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In der Aufnahmestelle in Zirndorf ist der Andrang groß.
© dpa

Flüchtlinge in Deutschland: Bayern verhängt Aufnahmestopp für Asylbewerber

In den bayerischen Erstaufnahmestellen für Asylbewerber wurde ein Aufnahmestopp verhängt. Auch sonst nennen Experten die Situation "katastrophal". Unterkünfte für Flüchtlinge werden dringend gesucht.

Als dann noch in der Bayernkaserne die Masern ausbrachen, schien im Freistaat das ganze System zu kollabieren. Bei drei Asylbewerbern war die hoch ansteckende Infektionskrankheit diagnostiziert worden. Für die Kaserne im Münchner Norden, eine von zwei Erstaufnahmestellen für Asylbewerber in Bayern, wurde ein Aufnahmestopp verhängt, der am Freitag aufgehoben werden soll. Die Sperre hatte zur Folge, dass sämtliche neu eintreffenden Asylbewerber zur zweiten zentralen Stelle umgeleitet wurden, nach Zirndorf bei Nürnberg. Dort ist Platz für 650 Menschen, doch Tag für Tag schnellen die Zahlen in Zirndorf weiter in die Höhe: An einem Tag werden 1100 untergebrachte Flüchtlinge gemeldet, dann 1300 und kurz darauf 1600. Es wurde ein beheiztes Notzelt aufgebaut, Flüchtlingsbetreuer von der Diakonie nennen die Situation schlichtweg "katastrophal". Nun gibt es auch in Zirndorf den vorläufigen Aufnahmestopp.

Überall in der Republik hat man massive Probleme mit der Unterbringung von Asylbewerbern, die in immer größerer Zahl nach Deutschland kommen. Doch in Bayern scheint die Situation am dramatischsten zu sein, scheinen Politik und Verwaltung der Lage nicht mehr Herr zu werden. Damit rückt der Freistaat beim Thema Flüchtlinge erneut in den Blickpunkt _ nachdem unzufriedene Asylbewerber vor zwei Jahren ihren spektakulären Marsch von Würzburg nach Berlin unternahmen und es an Pfingsten 2013 zum Hunger- und Durststreik auf dem Münchner Rindermarkt kam.

Planungen sahen nicht so viele Menschen vor

Mit einem solchen Anstieg wie in jüngster Zeit habe niemand rechnen können, klagte Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) jüngst. Die Landtags-SPD widerspricht: Die jetzigen Zustände seien Folge der "jahrelangen Versäumnisse" der Staatsregierung, so die sozialpolitische Sprecherin Angelika Weikert. Waren im Jahr 2006 noch 3000 Flüchtlinge nach Bayern gekommen, so werden für 2014 mittlerweile 21000 erwartet. Seit längerem war beklagt worden, dass Zirndorf und die Münchner Bayernkaserne als Erstaufnahmeeinrichtungen nicht ausreichten. Schon vor dem großen Ansturm waren die Zustände dort beklagt worden. Laut Berichten hatte es teilweise nur eine Toilette für 100 Menschen gegeben. Und es war der einstigen Sozialministerin Christine Haderthauer immer wieder unterstellt worden, dass die zentralen Einrichtungen durchaus auch einen abschreckenden Charakter haben sollten.

Der Bayerische Flüchtlingsrat spricht von einem "starren System, das jetzt völlig aus den Fugen geraten ist", so der Sprecher Ben Rau. Weil Städte und Kommunen nicht genügend Flüchtlinge aufnehmen, bilde sich in Nürnberg und Zirndorf ein "Rückstau". Angesichts der weltpolitischen Lage sei eine Zunahme von Asylbewerbern aber zu erwarten gewesen. Die Organisation verlangt, das "Lagersystem" aufzugeben und stattdessen die Flüchtlinge dezentral, sowie bei Freunden und Bekannten unterzubringen.

Asylgipfel geplant

Die Staatsregierung plant aber, in allen sieben Regierungsbezirken Erstaufnahmestellen zu errichten. Standorte wurden schon in Deggendorf, Regensburg, Bayreuth und Augsburg gefunden. In der Schwaben-Metropole etwa ist ein Platz auf dem Flughafengelände vorgesehen. Doch können die Einrichtungen erst 2015 oder gar 2016 in Betrieb gehen. Bis dahin sollen, so ein Kabinettsbeschluss von dieser Woche, weitere 3100 Plätze von Oktober an geschaffen werden. Wie dies geschehen soll, ist noch nicht klar. Für den kommenden Dienstag hat Horst Seehofer Kirchenvertreter, kommunale Spitzenverbände und den Integrationsbeauftragten zu einem "Asylgipfel" in die Staatskanzlei eingeladen.

Mittlerweile wird eilig daran gearbeitet, neuen Wohnraum für Flüchtlinge zu schaffen. Häufig soll das in nicht mehr genutzten Kasernen sein, es werden aber auch Unterkünfte etwa auf einem ehemaligen Munitionsdepot geplant. Das geht nicht ohne Protest. In Kempten etwa soll ein leer stehendes Behördengebäude umgenutzt werden. Da dies in einem Wohngebiet liegt, hofft ein CSU-Stadtrat laut einem Pressebericht auf einen "Aufstand" und ruft dazu auf, bei einer Info-Veranstaltung "ordentlich Front" gegen die Pläne zu machen. 

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