Andreas Kalbitz nah am Karriereende: Berliner Landgericht hält Rauswurf aus der AfD für rechtmäßig
Jubel im Lager von AfD-Chef Jörg Meuthen: Andreas Kalbitz kann sich nicht in die Partei zurückklagen. Ein Meuthen-Fan sagt: „Wir atmen alle auf.“
Die politische Karriere von Andreas Kalbitz scheint erstmal vorbei zu sein. Das Berliner Landgericht wies am Freitag den Antrag des Ex-Chefs der Brandenburger AfD auf eine einstweilige Verfügung gegen seinen Parteiausschluss ab. Es könne nicht festgestellt werden, der Beschluss des Bundesvorstands der AfD sei „evident rechtswidrig“ gewesen, sagte der Vorsitzende Richter der 43. Zivilkammer, Hans-Joachim Luhm-Schier, in der Urteilsbegründung.
Die Führung der AfD hatte am 15. Mai Kalbitz’ Parteimitgliedschaft für nichtig erklärt. Kalbitz wandte sich schon damals mit einem Eilantrag ans Landgericht, eine andere Kammer entschied am 19. Juni für den Politiker. Doch das Bundesschiedsgericht der AfD bestätigte am 25. Juli den Rauswurf. Prompt zog Kalbitz wieder zum Gericht.
Anlass für den Dauerkonflikt ist die mutmaßliche frühere Mitgliedschaft von Kalbitz in der 2009 verbotenen Neonazi-Truppe „Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ)“ und bei den „Republikanern“, die der Verfassungsschutz lange als rechtsextrem eingestuft hatte. Nach Ansicht des AfD-Vorstands hat Kalbitz seine braune Vergangenheit verschwiegen und hätte 2013 nicht in die Partei aufgenommen werden dürfen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz verfügt über eine Liste der HDJ, in der eine „Familie Andreas Kalbitz“ unter der Mitgliedsnummer 01330 geführt wird.
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Erfolg für Jörg Meuthen
Die Entscheidung des Gerichts ist ein Erfolg für AfD-Chef Jörg Meuthen, der mit seinem Kampf gegen Kalbitz auch die parteiinterne, rechtsextreme Vereinigung „Der Flügel“ stutzen will. Im „Flügel“, der sich im April angeblich selbst auflöste, war Kalbitz einer der Wortführer. Meuthen hatte maßgeblich auf den Parteiausschluss von Kalbitz hingewirkt.
Noch im Landgericht triumphierte einer der Verbündeten Meuthens. „Wir können alle aufatmen“, sagte Alexander Wolf, Chef der AfD-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft. Mit der Entscheidung der Richter „ist das Kapitel Andreas Kalbitz politisch geschlossen“.
Wolf äußerte auch Kritik am AfD-Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland, der sich gegen den Ausschluss von Kalbitz gewandt hatte. Gauland habe „in den letzten Tagen und Wochen mehrmals unglücklich agiert“, sagte Wolf. Gauland selbst tauchte am Morgen mit eisiger Miene im Gericht auf - und ging wieder.
Kalbitz kam nicht, eine Anfrage des Tagesspiegels zur Entscheidung der Richter ließ er unbeantwortet. Der Anwalt des Politikers, Andreas Schoemaker, kündigte im Gericht an, bei der nächsten Instanz, dem Berliner Kammergericht, werde Berufung gegen das Urteil eingelegt. Schoemaker will zudem kommende Woche das Hauptsacheverfahren gegen den Parteiausschluss von Kalbitz beantragen. Dieses Verfahren dürfte indes lange dauern.
Kalbitz nur noch parteiloser Abgeordneter
Kalbitz wollte mit der Einstweiligen Verfügung erreichen, zumindest bis zum Ende des Hauptsacheverfahrens in der AfD zu bleiben. Er hätte dann vermutlich weiter die Brandenburger AfD führen und im Bundesvorstand sitzen können. Kalbitz ist jetzt nur noch parteiloser Abgeordneter im Potsdamer Landtag.
Den Posten als parteiloser Chef der AfD-Fraktion gab Kalbitz vergangenen Dienstag auf. Kalbitz hatte dem Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktion, Dennis Hohloch, einen angeblich freundschaftlichen Boxhieb versetzt. Hohloch musste ins Krankenhaus, dort wurde ein Milizriss festgestellt. Die Potsdamer Staatsanwaltschaft ermittelt. Und Kalbitz ist auch in Berlin unter Druck. Dort ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Anfangsverdachts, er habe im Juni beim Landgericht mit falschen eidesstattlichen Angaben die Mitgliedschaft in der HDJ und ihrer Vorgängerorganisation bestritten.
Meuthen wurde nervös
Der Fall Kalbitz hält die AfD seit April in Atem. Damals entschied der Bundesvorstand mit knapper Mehrheit, Kalbitz müsse frühere Mitgliedschaften in politischen Organisationen angeben. Im März hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) den von Kalbitz und Björn Höcke geführten „Flügel“ als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ eingestuft. Ein Alarmsignal für die AfD. Der „Flügel“ mit 7000 Mitgliedern ist nun für das BfV klassisches Beobachtungsobjekt wie die NPD. Mit der Entscheidung des BfV wurde AfD-Chef Jörg Meuthen und weiteren Funktionären die Debatte um Neonazi-Aktivitäten von Kalbitz zu heiß. Die Hinweise, Kalbitz sei Mitglied der HDJ gewesen, machten Meuthen nervös.
Die AfD muss fürchten, dass die Causa Kalbitz für den Verfassungsschutz ein Argument sein könnte, die gesamte Partei als „Verdachtsfall“ für extremistische Bestrebungen zu bewerten. Das wäre die Vorstufe zum klassischen Beobachtungsobjekt, der Ruf der AfD wäre ruiniert. Den Polizisten und weiteren Staatsdienern in der Partei stünden Sanktionen ihres Arbeitgebers bevor. So wagte Meuthen im Mai die Machtprobe und initiierte den Parteiausschluss von Kalbitz.
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