Barmer schließt jede zweite Filiale: Gesund schrumpfen
Die BarmerGEK will bis 2018 die Hälfte ihrer Geschäftsstellen schließen und im Gegenzug ihren Online-Betrieb intensivieren. Andere Kassen haben solche Reformen schon hinter sich.
Die Krankenkasse BarmerGEK hat angekündigt, bis zum Jahr 2018 die Hälfte ihrer bundesweit rund 800 Geschäftsstellen zu schließen. Gleichzeitig würden mittelfristig 3500 der bisher fast 17 000 Stellen gestrichen. Dies werde sozialverträglich und „in enger Abstimmung mit der Personalvertretung“ geschehen, versprach Vorstandschef Christoph Straub am Montag. Allerdings hieß es bei der Kasse auch, dass eine derartige Straffung ohne betriebsbedingte Kündigungen kaum hinzubekommen sei.
Straub bezeichnete es als notwendig, die BarmerGEK mit ihren 8,65 Millionen Versicherten „kundenfreundlicher, schneller und effizienter“ zu machen. Gleichzeitig gelte es, „die guten Jahre“ zu nutzen, um das Unternehmen auf härtere Zeiten vorzubereiten. Momentan sitzen gesetzliche Kassen und Gesundheitsfonds zwar noch auf Rücklagen von mehr als 30 Milliarden Euro. Wegen sinkender Beschäftigtenzahlen und höherer Gesundheitsausgaben drohen ihnen jedoch aus Expertensicht schon in den kommenden Jahren wieder hohe Defizite.
300 Millionen Euro pro Jahr als Sparziel
Mit der geplanten „tiefgreifenden Reorganisation von Geschäftsstellennetz und Arbeitsorganisation“ wolle man pro Jahr 250 bis 300 Millionen Euro sparen, kündigte Straub an. Finanzielle Nöte allein dürften jedoch nicht ausschlaggebend gewesen sein. Nach vorläufigem Rechnungsabschluss schrieb die BarmerGEK auch 2013 einen Gewinn von 91 Millionen Euro. Und ihre Reserven beliefen sich mit 1,3 Milliarden auf das Doppelte dessen, was der Gesetzgeber verlangt.
Die Organisationsreform sei auch eine Antwort auf verändertes Kundenverhalten, betonte der Vorstandsvorsitzende. Analysen zeigten, „dass immer mehr Versicherte ihre Anliegen am Telefon oder im Web erledigen und weniger in die Geschäftsstellen kommen“. Die Kasse werde deshalb in den Aufbau ihrer Telefon- und Onlineservices investieren. Zudem seien „fachspezifische Bearbeitungszentren“ geplant, in denen Kompetenzen gebündelt würden. Komplett aus der Fläche wolle man sich keineswegs zurückziehen, versicherte ein Sprecher. Im Schnitt solle die nächste Geschäftsstelle für jeden immer noch in 20 Minuten erreichbar sein. Wo das nicht funktioniere, seien „mobile Geschäftsstellen“ geplant. Es werde weiter das Angebot von Hausbesuchen geben. Und in den verbliebenen 400 Filialen würden die Öffnungszeiten nicht nur vereinheitlicht, sondern sogar verlängert.
Techniker Krankenkasse als Vorbild
Unverkennbar ist bei alledem das Schielen auf den Hauptkonkurrenten. Vor kurzem erst hat die Techniker Krankenkasse (TK) den bisherigen Branchenprimus bei der Versichertenzahl überflügelt. Und dass die Hamburger weit moderner aufgestellt sind als die Wuppertaler, ist ein offenes Geheimnis. Spezialisierte Servicestellen etwa hat die TK schon seit zehn Jahren, dafür deutlich weniger Geschäftsstellen. 247 sind es grade mal. Die Beschäftigtenzahl beträgt auch nur 9700. Und an Verwaltungskosten gab die TK im Jahr 2012, einen Sonderposten vorgezogener Pensionsrückstellungen herausgerechnet, pro Versichertem nur 103 Euro aus. Die BarmerGEK dagegen machte fürs Verwalten mehr als 144 Euro locker. Im Durchschnitt aller gesetzlichen Kassen waren es 138,66 Euro.
Der Barmer-Chef dürfte die Strukturunterschiede gut kennen, schließlich saß er bei der TK lange im Vorstand. Und auch der drittgrößte Anbieter DAK hat vorgelegt. Die Beschäftigtenzahl sank dort seit 2010 um 2300 auf rund 11 000, die Zahl der Geschäftsstellen um 142. In diesem Jahr sollen weitere 100 verschwinden. Straub dagegen hat bisher nur 400 Stellen in der Hauptverwaltung und 150 Kleinstfilialen abgebaut.
Wann und wo die BarmerGEK nun auch größere Geschäftsstellen schließt, steht erst im Sommer fest. In Berlin hat sie derzeit neun Filialen, in Brandenburg 46. Ähnlich vernetzt ist dort die AOK-Nordost. In Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern betreibt sie 117 Filialen – und will dort weiterhin mit Präsenz und "Nähe zum Kunden" punkten. Allerdings habe man auch Call-Center mit qualifiziertem Personal aufgebaut, sagt Sprecherin Gabriele Rähse. Und wenn sich der Bedarf ändere, werde man ebenfalls reagieren müssen - mit der Verlagerung oder Schließung von Service-Centern.