Konzept von Martin Schulz: Bei der Rente ist die SPD der Union voraus
Der Verlockung zu populistischen Rentenversprechungen ist SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz nicht erlegen. Womöglich kann er damit punkten. Ein Kommentar.
Vom Hocker reißt einen das mit Spannung erwartete Rentenkonzept des Gerechtigkeitspredigers Martin Schulz nicht gerade. Was der SPD-Kanzlerkandidat am Mittwoch als Festlegung bei einer der wichtigsten Zukunftsfragen präsentierte, geht kaum über das hinaus, was seine Arbeitsministerin schon im November ohne großes Tamtam in Aussicht gestellt hat. Nur die Untergrenze fürs künftige Rentenniveau wurde – so viel Zugeständnis an Parteilinke und Gewerkschaften musste sein – vom neuen Vorsitzenden mit 48 Prozent um zwei Punkte höher angesetzt.
Kein Wahlkampfknaller, aber immerhin ein Konzept
Kein Wahlkampfknaller also, der den abgeschmierten Hoffnungsträger wieder flott aus seinem Umfragetal herauskatapultieren könnte. Doch die spröde Rentennummer könnte dem 61-Jährigen dennoch nutzen. Zum einen, weil Schulz der Verlockung zu populistischen Rentenversprechen auch mit dem Rücken zur Wand widerstanden hat. Zum andern, weil er – anders als die CDU – den Mut hatte, sich bei der Rente überhaupt festzulegen. Und zwar mit einem bis in die Details durchgerechneten Konzept. Das wirkt zumindest seriös.
So ist es dem Merkel-Herausforderer offenbar nicht egal, ob die Beiträge durch seine Rentengarantien irgendwann durch die Decke gehen. Über 22 Prozent, so seine Vorgabe, dürfen sie bis 2030 nicht steigen. Das Gespann Schulz-Nahles ist auch so ehrlich zu sagen, dass das nur bis zum Jahr 2028 hinhaut und man danach wegen der Babyboomer eine zusätzliche Finanzierung benötigt. Die SPD nennt das einen Demografiezuschuss, er soll aus Steuern fließen. Und auch der anfängliche Entlastungs- und spätere Belastungseffekt durch die Aufnahme von bisher nichtversicherten Selbständigen in die gesetzliche Rentenversicherung ist exakt aufgelistet.
Warum hat die SPD ihre Solidarrente nicht umzusetzen versucht?
Während CDU und CSU herumeiern und vage auf eine Expertenkommission nach dem Urnengang verweisen, weiß der Wähler bei der SPD nun immerhin, woran er ist. Wobei sich die Sozialdemokraten schon fragen lassen müssen, warum ihre Ministerin die neuerlich präsentierte Idee einer Solidarrente für Geringverdiener, wenn sie denn so hilfreich ist, eine ganze Legislatur lang in der Schublade liegen ließ. Dass sie dieses Projekt ernsthaft verfolgt hätte, kann man nun wirklich nicht behaupten.
Fakt ist, dass sich die Genossen bei der Rente mit 63 verrannt hatten und ihnen für anderes dann die Energie fehlte. Das milliardenteure Wahlversprechen, für das man im Gegenzug auch das noch üppigere Gießkannenprojekt der Union namens Mütterrente mit durchzuwinken hatte, war reinste Klientelpolitik. Es hilft weder gegen Altersarmut noch bringt es mehr Gerechtigkeit, denn Nutznießer sind vor allem gutverdienende Facharbeiter mit störungsfreier Erwerbsbiografie.
Wie gut, dass die Union schon über eine Rente mit 70 nachdenkt
Die SPD als Schutzmacht der Rentner? Offenbar ist den Genossen klar, dass sich diese Botschaft mit einem derart detaillierten Konzept im Wahlkampf nur schwer vermitteln lässt. Die Gedankenspiele eines Jens Spahn oder Wolfgang Schäuble über ein höheres Renteneintrittsalter kommen dem Kandidaten deshalb gerade recht. Mit ihm bleibe es bei der Rente mit 67, verspricht Schulz. Das könnte ziehen. Allerdings nur so lange, wie die Merkel-Union nicht mit einer ebensolchen Garantie aufwartet.