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Klaus Wowereit will die Spiele, wer noch?
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Tempelhofer Feld, A 100, Olympia: Berlins Senat und seine lästigen Bürger

Mehr Dialog mit den Bürgern, bessere Kommunikation, Volksbefragungen - alles sollte nach der Abstimmung über das Tempelhofer Feld anders werden. So lautete das Versprechen des Senats. Doch der Bürger bleibt bei wichtigen Entscheidungen immer noch außen vor. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Lorenz Maroldt

Sind Sie für Olympia oder dafür – ja oder ja? Falls ja, dann nennen Sie uns bitte hier Ihre besten Gründe, und falls ja, dann auch. Das ist, Stand heute, typisch für die aktuelle Art der Berliner Bürgerbeteiligung, zu besichtigen auf einer neuen Senats-Website.

Alles sollte anders werden, so lautete das Versprechen, nachdem die Koalition mit Karacho vom Tempelhofer Feld gejagt worden war: mehr Dialog mit den Bürgern, bessere Kommunikation, Senatsinitiative, Volksbefragungen, Verfassungsänderungen. Dem ersten Trotz nach der Niederlage folgte die Erklärung in Demut: Wir haben verstanden, wir haben gelernt. Aber was?

Am südlichen Stadtrand will der Senat 500 günstige Mietwohnungen auf die Buckower Felder bauen, dagegen regt sich Widerstand, ein Bürgerbegehren beginnt. Was macht der Senat? Er will den Acker in der nächsten Woche mit dem Prädikat "Außergewöhnliche gesamtstädtische Bedeutung" adeln, darauf haben sich Michael Müller und Frank Henkel geeinigt.

Damit ist dem Bezirk die Zuständigkeit entzogen, das Bürgerbegehren ist wertlos, ein Dialog erübrigt sich. Mitten durch Berlin will der Senat die A 100 verlängern bis nach Friedrichshain. Proteste dagegen werden ignoriert. Die von der Koalition angekündigten Gespräche mit der Opposition über eine Verfassungsänderung zu Volksbefragungen wurden abgesagt. Und so weiter und so fort.

Für diesen Zustand gibt es drei Gründe: Erstens die politische Diffusion im Zuge der fast viermonatigen Abschiedstournee von Klaus Wowereit, der Selbstfindung der SPD und der gefälligen Zuwarterei der CDU. Zweitens die politische Ratlosigkeit, zwischen den Erfordernissen einer dynamischen Stadtentwicklung und der verbreiteten "Not in my backyard"-Mentalität einen Berliner Weg zu finden. Drittens die Unfähigkeit zur Kommunikation beziehungsweise die Verweigerung derselben im Gestus der Überheblichkeit.

Krass: Das Beispiel Olympia

Am Beispiel Olympia zeigt sich das besonders krass. Abgesehen von einigen privatwirtschaftlichen Initiativen findet das Thema bisher weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, die halbherzig platzierten Onlinebefragungen sind nicht mehr als ein fadenscheiniges Alibi, ein Konzept ist ebenso wenig erkennbar wie ein Engagement, das neben pflichtschuldig vorgetragenen Fakten auch aufs Gefühl zielt.

Wie die Leute im Februar, wenn Berlin am wintergrauslichsten ist und der Ärger über städtische Organisationsunfähigkeit traditionell am größten, auf fröhlichste Olympia-Hurra- Stimmung getrimmt werden sollen, auf dass sie mit großer Mehrheit Ja und Ja stimmen, bleibt das Geheimnis der Senatskanzlei. Die gilt inzwischen bei denen, die Olympia wirklich wollen, sowieso als Totalausfall: zu wenig Köpfe, zu wenig Ideen, zu wenig Emotionen, stattdessen trügerische Selbstgewissheit – das IOC funktioniert dann eben doch etwas anders als die Sozialistische Internationale.

Wenn sie es ernst meinen würden mit der Bürgerbeteiligung, dann müssten sie kämpfen, die Senatolympioniken, und andere Fragen stellen, zum Beispiel diese: Sind Sie gegen Olympia oder dagegen – nein oder nein? Falls nein, dann nennen Sie uns bitte hier ihre schlimmsten Gründe. Wir werden alles dafür tun, darauf einzugehen, um Sie zu überzeugen. Aber das wäre ja ungleich mühsamer.

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