Was hat Putin als Nächstes vor?: Biden fürchtet, dass Russland die ukrainische Regierung stürzen will
Die USA warnen vor den nächsten Schritten des russischen Militärs. Einen Ausschluss Russlands aus dem Zahlungssystem Swift setzt Biden vorerst nicht um.
US-Präsident Joe Biden will Russland vorerst nicht aus dem internationalen Zahlungssystem Swift ausschließen. Dieser Schritt sei aber weiterhin eine Option, betonte Biden am Donnerstagabend bei seiner Ansprache im Weißen Haus, bei der er „harte“ Sanktionen der G7-Industriestaaten als Reaktion auf den russischen Einmarsch in die Ukraine ankündigte.
Biden kündigte am Donnerstagabend den Ausschluss russischer Großbanken vom US-Finanzmarkt und Geschäften in US-Dollar an. Außerdem solle „mehr als die Hälfte der High-Tech-Importe Russlands abgeschnitten“ werden.
„Die gegen ihre Banken verhängten Sanktionen werden genauso folgenreich – oder vielleicht folgenreicher – sein als Swift“, sagte Biden. Ein Ausschluss aus dem in Belgien ansässigen internationalen Zahlungssystem wird oft als extremer Schritt beschrieben, zumal davon auch Russlands Handelspartner indirekt betroffen wären. Es würde Banken dabei nahezu unmöglich werden, Geld in oder aus dem Land zu transferieren.
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Einen Ausschluss aus Swift hat am Donnerstagnachmittag unter anderem der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba über den Kurznachrichtendienst Twitter gefordert. „Jeder, der jetzt bezweifelt, ob Russland von Swift ausgeschlossen werden sollte, muss verstehen, dass das Blut unschuldiger ukrainischer Männer, Frauen und Kinder auch an seinen Händen kleben wird.“
Dass Biden diesen Schritt noch nicht gehen will, hat wohl vor allem mit der ablehnenden Haltung der Europäer zu tun. Russland von Swift auszuschließen sei nicht die Richtung, in die Europa im Moment gehen wolle, sagte Biden.
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Das bestätigt eine Äußerung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Donnerstagabend. Scholz forderte ein umfassende Sanktionspaket der EU mit „präzisen Maßnahmen“ gegen Russland, will aber den Ausschluss Russlands aus dem Swift-Zahlungssystem für ein späteres Paket aufheben. In der Regierung hatte es zuvor geheißen, dass die Umsetzung eines Swift-Ausschlusses erhebliche Zeit der Vorbereitung brauche und man jetzt schnell wirkende Maßnahmen benötige.
Einem Bericht des Senders CNN zufolge ist die EU in dieser Frage gespalten. CNN beruft sich dabei auf Quellen in hochrangigen EU-Kreisen. Die osteuropäischen Staaten Polen, Estland, Lettland und Litauen drängen demnach auf einen Swift-Ausschluss, während Deutschland, Italien, Ungarn und Zypern ihrer stärkeren Wirtschaftsbeziehungen zu Russland wegen diesen Schritt zu verzögern versuchten.
Der Quelle zufolge sei es „wahrscheinlich“, dass diese ökonomischen Interessen überwiegen werden.
Szenarien für die Einnahme Kiews
Die US-Regierung fühlt sich angesichts der russischen Attacke auf die Ukraine in ihren Warnungen bestätigt. „Seit Wochen haben wir davor gewarnt, dass dies geschehen würde. Und nun entwickelt es sich weitgehend so, wie wir es vorhergesagt haben“, sagte Biden bei der Ansprache.
Die US-Regierung sei gegenüber der Welt sehr transparent gewesen und habe auch als geheim eingestufte Informationen über Russlands Pläne veröffentlicht, um zu verhindern, dass Kremlchef Wladimir Putin seine wahren Absichten verschleiern könne.
In den vergangenen Wochen und Monaten hatte die US-Regierung in zunehmend dramatischer Tonlage vor einem drohenden russischen Einmarsch in die Ukraine gewarnt. Von verschiedenen Seiten hatte es Kritik gegeben, dies sei Alarmismus und trage nur zu einer Zuspitzung der Lage bei.
Die konkreten Szenarien der Amerikaner gehen davon aus, dass Russland im Zuge seines Angriffs auf die Ukraine die Regierung in Kiew stürzen will. Die russischen Streitkräfte hätten „die Absicht, die Regierung zu entmachten und ihre eigene Regierungsform zu installieren, was diese ersten Schritte in Richtung Kiew erklären würde“, sagte ein führender Vertreters des US-Verteidigungsministeriums am Donnerstag einer Mitschrift des Pentagons zufolge. Die Handlungen der Russen seien darauf ausgerichtet, wichtige Bevölkerungszentren einzunehmen.
Kein Kommentar zu China
Darüber, ob China bei internationalen Strafmaßnahmen gegen Russland ins Boot geholt werden könnte, wollte sich Biden explizit nicht äußern. „Ich bin nicht im Moment nicht bereit, dazu einen Kommentar abzugeben“, sagte er. Die chinesische Regierung hat sich bislang geweigert, Russlands Einmarsch zu verurteilen, und warf der US-Regierung sogar vor, Öl ins Feuer zu gießen.
Auch die Großmacht Indien ist bislang zögerlich, was weitere Schritte gegen Russland angeht. „Wir waren heute in Beratungen mit Indien“, sagte Biden dazu. „Wir haben das noch nicht komplett aufgelöst“. Premierminister Narendra Modi forderte am Donnerstag Putin in einem Telefonat zu einem sofortigen Waffenstillstand und dem Rückkehr an den Verhandlungstisch auf, wie er in einem Statement bekannt gab.
„Präsident Modi wiederholte seine seit Langem bestehende Überzeugung, dass die Differenzen zwischen Russland und der Nato nur durch ehrlichen und ernsthaften Dialog aufgelöst werden können.“ Indien hat unter anderem Waffensysteme im Wert von fünf Milliarden US-Dollar von Russland gekauft. (Tsp/dpa/Reuters)