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Bernie Sanders bei einer Wahlveranstaltung in New Hampshire.
© Andrew Burton/Getty Images/AFP

Vorwahlen in New Hampshire: Bernie Sanders ist Favorit - und sonst vieles unklar

Hillary Clinton hat sich schon mit der Niederlage in New Hampshire abgefunden. Bei den Republikanern ist die Lage komplizierter.

Der Schneefall in New Hampshire hat in der Nacht zu Dienstag, dem Wahltag, aufgehört. Am Montag hatten eisige Straßen und Temperaturen von minus acht Grad die Wählerversammlungen der Präsidentschaftskandidaten in dem Neuengladstaat an der Grenze zu Kanada behindert. So war eine offene Frage für die Prognosen, ob die winterlichen Straßenverhältnisse die Wahlbeteiligung drücken – und wem das nützen würde. Hillary Clinton nach allgemeiner Erwartung eher nicht. Ihre Anhänger sind im Schnitt deutlich älter als die ihres demokratischen Rivalen Bernie Sanders. Und ältere Menschen würden bei Eis und Schnee eher zu Hause bleiben als hoch motivierte Jugendliche.

Bei den Demokraten schien die Richtung freilich ohnehin klar. Im Schnitt der Umfragen für diesen Staat liegt Sanders mit 54 zu 41 Prozent vor Clinton. Sie habe sich mit einer Niederlage abgefunden, interpretierten Kommentatoren ihre Entscheidung, am Montag nach Flint in Michigan zu fliegen, um Solidarität mit den Opfern eines Trinkwasserskandals zu zeigen. Das Trinkwasser ist mit Blei hoch belastet und die Behörden haben seit Monaten keine Gegenmaßnahmen getroffen. Michigan stimmt am 8. März über den Wunschkandidaten ab und vergibt mehr Delegierte für den Nominierungsparteitag als New Hampshire.

Hillary Clinton hat nur Frauen über 45 Jahre mehrheitlich auf ihrer Seite

Am Montag Abend war Clinton zurück in New Hampshire und warb bei ihrer Schlusskundgebung in Hudson nochmals gezielt um weibliche Stimmen. Diese Strategie hat Kontroversen ausgelöst. Am Wochenende hatte die frühere Außenministerin Madeleine Albright für Hillary mit dem Satz geworben: "Es gibt einen speziellen Ort in der Hölle für Frauen, die andere Frauen nicht unterstützen." Anhängerinnen von Bernie Sanders konterten in den sozialen Medien und in Fernsehinterviews mit einer Ableitung: "Es gibt einen speziellen Ort in der Hölle für Frauen, die ihre Wahlentscheidung allein vom Geschlecht abhängig machen." Hillary Clinton hat nur die Frauen im Alter über 45 Jahre mehrheitlich auf ihrer Seite. Je jünger die Wählerinnen, desto höher der Anteil, der Bernie Sanders vorzieht.  Es ist also eher eine Generationen- als eine Geschlechterfrage.

Wichtig für den weiteren Verlauf ist die Höhe des erwarteten Sanders-Siegs. Unter zehn Prozent Vorsprung würde als Enttäuschung für ihn und Hinweis auf Probleme in seiner Kampagne gewertet. Ein Vorsprung zwischen zwölf und 17 Prozent gilt als zu erwartende Bandbreite, die wenig daran ändern würde, wie die Öffentlichkeit die beiden Kandidaten und ihre Chancen im Wahljahr bewertet. Ein höherer Vorsprung würde so interpretiert, dass Sanders an Momentum gewinnt, zu einer ernsthaften Alternative als Präsidentschaftskandidat wird und Clinton ein ernstes Problem mit ihrer Wahrnehmung hat. Dann müsste sie wohl ihre Strategie verändern und Personal in ihrer Kampagne austauschen.

Die Lage bei den Republikanern ist komplizierter

Komplizierter ist die Lage bei den Republikanern. Die Umfragen suggerieren im Schnitt zwar ein klares Bild: Donald Trump 31 Prozent, Marco Rubio 14, John Kasich 13, Ted Cruz 12, Jeb Bush elf, Chris Christie sechs. Die Erhebungen in New Hampshire sind aber chronisch unzuverlässig, weil das Wahlsystem zu viele Variable zulässt und so die Prognose erschwert. Anders als in Iowa dürfen hier alle Wahlberechtigten teilnehmen und sich auch erst im Wahllokal entscheiden, ob sie diesmal bei den Demokraten oder den Republikanern abstimmen. Die Stammwähler der beiden Lager tun das überwiegend in "ihrer" Partei. Die "Independents" jedoch, die nicht parteigebundenen Wähler, stimmen am Ende oft dort ab, wo sie meinen, den größeren Einfluss nehmen zu können. In diesem Jahr sind das die Republikaner. Nach Erhebungen vom Montag hatten sich 40 Prozent der Wähler noch nicht festgelegt, für wen sie stimmen. Die Independents sind mit 44 Prozent der Wähler die größte Gruppe, die eingetragenen Demokraten stellen 26 Prozent, die Republikaner 30 Prozent.

