Katalonien: Belgische Staatsanwaltschaft prüft Haftbefehl gegen Puigdemont
Jetzt ist es offiziell. Gegen den Ex-Regionalpräsidenten Puigdemont ist ein europäischer Haftbefehl erlassen worden.
Die belgische Staatsanwaltschaft hat den Empfang der von Spanien erlassenen Haftbefehle gegen den entmachteten katalanischen Regionalpräsidenten Carles Puigdemont und vier seiner früheren Minister bestätigt. Diese würden jetzt geprüft und dann einem Ermittlungsrichter übergeben, berichtete die belgische Nachrichtenagentur Belga am Freitagabend.
Der katalanische Separatisten-Chef Carles Puigdemont muss nun jederzeit mit einer Festnahme rechnen. Das spanische Staatsgericht in Madrid hatte am Freitag einen Europäischen Such- und Haftbefehl gegen den Ex-Regionalpräsidenten erlassen. Der Beschluss von Richterin Carmen Lamela gilt auch für die vier Ex-Minister, die sich wie ihr Chef nach der Entmachtung der Regionalregierung in Barcelona nach Brüssel abgesetzt hatten, wie das Gericht am Freitag mitteilte.
Im Konflikt um eine Unabhängigkeit Kataloniens will Puigdemont nicht aufgeben. Der belgische Fernsehsender RTBF, der ein Interview mit dem nach Belgien geflüchteten Katalanen führte, berichtete am Freitag, Puigdemont wolle bei der Regionalwahl am 21. Dezember kandidieren und aus dem Ausland Wahlkampf betreiben. In Katalonien blockierten derweil Demonstranten mehrere Straßen und Schienen.
"Ich werde zur Justiz gehen, aber zur richtigen Justiz", sagte Puigdemont laut Vorabauszügen in dem auf Französisch geführten RTBF-Interview. Er habe seine Anwälte beauftragt, der belgischen Justiz seine vollständige Bereitschaft zur Zusammenarbeit zuzusichern. Die spanische Justiz jedoch sei "offensichtlich politisiert". Daher habe er in Spanien keine Chance auf "ein gerechtes, unabhängiges Urteil".
Die spanische Justiz hatte angekündigt, dass im Laufe des Freitags ein europäischer Haftbefehl gegen den abgesetzten und nach Belgien geflohenen Chef der katalanischen Regierung ausgestellt werde.
Der Staatsgerichtshof in Madrid hatte Puigdemont und die Mitglieder seiner Regierung für Donnerstag zu einer Anhörung vorgeladen. Der abgesetzte Regionalpräsident und vier seiner Minister ignorierten die Vorladung, woraufhin die Staatsanwaltschaft Haftbefehle gegen sie beantragte. Neun Mitglieder von Puigdemonts abgesetzter Regierung wurden am Donnerstag nach ihrem Erscheinen vor dem Madrider Staatsgerichtshof in Untersuchungshaft genommen.
Katalanische Wirtschaft leidet unter dem Konflikt
Ein RTBF-Journalist berichtete, Puigdemont wolle trotz des Haftbefehls bei der vorgezogenen Regionalwahl Ende Dezember antreten. Er sei bereit, vom Ausland aus Wahlkampf zu führen.
Puigdemonts Partei, die Katalanische Europäischen Demokratischen Partei (Partit Demòcrata Europeu Català, PDeCAT), teilte am Freitag mit, sie wolle sich vor den Regionalwahlen für ein breites Wahlbündnis der Unabhängigkeitsbefürworter einsetzen.
Die Gewerkschaft CSC rief für den 8. November zu einem Generalstreik auf, die beiden größten Gewerkschaften in Katalonien legten sich darauf allerdings noch nicht fest. Der linksgerichtete CUP-Politiker Carles Riera rief zu einem "Generalstreik" und zu einer "massiven Mobilisierung" auf. Am Freitag blockierten Demonstranten zwischenzeitlich mehrere Straßen sowie Schienen in Katalonien und sorgten für Zugverspätungen.
Die Zentralregierung in Madrid warnte erneut vor den "sehr nachteiligen" Auswirkungen der Unabhängigkeitsbestrebungen für das Wirtschaftsleben. Sie verwies auf zurückgehende Hotelbuchungen und einen Anstieg der Arbeitslosigkeit um knapp 15.000 Betroffene im Oktober.
Die Freilassung zweier prominenter Unabhängigkeitsbefürworter lehnten die spanischen Behörden ab. Jordi Sánchez und Jordi Cuixart blieben damit in Untersuchungshaft. Die Justiz hatte die Anführer der Gruppierungen Katalanische Nationalversammlung (ANC) und Omnium Cultural Mitte Oktober festgesetzt.
EU will sich nicht einschalten
"Wir stehen wieder am Abgrund", kommentierte die katalanische Tageszeitung "La Vanguardia" die Entwicklungen. Eine Festnahme Puigdemonts wäre "das schlimmste Szenario".
Puigdemont hatte am Donnerstag dem katalanischen Sender TV3 gesagt, der Streit sei "nicht länger eine inner-katalanische Angelegenheit"; die internationale Gemeinschaft müsse sich der "Gefahr" bewusst werden, führte Puigdemont in der Stellungnahme aus, von der nicht bekannt wurde, wo er sie aufzeichnen ließ.
Die Europäische Union will sich aber weiter nicht in den Streit einschalten: Dies sei "ausschließlich" eine Sache der "Justizbehörden, deren Unabhängigkeit wir akzeptieren", sagte eine Kommissionssprecherin am Freitag in Brüssel.
Die Bundesregierung bekräftigte ihre Unterstützung für die spanische Zentralregierung unter Ministerpräsident Mariano Rajoy. "Wir unterstützen weiter die klare Haltung des spanischen Ministerpräsidenten zur Wiederherstellung und Gewährleistung der spanischen Verfassungsordnung", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Das "große Interesse" der Bundesregierung sei, dass Verfassungsordnung und Einheit Spaniens erhalten blieben. (rtr/AFP/dpa)