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Süßer Stoff. Martin Perschke, Imker aus Storkow, war am Wochenende mit seinem Stand auf der Domäne Dahlem und verkaufte den Honig seiner rund 200 Völker. Das weltweite Bienensterben macht sich auch in seinem Bestand bemerkbar, allerdings nicht so drastisch wie bei manch anderen Imkern in Brandenburg.
© Kai-Uwe Heinrich

Bienensterben in Brandenburg: Warum die Honigsammler auf Berlin fliegen

Jedes fünfte Bienenvolk in Brandenburg hat den Winter nicht überlebt. Jetzt gibt eine „Landflucht“ der Nützlinge – ausgerechnet nach Berlin.

Eigentlich hat Martin Perschke Dachdecker gelernt. „Aber im Sommer droht dabei der Sonnenstich, im Winter frieren die Hände ab – und schlecht bezahlt ist es auch noch“, sagt der 38-Jährige aus dem 260-Einwohner-Ort Selchow bei Storkow im Landkreis Oder-Spree: „Ich wollte etwas tun, was mir mehr Spaß machte, da lagen die Bienen nahe.“

Mit denen ist Martin Perschke von klein auf vertraut, schon sein Urgroßvater, Großvater und Vater betätigten sich als Hobbyimker. Martin Perschke war aber der erste, der die Passion zum Beruf machte. Er gründete eine Ich-AG, begann mit 40 Völkern und vier Hektar Land. Heute, 15 Jahre später, hat er etwa 200 Völker, kann vom Verkauf seines Honigs gut leben und gehört zu den erfolgreichen Berufsimkern Brandenburgs.

Das weltweit beobachtete Bienensterben geht weiter

Und er gehört zu denen mit den wenigsten Verlusten. Denn in diesem Jahr geht das weltweit beobachtete Bienensterben auch hierzulande weiter. Vor einigen Tagen schreckte eine vorläufige Schätzung des brandenburgischen Imkerverbandes die Öffentlichkeit auf. Danach hat etwa jedes fünfte Bienenvolk in der Mark den vergangenen Winter nicht überlebt. Ursache seien vor allem die schwankenden Temperaturen und ein relativ warmer Januar gewesen, hieß es. Daduch hätten sich die gefürchteten Varroa-Milben in der Brut zu gut vermehren können.

Diese in den 70er Jahren aus Asien eingeschleppten Parasiten befallen jene Zellen im Bienenstock, in denen die Brut abgelegt wird. Sie saugen die Larven aus oder fressen den Bienennachwuchs an, was unter anderem zu verkrüppelten Flügeln führt.

Der milde Winter war für die gefährlichen Milben ideal

Bei Minusgraden hören Bienen auf, sich fortzupflanzen, doch der Frost ließ im vergangenen Winter bekanntlich lange auf sich warten. Also wurde in den Bienenstöcken fröhlich weiter Nachwuchs produziert – und damit auch ideale Vermehrungsbedingungen für die Milben.

Foto: dpa, Frank Rumpenhorst
Fleißige Biene - eine mit Pollen beladene Sammlerin im Anflug auf ihre Beute.
© dpa

„Im Normalfall haben wir Verluste von etwa zehn bis fünfzehn Prozent der Bienenvölker“, sagt der Sprecher des Imkerverbandes, Holger Ackermann. Den Winter 2016/17 hatten sogar bis zu 40 Prozent der Bienenvölker nicht überlebt. Doch zum vergangenen Jahreswechsel hatten die 2150 Mitglieder des Landesimkerverbands wieder mehr als 26 000 Völker besessen.

„Mit den schätzungsweise 20 Prozent Schwund dieses Jahres wird es allerdings noch schwieriger, die Verluste wieder auszugleichen“, sagt Ackermann, „auch wenn sich im Mai oder Juni viele Völker teilen, also quasi verdoppeln.“

Berlin gilt als Paradies für Insekten, besonders für Bienen

Zu den etwa 5000 Bienenvölkern, die den Winter nicht überlebten, zählen auch einige von Holger Ackermann, der selbst als Hobbyimker tätig ist. Unter anderem hatte er zwei Völker auf dem Dach der Vertretung Brandenburgs in Berlin aufgestellt. Sie kamen allerdings bereits vor dem Winter, durch das Sturmtief „Xavier“, ums Leben.

