NSU-Prozess: Beate Zschäpe hofft auf baldige Freiheit
Drei Tage haben die Anwälte der mutmaßlichen NSU-Terroristin Beate Zschäpe plädiert. Sie fordern maximal zehn Jahre Haft - aber nicht wegen Mordes.
Geht es nach ihren beiden neuen Verteidigern, könnte Beate Zschäpe bald auf freiem Fuß sein. Hermann Borchert hat, auch im Namen seines Kollegen Mathias Grasel, am Donnerstag im NSU-Prozess eine „Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als zehn Jahren“ als tat- und schuldangemessen bezeichnet.
Da Zschäpe seit sechseinhalb Jahren in Untersuchungshaft sitzt, wären zwei Drittel der Strafe fast verbüßt und die Angeklagte könnte bei guter Führung noch dieses Jahr die JVA Stadelheim verlassen – sollte der 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts München in seinem Urteil dem Plädoyer der Vertrauensanwälte Borchert und Grasel folgen.
Das ist zumindest unsicher, der Strafsenat unter Vorsitz von Manfred Götzl hat bislang keine Zweifel an der Anklage der Bundesanwaltschaft erkennen lassen. Diese fordert für Zschäpe lebenslänglich mit besonderer Schwere der Schuld plus Sicherungsverwahrung.
Aus Sicht der Ankläger war Zschäpe bei den zehn Morden, den zwei Sprengstoffanschlägen und den 15 Raubüberfällen der Terrorzelle NSU die Mittäterin. Hinzu kommt, dass Zschäpe am 4. November 2011 in Zwickau die Wohnung anzündete, in der sie mit den Mördern Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos gelebt hatte.
Anwälte sehen keine Mitgliedschaft in terroristischer Vereinigung
Borchert und Grasel können jedoch weder eine Mitgliedschaft Zschäpes in einer terroristischen Vereinigung noch eine Mittäterschaft bei den Verbrechen von Böhnhardt und Mundlos erkennen. „Die Mandantin war an keinem Tatort, hat keinen Schuss abgegeben, keine Bombe gezündet“, sagte Borchert.
Sie habe sich lediglich bei den 15 Raubüberfällen der beiden Männer der psychischen Beihilfe schuldig gemacht, argumentierten die Anwälte. Zschäpe hatte im Prozess zugegeben, mit den Raubtaten einverstanden gewesen zu sein, um das Leben im Untergrund zu finanzieren.
Zu bestrafen ist aus Sicht der Verteidiger auch das Feuer im Haus in Zwickau. Borchert und Grasel sprachen von besonders schwerer Brandstiftung und dem Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion. Da Zschäpe zehn Liter Benzin in der Wohnung ausgeschüttet und angezündet hatte, kam es zu einer Verpuffung. Ein Teil der Hausfassade flog weg.
Die Verteidiger bestritten aber, Zschäpe habe den Tod der in der Nachbarwohnung lebenden, gebrechlichen Charlotte E. und zweier Handwerker in Kauf genommen, die das Dachgeschoss renovierten. Die Männer waren zum Zeitpunkt der Tat in einer Pause außerhalb des Gebäudes. Die Bundesanwaltschaft wirft Zschäpe im Fall der Brandstiftung auch dreifachen Mordversuch vor.
Wann es ein Urteil gegen Zschäpe gibt, ist unklar
Am Ende des dreitägigen Plädoyers verkündete Borchert, für die Beihilfe zu den Raubüberfällen seien drei Jahre Haft angemessen, für Brand und Explosion in Zwickau sechs Jahre. Bei allen anderen Anklagepunkten, meinen die Anwälte, sei Zschäpe freizusprechen.
Mit dem Start der Verteidiger-Plädoyers ist das seit Mai 2013 laufende Mammutverfahren in die letzte Etappe gegangen. Nach Borchert und Grasel sollen die drei Altverteidiger Zschäpes das Wort bekommen, Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm, außerdem die Anwälte der insgesamt vier mitangeklagten mutmaßlichen Terrorhelfer. Wann es ein Urteil geben könnte, ist allerdings nach wie vor völlig offen.
Frank Jansen