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Merkel erbost: Berlin übt scharfe Kritik am Siedlungsbau

Der Baubeschluss in Ostjerusalem hat eine "diplomatische Krise" zwischen Israel und Deutschland ausgelöst. Kanzlerin Angela Merkel ist erbost über die "Provokation" - und lässt das den israelischen Ministerpräsidenten spüren.

Israel hat erwartungsgemäß der neuen Friedensinitiative des Nahost-Quartettes zugestimmt. Doch wegen des neuesten Baubeschlusses in Ostjerusalem ist es zu einer „diplomatischen Krise“ zwischen Jerusalem und Berlin gekommen.

„Israel begrüßt den Aufruf des Nahost-Quartetts zu direkten Verhandlungen ohne Vorbedingungen zwischen den Konfliktparteien“, hieß es am Sonntag aus dem Büro des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Das israelische Ja zum Fahrplan des von den USA angeführten Quartetts – dem außerdem die Europäische Union, die Vereinten Nationen und Russland angehören – kommt keineswegs überraschend, ist aber mit Vorbehalten verbunden. Die wiederum will die Regierung Netanjahu aber „zu gegebener Zeit vorbringen“.

Tatsächlich entspricht die Quartett-Initiative weitgehend den israelischen Forderungen und ignoriert diejenigen der Palästinenser. „Verhandlungen ohne Vorbedingungen“ verlangte Jerusalem. Ramallah nannte jedoch ultimativ einen Siedlungsstopp zumindest für drei Monate und die Anerkennung der Grenzlinien von 1967 als Vorbedingungen für die Wiederaufnahme der vor zweieinhalb Jahren, als Benjamin Netanjahu mit seiner nationalkonservativen Regierung an die Macht kam, eingestellten Verhandlungen. Wegen dieser Einseitigkeit des Quartett-Aufrufes verzögert sich die palästinensische Antwort auf diesen. Obwohl der Widerstand in der Palästinenser-Führung erheblich sein soll, rechnet man schließlich doch mit einer formellen Zustimmung, allerdings unter deutlichen Vorbehalten. Am Sonntag sagte Nabil Schaath, ein Berater von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, die Initiative habe zwar nur „sehr wenige Mängel“, doch sie lasse zu viel Spielraum für Interpretationen.

Das Nahost-Quartett hat es unterlassen, beiden Seiten von einseitigen Schritten abzuraten. Vielmehr wurden sie aufgefordert, Provokationen zu unterlassen, ohne dass diese definiert wurden. Prompt genehmigte vergangene Woche der zuständige Jerusalemer Distrikt-Bauausschuss den Bau von weiteren 1100 Wohnungen im Ostjerusalemer Stadtteil Gilo, jenseits der einstigen „Grünen Linie“, der Grenzlinie zwischen Israel und dem Westjordanland. Die israelische Begründung lautete wie immer: Gilo liegt auf Jerusalemer Stadtgebiet. Tatsächlich liegt Gilo auf ursprünglich meist christlichen Bauern aus dem benachbarten palästinensischen Beth Jallah gehörenden Hügel-Ländereien. Diese sind ebenso wie zahlreiche Westbankdörfer von Israel annektiert und in Jerusalem eingemeindet worden.

Angela Merkel ist sauer auf Israel - und sagt Netanjahu deutlich die Meinung. Lesen Sie weiter auf der nächsten Seite.

Die israelischen Baubewilligungen sind auf internationale Kritik, insbesondere bei den USA, gestoßen und haben offenbar eine „scharfe diplomatische Krise mit Deutschland“ ausgelöst, schrieb der liberale „Haaretz“. Bundeskanzlerin Angela Merkel habe Netanjahu in einem Telefongespräch mehr als deutlich ihre Meinung gesagt: „Dies ist eine Provokation“ und „ich kann nicht verstehen, wie einige Tage nach der Mitteilung des Quartetts 1100 Wohnungen genehmigt“ werden konnten. Netanjahu habe darauf erwidert, dass er Gilo nicht als Siedlung ansehe, sondern als Teil der israelischen Hauptstadt. Aus Merkels Umgebung soll verlautet sein: „Sie glaubt ihm kein Wort“. Merkels Wut sei umso größer, als sie sich persönlich zusammen mit dem amerikanischen Präsidenten Barack Obama für eine Ablehnung des palästinensischen Antrags auf Anerkennung als Staat im UN-Sicherheitsrat eingesetzt habe, schreibt „Haaretz“ weiter. Sie habe auch versucht, Abbas davon abzuhalten, den Antrag einzubringen. Sie habe, auf ausdrücklichen Wunsch Netanjahus sogar „schweren Druck“ auf Abbas ausgeübt, damit er der Initiative des Quartetts zustimme und Verhandlungen aufnehme. Offensichtlich teilt die Kanzlerin nun die in Washington geäußerte Meinung über Netanjahu, dass dieser „undankbar“ sei.

Netanjahus Büro bemühte sich am Sonntag, den Vorgang herunterzuspielen. Die Beziehungen mit Deutschland seien weiterhin „gut und eng“, ließ Netanjahu mitteilen. „Wenn es Meinungsverschiedenheiten gibt, werden sie auf freundliche Art und Weise gelöst.“ Der frühere israelische Botschafter in Deutschland, Schimon Stein, sagte der Deutschen Nachrichtenagentur dagegen, er sehe „grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten“. Zur Genehmigung der Bauten in Gilo sagte er: „Es schafft ein Vertrauensproblem. Wenn es Zufall war, ist es dumm. Und wenn es kein Zufall war, ist es auch dumm.“

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