Starke Abhängigkeit der Landwirtschaft: Bienen sterben – und die Unternehmen sind ratlos
Die sinkenden Zahlen an Bienen, Schmetterlingen und Mücken könnten für verminderte Erntequalität und Rohstoffknappheit sorgen. Doch die Großkonzerne wissen zu wenig darüber.
Die Zahl der Bestäuber auf der ganzen Welt nimmt aufgrund einer Reihe von Faktoren ab, darunter der intensive Einsatz von Pestiziden und Herbiziden sowie Krankheiten, die teilweise von domestizierten Arten auf ihre wild lebenden Pendants übergehen.
Mehr als ein Drittel der Wildbienen- und Schmetterlingsarten sind vom Aussterben bedroht. Ein neuer Bericht des UN-Umweltbeobachtungszentrums (UNEP-WCMC) zeigt, welche Kosten dies für die Nahrungsmittelversorgung haben könnte. Die Abhängigkeit der Landwirtschaft von Bestäubern hat sich seit den 1960er Jahren um 400 Prozent erhöht, und etwa drei Viertel der Nahrungspflanzen sind von der Bestäubung abhängig.
Die Studie ergab, dass Bienen und andere Bestäuber jährlich bis zu 577 Milliarden Dollar wert sind, wobei die Hälfte dieses Werts von Wildinsekten stammt. Gerade dies zeigt, dass das massenhafte Sterben der wild lebenden Bestäuber schwere Folgen haben könnte.
In einer Umfrage unter acht Großunternehmen, darunter der Supermarktriese Asda und der Lebensmittelhersteller Mars, erklärten die meisten allerdings, dass sie wegen der Unklarheit in der Frage, welche Nahrungsmittel und Regionen tatsächlich gefährdet sind, aktuell nichts unternehmen könnten. Viele der Unternehmen erklärten, es gebe schlicht nicht genügend Informationen über den Rückgang der Bestäuber. Außerdem sei bisher keine ausreichende Verbindung zwischen dem Insektensterben und möglichen Risiken für die Lieferketten hergestellt worden.
Gemma Cranston, Leiterin des Cambridge Institute for Sustainability Leadership Teams, das an der Studie teilgenommen hat, warnte, dass „weniger als die Hälfte der untersuchten Unternehmen wissen, welche der Rohstoffe, die sie beziehen, von Bestäubern abhängig sind“.
„Business Case“ für Bienen
Doch Vertreter einiger der von den Studienautoren angesprochenen Unternehmen, darunter Mars und The Body Shop, wollen nun derartige Übersichten erstellen lassen und mit Zertifizierungsstellen, Wissenschaftlern und nationalen Regierungen zusammenarbeiten, um die Bestäuber zu retten. Die Autoren der Studie empfehlen, dafür zu sorgen, dass ein „Business Case“ (Geschäftsszenario) für den Schutz von Bestäubern aufgestellt wird und dass mehr Daten gesammelt werden, um besser zu ermitteln, wo und welche Kulturen am anfälligsten sind.
Eine weitere Möglichkeit, nachhaltigere Lieferketten zu schaffen, ist der sinnvolle Einsatz von Zertifizierungssystemen, von denen viele den reduzierten Einsatz von Pestiziden und die Wiederherstellung von Lebensräumen fördern. „Zertifizierungssysteme spielen eine wichtige Rolle bei der Förderung von Best Practices in Unternehmen. Eine effektive Integration der Bedürfnisse von Wildbestäubern in solche Programme würde den Unternehmen helfen, in dieser Frage schneller voranzukommen,“ glaubt Laura Fox, Senior Managerin bei Flora and Fauna International.
Das Projektteam, das die Studie erstellt hat, arbeitet nun an einer Bewertungsmethodik, die die Unternehmen beim Insektenschutz unterstützen soll. Ihre Ergebnisse werden noch in diesem Jahr vorgestellt.
Im Februar bestätigte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) den Verdacht, dass der Zusammenbruch der Bestäuberpopulationen durch den Einsatz von Insektiziden, den so genannten Neonicotinoiden, verursacht werden könnte.
Eine Reihe neuer Bewertungen kam zu dem Schluss, dass drei Varianten dieser Neonicotinoide ein Risiko für Wildbienen und Honigbienen darstellen. Die Pestizidindustrie hingegen bestreitet dieses Risiko und besteht darauf, dass sorgfältiges Management einem vollständigen Verbot vorzuziehen sei.
Dennoch: Die Chancen für ein Verbot von Neonicotinoiden könnten jetzt größer geworden sein, nachdem die EU-Kommission bestätigt hat, dass sie die Mitgliedstaaten auffordern wird, am 27. April darüber abzustimmen, ob diese drei Insektizidarten auf eine schwarze Liste gesetzt werden sollen.
Diese Entscheidung der Brüsseler Behörde könnte auch als Reaktion auf ein parteiübergreifendes Schreiben von Europaabgeordneten vom 20. März sein, in dem die Kommission aufgefordert wird, den Vorschlag des EU-Parlaments für ein Verbot zu unterstützen und die Mitgliedstaaten davon zu überzeugen, dies ebenfalls zu tun.
Übersetzung: Tim Steins.
Erschienen bei EurActiv.
Das europapolitische Onlinemagazin EurActiv und der Tagesspiegel kooperieren miteinander.
Sam Morgan
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