Donald Trump und Jeb Bush tauschten bei ihren letzten Auftritten scharfe persönliche Angriffe bis hin zu Beleidigungen aus. Trump nannte Bush "kindisch" und diagnostizierte einen "nervösen Breakdown" bei ihm. Bush bezeichnete Trump als "Verlierer", "Lügner" und "Quengler" und warf ihm vor, er versuche die Republikanische Partei mit populistischen Parolen "als Geisel zu nehmen".

Ihre persönliche Kontroverse steht für die Machtfrage. Das Parteiestablishment möchte einen moderaten Kandidaten, im Idealfall mit Regierungserfahrung als Gouverneur, weil das die Siegchancen in der Hauptwahl erhöht. Dafür stehen die Namen Jeb Bush, John Kasich, Chris Christie sowie, wenn auch ohne Regierungserfahrung, Marco Rubio. Die Parteibasis tendiert zu einem ideologisch verlässlichen Rechten wie Ted Cruz, der die erste Vorwahl in Iowa gewann.

Donald Trump ist auf der Rechts-Links-Skala schwer einzuordnen

Und dann ist da noch Donald Trump, der auf der Rechts-Links-Skala schwer einzuordnen ist. Er war schon alles in seinem Leben: Demokrat, Unabhängiger, jetzt Republikaner. 2016 wirbt er mit "rechten" Versprechen um die ökonomisch und politisch Enttäuschten.

Hier weitere Punkte, auf die sich – neben, erstens, der Höhe des Sanders-Siegs - zu achten lohnt, zweitens: Kann Donald Trump diesmal die Zustimmung in Umfragen in Wählerstimmen umsetzen? In Iowa hatte er deutlich darunter gelegen und war nur Zweiter geworden. Gewinnt er mit weniger als zehn Prozent Vorsprung – oder sinkt sein Stimmenanteil unter 25 Prozent -, würden die Zweifel an ihm wachsen. Gelingt ihm dagegen ein Sieg mit 15 oder mehr Prozentpunkten Vorsprung, würde er seine Rolle als zornige "Stimme des Volkes", die man ernsthaft für die Nominierung in Betracht ziehen muss, stärken.

Kann Marco Rubio an den Überraschungserfolg von Iowa anknüpfen?

Drittens: Wer von den drei Gouverneuren (Bush, Kasich und Christie) schneidet stark ab? Wäre nur einer von ihnen im Rennen und würde alle Stimmen für dieses Kandidatenprofil auf sich ziehen, wäre diese Person der wohl chancenreichste Bewerber um die Nominierung. "Populist" Trump und "Ideloge" Cruz sehen im Ranking vor allem deshalb so stark aus, weil die moderaten Wählerstimmen sich aufspalten. Der Druck aus dem Parteiapparat wird wachsen, dass nur der Sieger aus dem Trio im Rennen bleiben und die anderen beiden aufgeben sollen.

Viertens: Kann Marco Rubio an den Überraschungserfolg von Iowa anknüpfen, wo er mit einem starken Ergebnis Dritter wurde? Oder schadet ihm sein Patzer in der letzten TV-Debatte, wo er einen Satz über Obama drei Mal wiederholte und wie ein Schüler wirkte, der nur auswendig Gelerntes von sich gibt? Gelingt es Rubio, alle drei Gouverneure auch in New Hampshire hinter sich zu lassen, steigen seine Chancen, zum Favoriten des moderaten Flügels der Republikaner zu werden. 

Die Wahllokale in New Hampshire schließen zu unterschiedlichen Zeiten, manche haben bis 20 Uhr (Ortszeit/2 Uhr MEZ am Mittwoch) geöffnet.
Die Wahllokale in New Hampshire schließen zu unterschiedlichen Zeiten, manche haben bis 20 Uhr (Ortszeit/2 Uhr MEZ am Mittwoch) geöffnet.
© AFP

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