Neues Gesetz zu Krankenkassen: Beitragssenkung? Zusatzbeiträge für alle!
Was aussieht wie eine üppige Beitragssenkung, ist in Wirklichkeit gar keine. Ein neues Gesetz verringert zwar den allgemeinen Beitragssatz, macht dafür aber Zusatzbeiträge für die Versicherten zur Regel.
Am Mittwoch hat das Bundeskabinett das „Gesetz zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der Gesetzlichen Krankenversicherung“ beschlossen. In Kraft treten sollen die Änderungen zwar erst zur Jahreswende. Bis zur Sommerpause allerdings müssen sie durch den Bundestag sein, da die Krankenkassen das System nicht so schnell umstellen können.
Was ändert sich für die Versicherten?
Zum Jahreswechsel sinkt der gesetzlich festgelegte Beitragssatz von 15,5 auf 14, 6 Prozent. Die Arbeitgeber haben wie bisher 7,3 Prozent zu tragen, die Versicherten dagegen sparen sich den Sonderbeitrag von 0,9 Prozentpunkten, den sie seit Mitte 2005 alleine zu entrichten hatten. Allerdings haben sie wenig davon. Denn statt dieses Sonderbeitrags werden sie künftig Zusatzbeiträge bezahlen müssen, und im Schnitt springt dafür finanziell für sie gar nichts heraus. Im Gegenteil: Mit den Jahren werden die Zusatzbeiträge weiter steigen, der Arbeitgeberanteil dagegen bleibt eingefroren. Der Vorteil für die Versicherten besteht in der gewonnenen Wahlfreiheit – und eventuell in einer kurzfristigen Entlastung. Einige Kassen werden im nächsten Jahr unterm Strich wohl weiterhin 15,5 Prozent verlangen. Aber bei manchen wird der Gesamtbeitrag auch höher oder niedriger sein. Wer sich einen günstigen Versicherer herauspickt, kann also einiges sparen – bei einer Beitragsdifferenz von 0,5 Punkten wären es derzeit bis zu 240 Euro im Jahr. Der dadurch ausgelöste Wettbewerb werde "auch zur Preissenkung für die Versicherten führen“, sagte Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU). Und bei Beitragserhöhungen werde es ein Sonderkündigungsrecht der Versicherten geben.
Werden künftig alle Krankenkassen Zusatzbeiträge nehmen?
Das ist zu erwarten, denn mit den verordneten 14,6 Prozent kommen auch die Finanzstärksten kaum über die Runden. Durch die Beitragssenkung fehlen dem Gesundheitsfonds, der für die Verteilung der Einnahmen zuständig ist, elf Milliarden Euro. Allerdings sind die Versicherer finanziell unterschiedlich gut aufgestellt. Nach den Prognosen des Gesundheitsministeriums könnte ein „nicht unerheblicher Teil der Krankenkassen“ bei den Zusatzbeiträgen unter 0,9 Prozent bleiben. Rein rechnerisch möglich wäre es derzeit bei nahezu 20 Millionen Versicherten, also bei mehr als jedem vierten. Allerdings obliegt es dem jeweiligen Anbieter, ob er lieber mit einem Preissignal um neue Kunden werben will oder höheren Wert auf finanzielle Reserven legt.
Was bringt die Reform den gesetzlichen Krankenversicherern?
Sie bekommen dadurch wieder die „Beitragsautonomie“ zurück, mit der sie sich von der Konkurrenz unterscheiden können. Außerdem erhalten sie nun die Möglichkeit, kollektiv ins System der Zusatzbeiträge einzusteigen. Bisher scheuten viele davor zurück, den Anfang zu machen – und verzichteten dafür lieber auf nötige Investitionen. Bestärkt wurden sie darin durch die Erfahrung von Versicherern wie der DAK oder der KKH, die den Zusatzobolus schon mal eingefordert hatten – und dadurch zahlreicher Mitglieder verlustig gingen. Das lag auch daran, dass die Zusatzbeiträge den Kassen nicht automatisch übers Gehalt zugingen, sondern gesondert überwiesen werden mussten. Die Versicherten wurden immer wieder daran erinnert – und ärgerten sich. Künftig überweisen die Arbeitgeber die Zusatzbeiträge gleich mit, was den Kassen auch hohe Verwaltungskosten erspart.
Fördert die Beitragsautonomie der Kassen nicht wieder das Rosinenpicken um gesunde und einkommensstarke Versicherte?
Nein, der Ausgleich für die höheren Risiken von Versicherern, die Einkommensschwächere versichern, soll sogar noch verbessert werden. So werden bei den Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds nun etwa auch die höheren Therapiekosten berücksichtigt, die unmittelbar vor dem Tod von Patienten anfallen und bisher außen vor geblieben sind. Gleichzeitig sollen Modelle entwickelt werden, um auch die Kosten fürs Krankengeld und für Auslandsversicherte auszugleichen.
Mehr Wettbewerb - aber die Kosten tragen die Arbeitnehmer alleine
Was verspricht sich die Politik von der Systemänderung?
Mehr Kassenwettbewerb im Sinne der Versicherten und weniger Probleme beim Ziel, die Arbeitgeberbeiträge stabil zu halten. Zudem spart der Bund durch die Reform richtig Geld – bis 2018 sind es fast fünf Milliarden Euro. Das liegt daran, dass die Zusatzbeiträge künftig einkommensabhängig und nicht mehr pauschal erhoben werden. Wäre es bei letzterem geblieben, hätte man für die Überforderten einen Sozialausgleich aus Steuermitteln benötigt. Mit steigenden Zusatzbeiträgen hätten diese Ausgleichszahlungen dann immer stärker zu Buche geschlagen. 2015 wären es 200 Millionen gewesen, drei Jahre später bereits 2,1 Milliarden Euro. Dieser Posten fällt nun weg. Zudem spart der Bund durch die einkommensabhängigen Zusatzbeiträge auch bei seinen Ausgaben für Hartz-IV-Empfänger. In dieser Legislatur sind das nochmal etwa mehr als eine Milliarde Euro.
Bleibt es dabei, dass die Arbeitnehmer alle steigenden Kosten alleine tragen müssen?
Bis auf weiteres, ja. Die Arbeitgeberbeiträge bleiben eingefroren, Kostensteigerungen werden allein über die Zusatzbeiträge der Versicherten finanziert. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) bezeichnete die Reform deshalb als "unverantwortlich und nachhaltig ungerecht". Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer dagegen begrüßte das Festschreiben des Arbeitgeberbeitrags als „wichtig, um Wachstum und Beschäftigung zu sichern“. Zwar gab es bei den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD eine Geheimabsprache, wonach man den Arbeitnehmeranteil nicht bis ins Uferlose steigen lassen wolle. Mit Blick auf die Rücklagen der Versicherer werde das in dieser Legislatur aber kein Thema sein, heißt es in Unionskreisen. Im Gesetzentwurf zur Kassenreform findet sich dazu kein Wort.
Was wird mit der Reform noch geregelt?
Auch die Gründung eines fachlich unabhängigen „Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz“ soll auf den Weg gebracht werden. Dessen Aufgabe wird es laut Koalitionsvertrag sein, „dauerhaft und unabhängig“ die Qualität der medizinischen Versorgung zu messen und dem Gemeinsamen Bundesausschuss, der über die Kostenübernahme durch die Krankenkassen befindet, Entscheidungshilfen zu geben. Der Aufbau des Instituts soll laut Gröhe noch in diesem Jahr beginnen. Zudem sind Internet-Übersichten geplant, etwa zur Frage, welche Kliniken in bestimmten Bereichen besser oder schlechter abschneiden.
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