Umgang mit Lukaschenko-Regime: Beim Thema Belarus zeigen sich bei den Ampel-Parteien feine Risse
Der Bundestag debattiert erneut über die Situation an der EU-Außengrenze, die Union übt Opposition. Und Grüne und SPD sind sich nicht ganz einig.
Der CDU-Abgeordnete Mathias Middelberg kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Mehrfach nennt er die Ampel-Parteien „das werdende links-gelbe Bündnis“. Die Koalitionäre versuchten darüber hinwegzutäuschen, dass sie kein Konzept für den Umgang mit der aktuellen Migrationskrise hätten, verkündet Middelberg.
Das ist einerseits der neue Sound der CDU in der Opposition. Andererseits zeigen sich an diesem Donnerstag im Bundestag tatsächlich feine Unterschiede vor allem zwischen Grünen und SPD - insbesondere beim Umgang mit dem Regime in Belarus.
Anlass für die Parlamentsdebatte sind zwei Anträge, die die AfD-Fraktion eingebracht hat – zur „Massenmigration über Polen“ sowie zur „Weißrussland-Route“, die die Partei schließen will. Die AfD versucht, von der Migrationskrise an der polnisch-belarussischen Grenze politisch zu profitieren.
Die Anträge der Partei geraten allerdings zur Nebensache. Stattdessen stehen die Kritik an Machthaber Alexander Lukaschenko und die Situation der Geflüchteten im Vordergrund - und die sich abzeichnenden Konfliktlinien der Ampel-Parteien bei diesem Thema, die die Union aufspießt.
„Hilfe, Humanität und Ordnung“
Den Auftakt in der Debatte macht Martin Hess, stellvertretender innenpolitischer Sprecher der AfD. Er diffamiert die Migranten an der Grenze als „Angreifer“ – den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko nennt er nicht. Stattdessen macht er Bundeskanzlerin Angela Merkel für die Situation verantwortlich.
Ulrich Grötsch von der SPD lässt das so nicht stehen. Er kritisiert die AfD scharf und wirft ihr vor, bewusst Ängste zu schüren, obwohl „Hilfe, Humanität und Ordnung“ das Gebot der Stunde seien. Er hebt das Handeln der Europäischen Union hervor, die Flugrouten aus der Türkei und dem Irak unterbunden sowie weitere Sanktionen gegen Belarus auf den Weg gebracht hat.
Es müssten weiter diplomatische Schritte unternommen werden, sagt Grötsch. Er sei deswegen auch froh gewesen, dass Merkel sich mit Lukaschenko in Verbindung gesetzt habe.
Das sehen die Grünen, die derzeit mit SPD und FDP den Koalitionsvertrag aushandeln, anders. Während noch weitere SPD-Politiker die Entscheidung Merkels, das direkte Gespräch mit Lukaschenko zu suchen, als notwendig und richtig bezeichnen, wiederholt Grünen-Politiker Omid Nouripour seine bereits zuvor geäußerte Kritik.
Man müsse mit dem Regime sprechen, das ja. Aber nur, weil man sich etwa einig sei, dass man in der jetzigen Lage in Afghanistan auch mit den Taliban sprechen müsse, käme ja auch niemand auf die Idee, dass Frau Merkel direkt dort anrufe.
Union übt sich in der Oppositionsrolle
Der CDU-Abgeordnete Mathias Middelberg hat schon davor die Differenzen der wahrscheinlichen Partner in der nächsten Regierung in seiner Rede aufgegriffen. Er erinnert an Aussagen des Grünen-Vorsitzenden Robert Habeck, der gefordert hatte, die Geflüchteten an der Grenze in Europa aufzunehmen.
Noch-Außenminister Heiko Maas von der SPD wiederum hatte dafür plädiert, die Menschen in ihre Herkunftsländer zurückzuführen. Das sei ein Widerspruch, den die Parteien auflösen müssten - und den man vermutlich in vielen zukünftigen Debatten um die Migrationspolitik erleben werde, sagt Middelberg.
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Die FDP, so scheint es an diesem Tag, hält sich aus diesem abzeichnenden Konflikt erst einmal heraus. FDP-Abgeordnete Linda Teuteberg spricht in ihrer Rede von der großen Herausforderung, vor der die liberalen Demokratien in Europa stünden. Es gehe darum zu zeigen, dass man gleichermaßen „sensibel und robust, wertegebunden und wehrhaft“ sei. Den Tod von Menschen dürfe man nicht in Kauf nehmen.
Solidarität für Polen und Kritik
Außerdem gelte es, so betont Teuteberg, mit Polen solidarisch zu sein. Das wiederum sehen die Linken anders. Linken-Abgeordnete Zaklin Nastic betont, die Linke lehne die „Menschenschinderei der polnischen rechten Regierung ab“, „illegale Zurückweisungen“ müssten aufhören.
Die Anträge der AfD werden schließlich nicht angenommen, sondern in den Hauptausschuss überwiesen. Kurz nach der Debatte kommt die Meldung, dass nach Angaben der belarussischen Führung der erste Flug aus Belarus gestartet ist, um 431 Menschen zurück in den Irak zu bringen. Die Menschen hatten sich offenbar freiwillig für eine Rückführung gemeldet. Belarus hat zudem bereits am Mittwoch begonnen, einen Teil der geflüchteten Menschen in eine Lagerhalle in Grenznähe zu bringen.