Scharfe Töne der US-Demokraten: Bernie Sanders: Clinton "nicht qualifiziert" Präsidentin zu werden
Nach sechs Wahlsiegen in Folge stellt Herausforderer Sanders die Kernkompetenz der Favoritin Clinton in Frage: ihre Erfahrung. Kann er sie stoppen?
Bernie Sanders hat sechs Vorwahlen in Folge gewonnen. Am Samstag kann in Wyoming ein siebter Sieg hinzu kommen, bevor sich das Ringen um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten wieder in Staate verlagert, in denen Hillary Clinton Vorteile hat, voran New York und Pennsylvania.
In dieser Lage hat Sanders den Ton verschärft: "Clinton ist nicht qualifiziert, Präsidentin zu werden." Super-Pacs, die ihre Bewerbung unterstützen, akzeptierten Millionen-Spenden von Unternehmen. Sie selbst nehme hohe Redehonorare von Banken. Damit begebe sie sich in Abhängigkeit von Unternehmen, deren Macht und Einfluss sie doch angeblich begrenzen wolle. Außerdem habe sie als Senatorin den Irakkrieg unterstützt. Und sie habe für Freihandelsabkommen gestimmt, obwohl sie solche Verträge heute als Fehler bezeichne.
Neues Niveau der Auseinandersetzung
Auf einer Wahlkampfveranstaltung in Pennsylvania sagte Sanders: "Ich glaube, sie ist nicht qualifiziert, wenn sie -zig Millionen Dollar von speziellen Interessengruppen nimmt. Ich glaube nicht, dass jemand, der für den verheerenden Irakkrieg gestimmt hat, qualifiziert ist. Ich glaube nicht, dass du qualifiziert bist, wenn du nahezu jedes verheerende Handelsabkommen unterstützt hast."
"Nicht qualifiziert" - das ist aus Sanders Mund ein neues Niveau der Auseinandersetzung. In früheren Wahlkampfphasen hatte er sich zugute gehalten, dass er den negativen und herabsetzenden Stil der Auseinandersetzung der Republikaner vermeide. Und Clinton sogar in Schutz genommen, als die Konservativen sie wegen der Affäre um den Gebrauch ihres privaten Email-Servers für dienstliche Korrespondenz als Außenministerin angriffen. Er könne das nicht mehr hören, sei "krank und müde" von der Aufbauschung der Vorwürfe.
Zugleich ist seine neue "Attack Line" nur eine Retourkutsche. Denn Clinton hebt in jeder Wahlkampfrede hervor, dass kein anderer Kandidat mehr Erfahrung habe als sie. Und dann schließt sie meist die Frage an, was denn Sanders qualifiziere, Präsident zu werden?
Angriff auf die Kernkompetenz
Beide greifen sich gezielt bei den Themen an, die das jeweils andere Lager als Kernkompetenz herausstellt. Clinton ist aus Sicht ihrer Anhänger durch ihre bisherige Laufbahn besser vorbereitet auf das höchste Amt als nahezu alle Präsidenten der letzten Jahrzehnte. Sie war First Lady, Senatorin für den Staat New York und Außenministerin. Der Vorwurf "Nicht qualifiziert" mit drei durchaus ernstzunehmenden Kritikpunkten zielt auf den Kern ihrer Bewerbung.
In ähnlicher Weise attakiert Clinton Sanders auf dem Feld an, das dessen Anhänger für den Kern seiner Kompetenz halten: die Kritik an der Wall Street und den dort üblichen Geschäftsmethoden. Als es um die Reform der Finanzaufsicht ging, habe Sanders "seine Hausaufgaben nicht gemacht", behauptet Clinton.
Am Sonnabend halten die Demokraten in Wyoming, einem bevölkerungsarmen Staat am Fuß der Rockie Mountains, ihre Vorwahl ab. Dort sind nur 14 Delegierte zu holen. Aber ein siebter Sieg in Folge würde Sanders in der öffentlichen Wahrnehmung Rückenwind verschaffen.
Kann er sie noch einholen - bei 250 Delegierten Vorsprung?
Den braucht er, um den Anschein aufrecht zu erhalten, dass das Rennen nicht längst entschieden ist. Clinton hat bereits 1280 Delegierte, 250 mehr als Sanders (1030). Und da die Demokraten die Vorwahlergebnisse proportional in Delegierte umrechnen, bräuchte Sanders Kantersiege bei den verbleibenden Vorwahlen, um diesen Vorsprung aufzuholen. Da sind die "Superdelegierten" noch gar nicht eingerechnet, also Amtsträger der Demokraten, die als Abgeordnete, Senatoren, Gouverneure etc. ebenfalls eine Stimme beim Parteitag haben. 469 haben ihre Unterstützung für Clinton erklärt, nur 31 für Sanders. Superdelegierte sind frei, ihr Abstimmungsverhalten zu ändern. Aber nach menschlichem Ermessen hat Sanders kaum noch Chancen, Clinton zu stoppen.
Wie will er, zum Beispiel, am 19. April in New York und Pennsylvania die nötigen Kantersiege erzielen? In den Umfragen führt sie mit rund zehn Prozentpunkten in New York und mit etwa 18 Prozentpunkten in Pennsylvania.