US-Präsident verteidigt Truppenabzug: Biden erklärt Kampf gegen Taliban zur Sache der Afghanen
Die Taliban nehmen in Afghanistan eine Stadt nach der anderen ein. Für US-Präsident Joe Biden ist das nun ein Problem der Regierung in Kabul.
Der Vormarsch der militant-islamistischen Taliban ist nach Ansicht der US-Regierung nunmehr ein Problem der Afghanen. Angesichts des weitgehend abgeschlossenen Abzugs der internationalen Truppen sagte US-Präsident Joe Biden, die Afghanen müssten nun „selbst kämpfen, um ihren Staat kämpfen“. Ihre Streitkräfte seien den Taliban militärisch überlegen, auch in Bezug auf die Truppenstärke. „Aber sie müssen auch kämpfen wollen“, sagte Biden am Dienstag (Ortszeit) im Weißen Haus. Die Taliban nahmen unterdessen in kurzer Folge die neunte Provinzhauptstadt ein.
Der US-Präsident appellierte an die politische Führung in Kabul, an einem Strang zu ziehen. Wörtlich sagte er: „Ich glaube, sie beginnen zu verstehen, dass sie an der Spitze politisch zusammenkommen müssen.“ Biden versprach, die USA würden die afghanischen Sicherheitskräfte weiterhin finanziell und militärisch unterstützen. Er werde jeden Tag über die Lage unterrichtet.
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Mit Blick auf den von ihm angeordneten Abzug der US-Soldatinnen und Soldaten fügte der Präsident hinzu: „Aber ich bedauere meine Entscheidung nicht.“ Zum Zeitpunkt der Entscheidung hatten die USA noch rund 2500 Soldaten in Afghanistan. Inzwischen ist der Abzug zu mehr als 95 Prozent abgeschlossen. Die Streitkräfte hätten inzwischen Material ausgeflogen, das der Ladung von rund 984 Transportflugzeugen vom Typ Boeing C-17 entspräche, erklärte das US-Militär. Bis zum Monatsende soll der Abzug komplett beendet sein. Die Bundeswehr und die Soldaten anderer NATO-Länder haben Afghanistan bereits verlassen.
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Bidens Sprecherin Jen Psaki sagte am Dienstag, die US-Regierung werde die afghanischen Sicherheitskräfte weiterhin finanziell unterstützen. Für das nächste Jahr seien dafür im Haushaltsentwurf 3,3 Milliarden US-Dollar (2,8 Milliarden Euro) eingeplant.
Biden habe den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan befohlen, weil das ursprüngliche Ziel des Einmarschs vor fast 20 Jahren - das Zurückschlagen der Terrorgruppe Al-Kaida - längst erreicht sei. „Er hat als Oberbefehlshaber entschieden - und das sind schwierige Entscheidungen“, sagte Psaki.
Taliban erobern weitere Provinzhauptstädte
Die militant-islamistischen Taliban haben auf ihrem schnellen Vormarsch in Afghanistan eine neunte Provinzhauptstadt in weniger als einer Woche erobern können. Mit Faisabad sei die Hauptstadt der nordöstlichen Provinz Badachschan in die Hände der Islamisten gefallen, bestätigten ein Provinzrat und ein Parlamentsvertreter der Provinz der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch. Damit kontrollieren die Taliban nun die Hauptstädte von neun der 34 afghanischen Provinzen.
Nur Stunden vor dem Fall von Faisabad nahmen die Aufständischen am Dienstag die Provinzhauptstädte Pul-i Chumri in der nördlichen Provinz Baghlan und Farah in der gleichnamigen Provinz im Westen des Landes ein.
Seit dem Beginn des Truppenabzugs der USA Anfang Mai haben sie massive Gebietsgewinne verzeichnet. Die Taliban hatten schon von 1996 bis zur US-geführten Intervention 2001 weite Teile Afghanistans unter ihrer Kontrolle. Inzwischen ist der Abzug zu mehr als 95 Prozent abgeschlossen. Auch die deutsche Bundeswehr und die Soldaten anderer NATO-Länder haben Afghanistan bereits verlassen.
Angesichts dieses rasanten Eroberungszuges rechnen US-Geheimdienste einem Medienbericht zufolge damit, dass die Hauptstadt Kabul viel früher in die Hände der Aufständischen fallen könnte als bisher von den USA angenommen. Der Zusammenbruch könnte in 30 bis 90 Tagen erfolgen, berichtete die „Washington Post“ am Dienstag (Ortszeit) unter Berufung auf nicht genannte Quellen in den US-Geheimdiensten. Noch im Juni hatten US-Geheimdienstmitarbeiter die Lage so eingeschätzt, dass Kabul in einem Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten nach dem Abzug des US-Militärs unter Kontrolle der Taliban geraten könnte.
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Der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, warnte unterdessen vor einem erneuten Eingreifen des Westens in Afghanistan. Ob sich dort „künftig wieder die Schreckensherrschaft der Taliban etabliert, muss für die Nachbarn und regionalen Mächte als Gefährdung der Stabilität mindestens genauso große Besorgnisse erregen, wie für die transatlantischen Partner“, sagte Ischinger der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ vom Mittwoch. Er verwies dabei insbesondere auf China, Indien, Pakistan, Russland und den Iran. Deshalb sei hier in erster Linie der UN-Sicherheitsrat gefragt, denn es gehe um zentrale Fragen regionaler Stabilität. (dpa)