Ackermann will hier schon bald wieder neue ansiedeln, denn Berlin – so sagt nicht nur er – sei ein Paradies für Insekten im allgemeinen und für Bienen im besonderen. Das liege vor allem daran, dass in der Großstadt nicht so viele Pestizide zum Einsatz kommen wie im landwirtschaftlich geprägten Brandenburg. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) warnt seit längerem vor allem vor den sogenannten Neonikotinoiden – Nervengifte, die das Orientierungsvermögen der Bienen stören und ihr Immunsystem schwächen.

Die märkischen Monokulturen schaden den Honigsammlern

Aber auch die wegen der Fördergelder von vielen Landwirten bevorzugte Monokulturen schaden den nützlichen Insekten, sagt Ackermann: „Honigbienen brauchen den ganzen Frühling, Sommer und Herbst hindurch Nahrung. Aber ein Rapsfeld blüht eben nur ein paar Wochen – und dann blüht da rein gar nichts mehr.“

Michael Steinbuch vom Berliner Imkerverband will zwar nicht wie viele andere von einer „Insekten- oder Bienenflucht nach Berlin“ sprechen, bestätigt aber, dass Honigbienen in der Hauptstadt nicht nur während der Linden- und Akazienblüte ein sehr gutes Nahrungsangebot finden. „Berlin ist ja nunmal bekanntlich eine grüne Stadt mit sehr vielen Gärten, mit Wald, Wasser und Wiesen“, sagt er. Außerdem zeigten Untersuchungen immer wieder, dass sich beispielsweise Feinstaub oder andere Abgasbelastungen nicht in der Qualität des Berliner Honigs niederschlagen.

In Berlin gibt es immer mehr junge Hobbyimker

Erfreulicherweise steige die Zahl der jüngeren Hobbyimker in Berlin weiter an, freut sich Michael Steinbuch. Der Verband mit mehr als tausend Mitgliedern, von denen jedes im Schnitt fünf Völker betreut, habe alle Hände voll zu tun, an der Imkerei Interessierte zu schulen.

Berufsimker Martin Perschke hat am ersten warmen Wochenende dieses Jahres seinen Honig in der Domäne Dahlem verkauft. Honig, der unter anderem auch aus Berlin stammt, denn wenn die Linden blühen, bringt der Selchower seine Bienen in die Hauptstadt. Daran liege es aber nicht, dass er nur etwa zehn Prozent seiner Völker im Winter verloren hat. „Ich arbeite für Bioland ohne jegliche chemischen Stoffe“, sagt er. „Um mich herum gibt es nur Biobauern und ganz in der Nähe hat die Sielmann-Stiftung Flächen, die naturbelassen und so ideal für Honigbienen sind.“

Ohne Bienen müssten Menschen nicht nur auf Honig, sondern auch auf Obst, Gemüse, Nüsse oder Kräuter verzichten, die allesamt auf Bestäubung angewiesen sind. Deshalb fordert der brandenburgische Imkerverband, dass sich die Landesregierung für eine bienen- und damit menschenfreundlichere Landwirtschaft stark macht. „Es müssen endlich bestimmte Pestizide wie Glyphosat verboten und jene Landwirte gefördert werden, die die Fruchtfolge beachten, also zwischen den Kulturen wechseln und dem Land auch mal eine Ruhepause gönnen“, sagt Holger Ackermann: „Der Boden soll die Pflanzen ernähren und nicht der chemische oder gar giftige Cocktail.“

"Kaufen Sie am besten Honig aus der Region!"

Gegen das Bienensterben könne aber auch jeder andere etwas tun. Beispielsweise, indem man im eigenen Garten lieber eine Wiese an Stelle des Edelrasens anlege. Oder einfach nur Honig kaufe. Aber möglichst nicht den, wo drauf stehe „Aus EU und Nicht-EU-Ländern“, rät Ackermann: „Das sagt ja wohl nur, dass der Honig von der Erde kommt und nicht vom Mars. Nein – Honig kauft man am besten bei einem Imker aus der Region, den man kennt und in die Augen schauen kann.“

Bienen-Schützer. Demo der Grünen Jugend Potsdam auf der Langen Brücke gegen den Einsatz des Totalherbizides Glyphosat.
Bienen-Schützer. Demo der Grünen Jugend Potsdam auf der Langen Brücke gegen den Einsatz des Totalherbizides Glyphosat.
© Andreas Klaer

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