Asylverfahren: Behörden ändern Regeln für Syrer
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erkennt immer weniger Syrer als Flüchtlinge an. Pro Asyl sagt: So soll der Familiennachzug doch noch verhindert werden
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) gesteht immer weniger Syrern den Schutz als Flüchtling gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention zu. Vielmehr steigt der Anteil derjenigen, die lediglich einen subsidiären Schutz erhalten. Im gesamten Jahr 2015erhielten nur 62 Syrer diesen Status, in diesem Jahr waren es bereits fast 9000. Statt drei Jahre dürfen sie zunächst nur ein Jahr in Deutschland bleiben – vor allem aber dürfen sie ihre Familien nicht nachholen. Menschenrechtler gehen das Bamf und das übergeordnete Bundesinnenministerium daher hart an.
„Das Innenministerium verhindert, dass das Grundrecht als Familie zusammenzuleben zur Anwendung kommt und treibt die hier lebenden Flüchtlinge in die Verzweiflung“, sagt Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt. Er vermutet, dass die geänderte Praxis rein politisch motiviert ist und syrische Flüchtlinge abschrecken soll. Mit der Lage in Syrien sei sie jedenfalls nicht in Einklang zu bringen. „Die Situation in Syrien ist heute doch nicht besser als vor zwei Jahren“, so Burkhardt im Gespräch mit dem Tagesspiegel.
Die Koalition hatte im vergangenen Jahr beschlossen, den Familiennachzug für Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz für zwei Jahre auszusetzen. Die SPD hatte dem nur zugestimmt, weil dies nur eine sehr kleine Gruppe von Asylbewerbern betraf. Im gesamten Jahr 2015 erhielten nur 1707 Antragsteller subsidiären Schutz. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) wollte zwar gleichzeitig durchsetzen, auch Syrern nur noch subsidiären Schutz zu gewähren. Das scheiterte aber am Widerstand der Sozialdemokraten.
Verhinderung des Familiennachzugs durch die Hintertür
Nun kommt die Veränderung offenbar schleichend. Das Bamf wollte sich zu den konkreten Begründungen für die Entscheidungen nicht äußern. Individuelle Schutzgründe würden nicht festgehalten, teilte eine Sprecherin auf Anfrage mit. Hintergrund sei aber vor allem die wiedereingeführte Einzelfallprüfung für syrische Flüchtlinge. Soll heißen: Während im vergangenen Jahr alle Syrer pauschal als Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt wurden, ergibt sich durch die genauere Prüfung und die damit verbundene Anhörung der Flüchtlinge ein differenzierteres Bild.
Nach Informationen von Pro Asyl argumentiert das Bamf in vielen Fällen, dass das syrische Regime geflüchteten Syrern Pässe ausstelle und ihnen somit eine Rückkehr nach Syrien ermögliche. Sie würden demnach nicht als Feinde betrachtet und müssten bei einer Rückkehr nicht unbedingt mit einer Verfolgung rechnen, was Voraussetzung für eine Anerkennung als Flüchtling ist. Pro Asyl argumentiert dagegen, dem syrischen Regierung gehe es vor allem darum, die Gebühren für die Ausstellung von Pässen zu kassieren, denn dadurch würden Millionen in die Staatskasse gespült. Ob jemand vom Regime als Oppositioneller betrachtet werde oder nicht, sei davon völlig unabhängig. Das Bamf urteile fernab jeder Realität.
Fernab der Realität waren offenbar auch die ersten Prognosen zum Familiennachzug. Politiker der CSU sprachen im vergangenen Jahr von drei, vier oder noch mehr Nachzüglern pro Flüchtling und auch der Innenminister warnte vor einem erheblichem Nachzug von Angehörigen syrischer Flüchtlinge. Von Millionen war die Rede. Inzwischen rechnet das Bamf im Durchschnitt nur noch mit einem nachziehenden Angehörigen, wie es vor wenigen Tagen mitteilte.