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In Berlin wird überlegt, bevorzugt "benachteiligte" Schüler wieder in die Schule zu holen.
© Kitty Kleist-Heinrich/Tsp

Schulöffnungen in Corona-Zeiten: Benachteiligte Schüler und Schülerinnen darf man nicht vorführen

In Berlin sollen „Kinder mit besonderem Unterstützungsbedarf“ zuerst wieder in die Schule. Das ist ein falscher Nachweis sozialer Gesinnung. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Barbara John

Kinder sind in diesen Zeiten überall und meist vereinzelt zu sehen. Nur sind sie nicht da, wo sie eigentlich sein müssten, nämlich in der Schule.

Nach Angabe der UN-Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) dürfen weltweit 75 Prozent der Schulpflichtigen coronabedingt nicht zur Schule gehen (etwa 1,5 Milliarden Kinder und Jugendliche).

Die Rede ist auch davon, welche nachhaltigen Schäden durch längere Schulschließungen für die gesamte Bildungsbiographie eintreten können, gerade für Grundschüler, trotz Digitalunterricht.

Weil die Rückkehr zum Regelunterricht in Deutschland erst nach den Sommerferien möglich sein soll, wird es ab Montag (4.Mai) deshalb auch in den deutschen Grundschulen wieder Präsenzunterricht geben, allerdings zeitlich und räumlich begrenzt.

Finnland begann erst mit Fernunterricht, als alle Schüler technisch teilnehmen konnten

Wer zuerst? Die Berliner Schulverwaltung will nun bei der vorsichtigen Wiederaufnahme „Kinder mit besonderem Unterstützungsbedarf“ bevorzugen und nennt als Auswahlkriterien. Lern- und Sprachdefizite, enge Wohnverhältnisse, kaum vorhandene technische Ausstattung.

[Alle aktuellen Entwicklungen in Folge der Coronavirus-Pandemie finden Sie hier in unserem Newsblog . Über die Entwicklungen speziell in Berlin halten wir Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden ]

Man staunt und wundert sich. Finnland hat beispielsweise erst mit dem Distanzunterricht begonnen, nachdem die Schulen sichergestellt haben, dass alle daran technisch teilnehmen können. Das Berliner Programm „Lernbrücken“ folgt nun dieser Erkenntnis. Besser spät als nie.

In Berlin hängt der Bildungserfolg an öffentlichen Schulen in hohem Maß davon ab, wie die Eltern positioniert sind: Was zählt sind Einkommen, soziale Vernetzung, Qualifizierung, und zwar noch stärker als in vielen Bundesländern. Kleines Portemonnaie, geringer Aufstieg.

Falscher Nachweis einer sozialen Gesinnung

Das zu ändern, ist eine zentrale bildungspolitische Daueraufgabe des Senats. Doch nicht um den Preis, „benachteiligte Schülerinnen und Schüler“ öffentlich vorzuführen als Nachweis einer wahrhaft sozialen Parteigesinnung, wenn die Schulen wieder öffnen. Das zu organisieren erfordert ohnehin von den Schulen akrobatische Spitzenleistungen wegen vieler Gebote und Verbote.

Die Grundschule ist einer der seltenen Orte, wo alle Kinder „aufstiegsrelevant“ sind und voneinander lernen. Spezielle Förderung muss dabei nicht auf der Strecke bleiben.

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