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Ein Kind in einem Flüchtlingslager an der griechisch-mazedonischen Grenze.
© AFP
Update

EU und Flüchtlinge: Berlin und Paris wollen Griechenland mit 600 Beamten helfen

Heute tritt das Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei in Kraft. Doch der griechischen Regierung geht das alles zu schnell. Kritik kommt auch von Horst Seehofer.

Der Zustrom von Schutzsuchenden nach Griechenland hält auch nach Inkrafttreten des Flüchtlingspakts zwischen der EU und der Türkei an. 875 Menschen hätten in der Nacht von der türkischen Küste auf griechische Inseln übergesetzt, teilte der griechische Krisenstab für die Flüchtlingskrise am Sonntag mit. Zum Vergleich: Am Vortag waren 1498 Flüchtlinge aus der Türkei nach Griechenland gekommen, am Freitag waren es 670, am Donnerstag 239.

Seit Mitternacht sind die Vereinbarungen zum Flüchtlingspakt der EU mit der Türkei in Kraft. Der Pakt sieht vor, dass alle Flüchtlinge, die ab Sonntag illegal von der Türkei nach Griechenland übersetzen, ab Anfang April zwangsweise in die Türkei zurückgebracht werden können. Vorher haben die Flüchtlinge jedoch das Recht auf eine Einzelfallprüfung im EU-Land Griechenland. Nur wer nachweisen kann, dass er in der Türkei verfolgt wird, darf bleiben.

Nach Angaben des Krisenstabes halten sich in Griechenland 48.141 Flüchtlinge auf. Auf den Inseln der Ostägäis harren 7316 Menschen aus, im Raum Athen-Piräus sind es 13.000. Der Rest lebt in Lagern in Mittel und Nordgriechenland. Im Lager von Idomeni sollen nach neuesten Angaben des Krisenstabes, die der Deutschen Presse-Agentur vorlagen, rund 12.000 Menschen sein.

Koordinator: Plan nicht "in nur 24 Stunden" umzusetzen

Die Vereinbarung der EU mit der Türkei über die Rückführung von Flüchtlingen kann nach Angaben eines griechischen Regierungsvertreters nicht wie geplant ab Sonntag umgesetzt werden. Ein solcher Plan lasse sich nicht "in nur 24 Stunden" umsetzen, sagte der Koordinator für Einwanderungspolitik der griechischen Regierung, Giorgos Kyritsis, am Samstagabend der Nachrichtenagentur AFP.

Bei einer Kabinettssitzung am Samstagnachmittag sei zwar ein Plan aufgestellt worden, führte Kyritsis aus. Regierungschef Alexis Tsipras habe dabei auch die sofortige Umsetzung dieses Plans gefordert. "Aber de facto braucht man Strukturen, das Personal muss vorbereitet sein und das dauert ein bisschen länger als 24 Stunden", gab der Koordinator zu bedenken.

Noch keine Verstärkung in Griechenland eingetroffen

Nach Angaben von Tsipras wollen die EU-Länder personelle Unterstützung schicken, darunter Experten für Asylfragen, Übersetzer und Polizisten. Deutschland und Frankreich wollten zusammen 400 Polizeibeamte und 200 Asylfachleute auf griechische Inseln entsenden. Das berichtete die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ unter Berufung auf einen gemeinsamen Brief der Innenminister beider Staaten, Thomas de Maizière (CDU) und Bernard Cazeneuve. In dem Schreiben an die EU-Kommission verpflichten sich die Minister, jeweils bis zu 200 Polizeibeamte an die EU-Grenzschutzbehörde Frontex abzustellen. Sie sollen bei der Rückführung irregulärer Migranten helfen.

Außerdem bieten die Minister jeweils 100 Asylfachleute an, die bei der Bearbeitung von Anträgen helfen, in Deutschland aus dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Das deutsch-französische Angebot deckt etwa ein Viertel des Bedarfs, den die EU-Kommission errechnet hat, um die beschleunigte Rückführung von Migranten in die Türkei praktisch umzusetzen.
Doch auf Lesbos war am Samstag noch keine Verstärkung eingetroffen, und bei Beamten wie freiwilligen Helfern herrschte Ratlosigkeit.

"Wir wissen noch nicht, wie wir die Beschlüsse in der Praxis handhaben sollen", sagte ein Polizeivertreter AFP. "Wir warten vor allem dringend auf das von der EU versprochene Personal, um die Asylgesuche rasch bearbeiten zu können, die Übersetzer, Anwälte, Polizisten - alleine schaffen wir das nicht", fügte er hinzu.

Kritik aus der CSU

CSU-Chef Horst Seehofer hat die Vereinbarungen zum Flüchtlingspakt der Europäischen Union mit der Türkei kritisiert. „Das ist kein Durchbruch, sondern ein Zwischenschritt auf dem Weg zu einer nachhaltigen europäischen Lösung“, sagte Seehofer der „Bild am Sonntag“. Es bestehe die Gefahr, dass Deutschland wieder die Hauptlast bei der Aufnahme der Flüchtlinge trage.

Der bayerische Ministerpräsident lehnt weitreichende Zugeständnisse an die Türkei ab. „Eine Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU oder eine komplette Visa-Freiheit wird es mit der CSU in der Bundesregierung nicht geben“, sagte er. „Sonst importieren wir die inneren Probleme der Türkei nach Deutschland.“

Seehofer verlangt Abstimmung im Bundestag

Seehofer verlangte zudem eine Abstimmung im Deutschen Bundestag über die Vereinbarungen mit der Türkei sowie über die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU): „Über die Vereinbarung sollten das europäische Parlament und der Bundestag beraten und abstimmen.“ Gleiches gelte für die Flüchtlingsfrage. Es sei „falsch, wenn solche Fragen nur noch in Talkshows abgehandelt werden statt in den Parlamenten“. Dort müsse über die Flüchtlingspolitik Deutschlands abgestimmt werden, so Seehofer. Dann gäbe es auch mehr Vertrauen der Bevölkerung in die Parlamente.

An einer Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr hält der bayerische Ministerpräsident fest. Dies sei nach wie vor richtig und „realistisch definiert“. Alle Länder mit Ausnahme Deutschlands praktizierten inzwischen eine Obergrenze. Die Bundesregierung habe ihre Politik „komplett geändert, auch wenn sie das nicht zugibt“, sagte Seehofer. Schleichend sei es zu einer Abkehr von der bedingungslosen Willkommenskultur gekommen. Trotz der Bilder von der griechisch-mazedonischen Grenze sage heute kein Politiker mehr: „Grenze auf, lasst alle nach Deutschland reisen.“

In Deutschland werde die Zahl von 200.000 in diesem Jahr wahrscheinlich nicht einmal erreicht, „auch wenn es nicht das Verdienst der Bundesregierung ist“, fügte der CSU-Chef hinzu. „Das alles hat sehr viel mit der CSU zu tun.“ (AFP, dpa, epd)

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