutlich war es dem Datum geschuldet und der Tatsache, dass ohne das Militär auch in der zivil gewendeten Regierung nichts läuft, denn es hat sich die Schlüsselpositionen gesichert. Allerdings ist es ein offenes Geheimnis, dass die Generäle keineswegs immer einig sind. Kaum jemand glaubt jedoch, dass Läuterung Hintergrund der vorsichtigen Öffnung ist. Es dürften geostrategische Überlegungen sein. Eine demonstrative Reise nach Indien, der Staudamm-Stopp, das sind wohl Signale, sich aus der Isolation mit China als einzigem Verbündeten zu befreien. Inzwischen merkt die Regierung auch, dass sie noch bessere Geschäfte machen kann, wenn sie auch mit anderen kann.

Birma mit all seiner Armut ist ein reiches Land. Und sie hoffen auf internationale Rehabilitation. Den Westen zu gewinnen, der auch gern Geschäfte machen will, setzt aber mehr voraus. Es braucht auch Raum für die anderen, die sich für eine Zivilgesellschaft einsetzen, die jenseits der Grenzen kaum jemand kennt. Sie verloren gerade einen ihrer klügsten Köpfe: Nay Win Maung, Mitgründer der Organisation Egress, die junge Leute für Verantwortung in der Gesellschaft gewinnen will und sich zu einem Think Tank entwickelt, starb an Neujahr. Und es braucht Freiheit für die politischen Gefangenen. Viele hatten gehofft, die noch mehr als 1000 Häftlinge kämen am Unabhängigkeitstag frei. Aber nein. Sind die Besuche ein Fluch? Machen die stolzen Birmanen das nicht, damit es nicht aussieht, als gäben sie Druck nach? Oder gibt es einen Machtkampf? Moritz Kleine- Brockhoff, bei der Naumann-Stiftung für Birma zuständig, mahnt: „Die Regierung in Naypidaw sollte wissen, dass sie die restlichen politischen Gefangenen jetzt freilassen muss. Die EU wird vor den Nachwahlen im April über die Sanktionen entscheiden. Eine Aufhebung wird es aber wohl nur geben, wenn die meisten oder alle politischen Häftlinge zuvor freigelassen wurden.“ Trotz aller Skepsis sagt Jürgen Stetten, Asien-Referatsleiter der Ebert-Stiftung: „Sie legen den Schalter um. Anders als Nordkorea haben sie auch die Chance.“

Große Hoffnung keimt dieser Tage vor allem nach einem spektakulären Filmfestival. Mit Gänsehaut verfolgten Tausende in einem Einkaufszentrum in Rangun, wie 188 unzensierte Filme per Videoleinwand sogar auf die Straße projiziert wurden. Eine Satire über die Zensurbehörde und ein Film über die Niederschlagung des Aufstands der Mönche 2007 wurden prämiert. Mit dabei die Helden der Freiheit: Aung San Suu Kyi und der für seinen beißenden Spott bekannte Comedian Zarganar, der erst im Oktober freigelassen wurde. Bis zum Schluss mochte kaum jemand glauben, dass das in Birma möglich ist – und niemand verhaftet wird.

Richard Licht

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