Wahlkampf mit Hillary Clinton: Bernie Sanders - fantasielos und rechthaberisch
Der Kandidat gibt groß bei: Nach langem Zögern erklärt der unterlegene Bernie Sanders seine Unterstützung für Hillary Clinton - und tut so, als habe sie sein Programm übernommen. Ein Kommentar.
Bernie Sanders wäre wohl kein guter Präsident geworden. Ihm fehlt das Gespür für gutes Timing. Und für die angemessene Tonlage. Seine Unterstützungserklärung am Dienstag in New Hampshire kam entweder viel zu spät oder zwei Wochen zu früh. Und warum ausgerechnet dieser Zeitpunkt - parallel zur Trauerfeier in Dallas nach den Schüssen auf weiße Polizisten? Der Inhalt seiner Rede beim gemeinsamen Wahlkampfauftritt war fantasielos und rechthaberisch.
Den richtigen Moment hat Sanders verpasst
Fünf Wochen sind seit dem letzten großen Vorwahltag Anfang Juni vergangen. Schon damals hatte Hillary Clintons einen uneinholbaren Vorsprung vor ihrem linken Rivalen um die Präsidentschaftskandidatur der US-Demokraten. Aber er weigerte sich störrisch, seine Niederlage einzugestehen und von nun an sie zu unterstützen. Seinen Anhängern versprach er, den Kampf bis in den Nominierungsparteitag Ende Juli in Philadelphia zu tragen.
Das war eine Positionierung, die er nicht durchhalten konnte. Sanders hätte das wissen müssen. Hat er wirklich geglaubt, der Preis für sein Einlenken werde steigen, je länger er warte? Dann ist er ein lausiger Stratege. Einige Tage später empfing Präsident Barack Obama ihn im Weißen Haus, um ihm für einen guten Wahlkampf zu danken - und erklärte gleich anschließend, er betrachte nun Clinton als die Kandidatin der Demokraten und werde für sie Wahlkampf führen. Kurz darauf wurde Sanders' Fehlkalkulation offensichtlich: Nach dem Attentat auf einen Homoesexuellen-Club in Orlando wollten die Medien zwar wissen, was Donald Trump, Hillary Clinton und Barack Obama dazu sagen. Für Sanders interessierten sie sich nicht mehr.
Clinton macht nur kleine Zugeständnisse
An der angekündigten Strategie festhalten und bis zum Parteitag durchhalten, das hat Sanders nun aber auch nicht vollbracht. In längeren Gesprächen handelten die Sanders- und die Clinton-Berater die Kapitulationsbedingungen aus: Sie kommt ihm in zwei wichtigen Kernpunkten entgegen und baut die Forderungen nach einer Ausweitung der Krankenversicherung und nach einer erheblichen Reduzierung der Studiengebühren an den staatlichen Hochschule in ihr Programm ein. Er darf auf dem Parteitag sprechen, zu einem herausgehobenen Zeitpunkt. Von personellen Zugeständnissen war offenbar nicht die Rede.
Manche Anhänger weinen
Und das soll's gewesen sein nach so viel öffentlichem Trara? Das Erstaunen lässt sich in den US-Medien zwischen den Zeilen lesen. "Politico" resümmiert, Sanders politische Zukunft sei unklar und er habe einige seiner Anhänger enttäuscht. Sie hatten erwartet, dass er länger durchhält, und brachen in Tränen aus, als sie ihn - aus ihrer Sicht: so früh - an Hillarys Seite in New Hampshire sahen.
Für eine Rede, deren Ziel es war, seine Unterstützung für Clinton auszusprechen, war der Inhalt irritierend: Er sprach offen aus, es sei "kein Geheimnis, dass Außenministerin Clinton und ich in vielen Punkten unterschiedlicher Meinung sind". Auf einige Sätze reagierten enge Mitarbeiter Clintons mit sichtbar überraschtem Mienenspiel.
Musste es derart peinlich sein?
Die "New York Times" bewertet den Sanders-Auftritt als "nicht inspirierend". Es sei verständlich, dass er inhaltlich nicht kapitulieren konnte, "aber musste es derart peinlich sein"? Im Wesentlichen wiederholte Sanders zentrale Passagen seiner Wahlkampfreden, als er noch gegen Clinton kämpfte. Nur ließ er jetzt die Sätze weg, in denen er sie früher "korrupt" genannt oder ihr die Fähigkeit zur Präsidentschaft abgesprochen hatte.
Menschlich ist das nachvollziehbar. Wer gibt schon gerne klein bei? Sanders versuchte, groß beizugeben, indem er so tat, als habe Clinton seine Positionen im Wesentlichen übernommen. Aber bei so wenig Bemühen um einen Auftritt, der Respekt einflößt, und um eine Rede, die rhetorisch ausgefeilt ist und die Anhänger in die neue Phase mitnimmt, liegt der Schluss nahe: Politisch Entscheidendes muss man von Bernie Sanders nicht mehr erwarten. Wenn der Parteitag vorüber ist, wird Amerika nicht mehr viel von ihm hören.