NSU-Prozess: Beate Zschäpe zeigt ihre Anwälte an
Auseinandersetzungen gibt es schon lange. Doch nun ist die Situation eskaliert: Beate Zschäpe zeigt ihre Anwälte wegen Verletzung der Schweigepflicht an. Die weisen alle Vorwürfe zurück.
Im NSU-Prozess am Oberlandesgericht München verschärft Beate Zschäpe die Konfrontation mit dreien ihrer vier Verteidiger. Die Hauptangeklagte erstattete am Freitag bei der Münchner Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen die Anwälte Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm. Zschäpe wirft den Pflichtverteidigern die Verletzung der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht vor.
Aus Sicht der Angeklagten haben die Verteidiger gegen den Paragrafen 203 des Strafgesetzbuchs („Verletzung von Privatgeheimnissen“) verstoßen, als sie im Juni mit dem Vorsitzenden Richter des 6. Strafsenats, Manfred Götzl, über mögliche Angaben Zschäpes im Prozess gesprochen haben sollen. Die drei Anwälte wiesen am Freitag alle Vorwürfe Zschäpes als haltlos zurück.
Die Angeklagte hatte zudem am Donnerstag beantragt, auch Stahl und Sturm als Pflichtverteidiger abzuberufen. Die Entbindung von Heer hatte Zschäpe bereits am Dienstag verlangt.
Nun eskaliert der Streit zwischen der Frau und den drei Anwälten weiter. Heer, Stahl und Sturm sind ihrerseits von dem Konflikt, der vor einem Jahr das erste Mal ausbrach, so zermürbt, dass sie am Montag selbst bei Götzl beantragt hatten, die Bestellung als Pflichtverteidiger aufzuheben. Das lehnte Götzl jedoch ab. Im Juni hatte er bereits Zschäpes Forderung zurückgewiesen, Sturm abzuberufen. Götzl ordnete der Angeklagten jedoch den Münchner Anwalt Mathias Grasel als weiteren Pflichtverteidiger zu. Damit verfügt Zschäpe über eine ungewöhnliche hohe Zahl an Pflichtverteidigern. Dennoch lässt die Angeklagte nicht locker und attackiert weiterhin Heer, Stahl und Sturm.
Mathias Grasel könnte die Verteidigung kaum allein stemmen
Sollte Zschäpe sich durchsetzen, geriete der NSU-Prozess in schwere Turbulenzen. Der junge Anwalt Grasel wäre allein vermutlich nicht in der Lage, die Verteidigung der Hauptangeklagten zu stemmen.
Die Bundesanwaltschaft wirft Zschäpe vor, sie sei bei allen Verbrechen der Terrorzelle NSU, das sind zehn Morde, zwei Sprengstoffanschläge in Köln sowie 15 Raubüberfälle, die Mittäterin gewesen. Der Angeklagten, die seit November 2011 in Untersuchungshaft sitzt, droht eine hohe Haftstrafe. Es bleibt offen, ob Zschäpe sich von ihren Manövern erhofft, dass das Verfahren gegen sie abgetrennt und der Prozess neu aufgerollt werden müsste – und sie aus der Untersuchungshaft freikommt. Die Aussichten sind allerdings gering.
Richter Manfred Götzl will den Prozess konsequent durchziehen
Richter Götzl hat bislang mit einer straffen Verhandlungsführung deutlich gemacht, dass er den Prozess bis zu einem Urteil gegen alle fünf Angeklagten fortsetzen und auch Verzögerungen auf ein Mindestmaß beschränken will. Am Montag hatte Götzl innerhalb von Stunden über den Antrag von Heer, Stahl und Sturm entschieden, sich als Pflichtverteidiger entbinden zu lassen. Die drei hatten allerdings mit Hinweis auf ihre anwaltliche Verschwiegenheitspflicht kaum Gründe für ihr Verlangen genannt.
Nach mehreren Unterbrechungen begann Götzl dann noch demonstrativ am Nachmittag mit der Befragung eines Zeugen. Der Richter hat zudem mehrmals auf die hohen rechtlichen Hürden für eine Ablösung von Pflichtverteidigern hingewiesen.